Warum Familie und Freunde gut fürs Hirn sein könnten: Assoziation zwischen Einsamkeit und schrumpfendem Gehirnvolumen

Dr. Linda Fischer

Interessenkonflikte

2. März 2021

Spärliche soziale Kontakte und Einsamkeit könnten sich negativ auf Gehirnstruktur und -Volumen auswirken. Das zeigen Ergebnisse einer in der Fachzeitschrift Biological Psychiatry: Cognitive Neuroscience and Neuroimaging veröffentlichten niederländischen Studie [1].

In den letzten Jahren rückten Lifestyle-Faktoren als Einflussgrößen, etwa bei der Entwicklung von Demenzerkrankungen, in den Fokus der medizinischen Forschung. Zu diesen Lifestyle-Faktoren zählt beispielsweise das soziale Umfeld. Dessen Einfluss auf die Gesundheit und die Fähigkeit, an sozialen Interaktionen teilzunehmen sind in dem Konzept „social health“ erfasst.

Forscher um Isabelle F. Van der Velpen vom Erasmus University Medical Center, Rotterdam, Niederlande, zeigten nun bei älteren Menschen den Zusammenhang der „social health“ mit pathophysiologischen Veränderungen im Gehirn, die mit Demenz assoziiert sind.

Befragung und MRT

Im Rahmen der Studie wurden die Teilnehmer vom Jahr 2002 bis 2008 zunächst zu ihrem sozialen Wohlbefinden bezüglich Einsamkeit, Grad der sozialen Unterstützung und Familienstand befragt. Bei insgesamt 3.737 Personen (mindestens 40 Jahre zu Studienbeginn, Mittel: 60 Jahre, 55 % Frauen) wurde zudem im Jahr 2005 eine erste kraniale Magnetresonanztomographie (MRT) durchgeführt.

Für 3.720 Personen der Kohorte wurde die MRT-Messung regelmäßig über 10 Jahre wiederholt, um beispielsweise das Gehirnvolumen und die Integrität der weißen Substanz über einen längeren Zeitraum zu untersuchen.

Einsamkeit mit geringerem Gehirnvolumen assoziiert

Zu Studienbeginn war das Volumen der weißen Substanz bei einsamen Personen geringer als bei denjenigen, die sich nicht einsam fühlten (im Mittel: -4,63 ml, 95%-Konfidenzintervall: -8,46 bis -0,81). Waren die Menschen sozial gut unterstützt, spiegelte sich das in einem größeren Volumen sowohl des gesamten Gehirns (im Mittel: 1,21 ml pro Punkt in der Gesamtpunktzahl; 95%-KI: 0,11 bis 2,31) als auch der grauen Substanz wider (im Mittel 0,99 ml pro Punkt in der Gesamtpunktzahl; 95%-KI: 0,01 bis 1,97).

Im Vergleich von verheirateten mit geschiedenen Personen ergaben die Daten für diejenigen, die nie verheiratet waren, ein kleineres Gehirnvolumen (im Mittel: ‑8,27 ml; 95%-KI: -13,16 bis -3,39), was sich am deutlichsten in der Vermessung der grauen Substanz zeigte (im Mittel: -4,75 ml; 95%-KI: -9,09 bis 0,40).

Im Hirngewebe von Personen, die gute soziale Unterstützung erfuhren, wurde eine höhere Anisotropie und ein geringeres Diffusionsvermögen durch die Zellmembranen gemessen. Dies deutet auf eine bessere Integrität der weißen Substanz auf mikrostruktureller Ebene hin.

Die Ergebnisse zeigten außerdem eine geringere Abnahme des gesamten Gehirnvolumens über die Jahre bei Personen, die im Interview zu Studienbeginn einen optimalen Score zur sozialen Unterstützung angegeben hatten, im Vergleich zu Personen mit einer niedrigeren Gesamtpunktzahl (im Mittel: 0,13 ml pro Jahr pro Punkt in der Gesamtpunktzahl; 95%-KI: 0,01 bis 0,24).

Während sich 15,2 % der Frauen einsam fühlten, waren es bei den Männern lediglich 8,1%. Interessanterweise zeigte sich jedoch der Trend zu einem geringeren Volumen an weißer Substanz bei einsamen Personen nur bei den Männern.

Soziale Unterstützung als Stress-Puffer

Basierend auf den Ergebnissen ihrer Studie nehmen die Autoren an, dass die untersuchten sozialen Faktoren bestimmte Gehirnstrukturen und somit kognitive Funktionen beeinflussen und wohl auch die Entwicklung einer Demenzerkrankung fördern können.

Eine gute soziale Unterstützung begünstigt womöglich ein gesundheitsförderndes Verhalten und könnte als Stress-Puffer fungieren. Das könnte kardiovaskulären Erkrankungen vorbeugen und sich vorteilhaft auf das neuroendokrine System und das Immunsystem auswirken.

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Coliquio.de

 

Kommentar

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