Eine US-amerikanische Studie hat den Krankheitsverlauf von rund 17.500 Patienten mit einem Schädel-Hirn-Trauma (SHT) unter stationären Rehamaßnahmen beobachtet und festgestellt, dass die meisten primär komatösen Patienten nach moderatem oder schwerem SHT sich kurzfristig erholen. Mehr als die Hälfte erlangen wieder ihre funktionelle Unabhängigkeit. Die Studie von Robert G. Kowalski, University of Colorado School of Medicine, Aurora, und Kollegen ist in JAMA Neurology erschienen [1].
Allein in den USA führen Schädel-Hirn-Traumata jährlich zu 2,9 Millionen Notaufnahmen und annährend 300.000 Krankenhausaufenthalten. Problematisch ist es nach Einschätzung der Autoren, wenn bei einem schweren SHT die Störung bzw. der Verlust des Bewusstseins anhält und eine frühe lebenserhaltende Therapie zurückgefahren oder eingestellt wird sowie spezialisierte Reha-Programme nach der Akutversorgung nicht angewandt werden.
Was beeinflusst die Erholung?
Ziel dieser Kohortenstudie mit den Informationen zu 17.470 Patienten aus einer Nationalen Datenbank war es, den Bewusstseinsverlust nach TBI zu quantifizieren und jene Faktoren zu identifizieren, die mit der Erholung und der Wiedererlangung einer funktionalen Unabhängigkeit assoziiert sind.
Die Teilnehmer waren nach der Entlassung aus dem Krankenhaus zwischen 1989 und 2019 an einer von 23 stationären Rehazentren des Traumatic Brain Injury Model Systems versorgt und bis zum Ende der Maßnahme nachverfolgt worden. Gemessen wurden die Ergebnisse u.a. mit der Glasgow Coma Scale und der Disability Rating Scale.
Das mediane Alter zum Zeitpunkt der Verletzung betrug 39 Jahre. 74 % der Patienten waren männlich. 57 % hatten anfänglich einen Bewusstseinsverlust erlitten, der bei 12 % bis zur Rehabilitation anhielt. Diese Patienten waren im Durchschnitt jünger, hatten mehr „Hochgeschwindigkeitsverletzungen“, intrakranielle Masseneffekte, intraventrikuläre Blutungen und subkortikale Prellungen. Zudem waren sie länger in der Akutversorgung als Patienten ohne Bewusstseinsstörungen.
82% (n = 1674) der komatösen Patienten erlangten das Bewusstsein während der stationären Rehabilitation wieder. Folgende Faktoren spielten dabei eine Rolle:
Keine intraventrikulären Blutungen (OR: 0,678; 95%-KI: 0,532–0,863; p = 0,002)
Keine intrakraniellen Masseneffekte (OR: 0,759; 95%-KI: 0,595–0,968; p = 0,03)
Der Functional Independence-Wert verbesserte sich zwischen Aufnahme und Entlassung um 43 Punkte für Patienten mit Bewusstseinsstörungen und um 37 Punkte ohne Bewusstseinsstörungen. 40% aus der ersten Gruppe wurden wieder ganz oder teilweise unabhängig. Positive Prädiktoren, die über die 30 Jahre konsistent blieben, waren jüngeres Alter, männliches Geschlecht und keine intraventrikulären Blutungen, intrakraniellen Masseneffekte oder subkortikalen Prellungen.
Die Studie beschreibt US-amerikanische Verhältnisse und ist möglicherweise nicht uneingeschränkt auf andere Länder mit unterschiedlichen Reha-Einrichtungen (und TBI-Ursachen) übertragbar. Die Sinnhaftigkeit einer guten Neurorehabilitation nach SHT unterstreicht diese Untersuchung aber dennoch.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de.
Medscape Nachrichten © 2021
Diesen Artikel so zitieren: Mehr Geduld und Reha für Koma-Patienten: Langzeitstudie zeigt auf, wer sich nach Schädel-Hirn-Trauma am besten erholt - Medscape - 8. Mär 2021.
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