Öffnungen ab dem 7. März? Laut DIVI-Simulation drohen bis zu 25.000 Intensiv-Patienten

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

26. Februar 2021

Noch ist die Lage mit 2.898 Patienten, die bundesweit intensivmedizinisch behandelt werden, unter Kontrolle. Doch halten Politiker an ihrer Strategie fest, den Lockdown ab 8. März 2021 aufzuweichen, könnten laut der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) schwerwiegende Folgen drohen. Simulationen unter verschiedene Rahmenbedingungen ergeben Peaks von 6.000 bis 25.000 Intensivpatienten als Maximalbelastung. In dem Modell wurden u.a. Daten des bekannten DIVI-Intensivregisters berücksichtigt.

 
Wir sind jetzt am Umschlagspunkt, und es stellt sich die Frage, geraten wir wieder in eine Phase des exponentiellen Wachstums oder nicht. Prof. Dr. Christian Karagiannidis
 

Als maßgebliche Größe für weitere Maßnahmen sehen Experten den R-Wert. R = 1,2 gilt für den Wildtyp als realistisch. Der Wert sei in den letzten Monaten mehrfach erreicht worden, heißt es von der DIVI. Aktuell liegt er bei zirka 1,0.

Auf der Grundlage ihrer Berechnungen fordern Experten, Einschränkungen bis Anfang April beizubehalten. „Wir sind jetzt am Umschlagspunkt, und es stellt sich die Frage, geraten wir wieder in eine Phase des exponentiellen Wachstums oder nicht“, warnt Prof. Dr. Christian Karagiannidis, medizinisch-wissenschaftlicher Leiter des DIVI-Intensivregisters. „Das ist wie die Nachspielzeit – entweder wir gewinnen oder wir verlieren.“

 
Ohne Verlängerung des Lockdowns droht eine schwer beherrschbare 3. Welle. Prof. Dr. Gernot Marx
 

Seine Empfehlung: „Angesichts der höheren Infektiosität der britischen Variante B.1.1.7 und des anzunehmenden höheren R-Werts gilt es jetzt, noch 2 bis 3 Wochen Disziplin zu wahren.“ Das bestätigt auch DIVI-Präsident Prof. Dr. Gernot Marx: „Ohne Verlängerung des Lockdowns droht eine schwer beherrschbare 3. Welle.“ DIVI-Experten sehen jetzt die Politik in der Pflicht. Das nächste Bund-Länder-Treffen soll am 3. März stattfinden.

Simulation mit Daten des DIVI-Intensivregisters

Das Prognosemodell arbeitet mit mehreren vereinfachenden Annahmen:

  • Nach der Lockerung gelten konstante R-Werte für den Wildtyp und für B.1.1.7.

  • Die neue Mutante verbreitet sich 35% schneller als der Wildtyp, jedoch ist ihre Pathogenität nicht erhöht.

  • Impfungen werden bei einer bestimmten Altersgruppe mit gleichbleibend vielen Personen pro Tag durchgeführt. Sie schützen theoretisch zu 100% vor schwerem COVID-19.

  • Personen ohne Impfung haben im Modell einen Schutz von 70% aufgrund von Masken, Abstandsregeln und aufgrund der langsam einsetzenden Immunität weiter Teile der Bevölkerung.

Die Simulation ergab bei R = 1,2 für den Wildtyp und R = 1,55 für B.1.1.7:

  • Szenario 1: Bei einer sehr schnellen Impfung erhalten Personen über 80 bis Ende März die Vakzine, gefolgt von Menschen über 60 bis 21. April und Bürgern über 35 bis 30. Mai 2021. Eine Öffnung ab 7. März würde zu maximal 9.000 Personen auf Intensivstationen führen, während Lockerungen ab dem 1. April oder dem 21. April keine nennenswerten Effekte nach sich zögen. 

  • Szenario 2: Bei einer schnellen Impfstrategie würden Menschen über 80 bis Ende März, diejenigen über 60 und über 35 bis 30. Juni geimpft. Fallen ab 7. März alle Einschränkungen, erwartet die DIVI 12.000 Intensivpatienten als Spitzenwert. Auch hier zeigen Öffnungen ab dem 1. April oder dem 21. April keine nennenswerten Effekte.

  • Szenario 3: Bei langsamen Impfungen erhalten Personen über 80 die Vakzine wieder bis Ende März, diejenigen über 60 bis zum 30. Juni und Menschen über 35 bis zum 15. August. Ein Exit ab 7. März würde zu maximal 25.000 Patienten in intensivmedizinischer Behandlung führen. Wählt man den 1. April, wären es immer noch 6.000. Nur beim 21. April als Ausstiegsdatum zeigen sich keine nennenswerten Belastungen auf Intensivstationen.  

„Steigt die Infektionsdynamik in Deutschland auf einen R-Wert von 1,2 für den Wildtyp und 1,55 für B.1.1.7, kommt es zu einer unkontrollierten Spitzenbelastung der Intensivstationen mit COVID-19-Patienten bei einer Lockerung im März“, fasst Prof. Dr. Andreas Schuppert zusammen. Er ist Leiter des Instituts für Computational Biomedicine, RWTH Aachen, und hat das Modellierungsmodell maßgeblich entwickelt.

Dennoch berechnet die DOVI auch mögliche Entwicklungen für R = 1,0 beim Wildtyp und R = 1,35 für die Variante B.1.1.7.

  • Szenario 1: Hier erhalten Personen über 80 den Impfstoff bis 31. März. Dann folgen bis 30. Juni sowohl Personen über 60 als auch Menschen über 35. Ein Ausstieg am 7. März würde maximal 3.000 Intensivpatienten nach sich ziehen.

  • Szenario 2: Personen über 60 werden bis zum 31. März geimpft. Bis 30. Juni folgen Menschen über 60 und bis zum 15. August Personen über 35. Daraus ergibt sich ein Peak von 4.000 Intensivpatienten, sollten am 7. März Einschränkungen gelockert werden.

 
Steigt die Infektionsdynamik in Deutschland auf einen R-Wert von 1,2 für den Wildtyp und 1,55 für B.1.1.7, kommt es zu einer unkontrollierten Spitzenbelastung der Intensivstationen mit COVID-19-Patienten bei einer Lockerung im März. Prof. Dr. Andreas Schuppert
 

Eine Intensivbetten-Belegung mit 6.000 Patienten zeitgleich, welche an der gleichen Krankheit leiden, gilt als historische Höchstmarke. Sie überschreitet z.B. die Werte aus der Influenzasaison 2017/2018 um das Doppelte. Diese galt laut RKI als ungewöhnlich stark.

 

Kommentar

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