Ein spezielles Pflaster mit integrierter EKG-Aufzeichnungseinheit erhöht den Nachweis unbekannten Vorhofflimmerns um das 10-Fache. Das berichten Dr. David J. Gladstone vom Sunnybrook Health Sciences Centre, Toronto, und Kollegen jetzt in JAMA Cardiology[1]. Wie sie schreiben, könnte man das „Rhythmuspflaster“ zum flächendeckenden Screening symptomloser Menschen verwenden. Dazu seien jedoch weiterte Daten erforderlich.
Vorhofflimmern wird oft nicht bemerkt
Zum Hintergrund: Weltweit leiden mehr als 30 Millionen Menschen an Vorhofflimmern, allein in Deutschland sind 1,8 Millionen betroffen. Pro Jahr verursacht diese Herzrhythmusstörung bundesweit fast 40.000 Schlaganfälle. Experten rechnen damit, dass sich die Zahl an Patienten mit Vorhofflimmern in den nächsten 20 Jahren verdreifachen wird.
Besonders häufig sind ältere Menschen betroffen. Da Vorhofflimmern aufgrund fehlender oder wenig spezifischer Symptome oft nicht bemerkt wird, stellt sich die Frage, ob bei ihnen ein Screening sinnvoll ist. Seit Einführung direkter oraler Antikoagulantien (DOAK) hat die Diskussion an Fahrt gewonnen. Bleibt als Frage, mit welcher Methode man viele Menschen mit geringem Aufwand untersuchen könnte. Die Methode muss sensitiv und spezifisch genug sein, außerdem einfach in der Handhabung und relativ preiswert.
Jetzt hat das Team um Gladstone ein von der FDA zugelassenes Wearable untersucht. Es handelt sich um Zio®, ein Pflaster mit integrierter EKG-Aufzeichnungseinheit.
Studie mit 856 Probanden ohne bekanntes Vorhofflimmern
Für ihre multizentrische, randomisierte Studie SCREEN-AF rekrutierten die Forscher zwischen 2015 und 2019 insgesamt 856 Personen (487 Frauen) aus 48 Hausarztpraxen. Alle Teilnehmer waren 75 Jahre oder älter und hatten Hypertonie in ihrer Vorgeschichte, aber kein bekanntes Vorhofflimmern.
Die Hälfte aller Teilnehmer erhielt ein Rhythmuspflaster, das in 2 Perioden für jeweils 2 Wochen auf die Brust geklebt wurde. Es enthält eine EKG-Aufzeichnungseinheit, welche den Herzschlag im Untersuchungsintervall durchgehend aufzeichnet. Das Pflaster wurde anschließend zur Auswertung an ein Labor geschickt. Außerdem erhielten Teilnehmer der Screening-Gruppe automatische Blutdruckmessgeräte für zu Hause mit oszillometrischer AF-Screening-Funktion. Während der Monitoring-Perioden waren 2 Messungen pro Tag vorgesehen.
Die andere Hälfte erhielt eine medizinische Standardversorgung mit routinemäßiger klinischer Nachsorge plus Pulskontrolle und Herzauskultation bei Studienbeginn und nach 6 Monaten. Alle Teilnehmer wurden 6 Monate lang beobachtet.
Hohe Rate an Vorhofflimmern entdeckt
In der Screening-Gruppe entdeckten die Forscher bei 5,3% der Probanden (23 von 434) Vorhofflimmern, in der Kontroll-Gruppe traf dies auf 0,5% zu (2 von 422). Davon ausgehend errechneten sie ein relatives Risiko von 11,2 (95% KI 2,7-47,1; P = 0,001; absolute Differenz 4,8 %; 95% KI 2,6-7,0 %; P < 0,001). Es mussten 21 Personen gescreent werden, um die Herzrhythmusstörung bei 1 einer Person zu entdecken.
Innerhalb der 6-monatigen Beobachtungsphase erhielten 4,1% aller Teilnehmer der Screening-Gruppe einen Gerinnungshemmer, in der Kontroll-Gruppe betrug der Anteil 0,9%. Die mediane Dauer des Vorhofflimmerns bei kontinuierlicher elektrokardiographischer Überwachung betrug 6,3 Stunden.
Hautreaktionen auf das Pflaster führten bei 1,2% zu einem vorzeitigen Abbruch der EKG-Aufzeichnung.
Weitere Daten erforderlich – aber der Aufwand könnte sich lohnen
Bleibt als Fazit: Durch das Screening konnte die Rate an nachgewiesenem Vorhofflimmern um das 10-Fache erhöht werden. Kardiologen verordneten in den meisten Fällen eine Antikoagulation.
Ergebnisse der Studie reichen nicht aus, um schon jetzt ein Screening auf Vorhofflimmern mit dem „Rhythmuspflaster“ zu begründen. So fehlen vor allem Daten zu harten klinischen Endpunkten, insbesondere zu Schlaganfällen. Es sei aber gerechtfertigt, den Nutzen und die Risiken des Verfahrens zur Schlaganfall-Prävention in großen Studien genauer evaluieren, schreiben die Autoren.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de.
Medscape Nachrichten © 2021 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: EKG-Pflaster entdeckt 10-mal mehr Vorhofflimmern als normale Untersuchungen – naht das flächendeckende Screening? - Medscape - 4. Mär 2021.
Kommentar