Neue Daten: Versorgungslücke mit Penis- und Sphinkterprothesen nach radikaler Prostatektomie?

Dr. Thomas Kron

Interessenkonflikte

22. Februar 2021

Die Versorgung von Patienten mit urologischer Endoprothetik in Deutschland konzentriert sich auf einzelne Zentren. Daneben gibt es Kliniken mit wenigen OPs. Seit 2012/2013 stagnieren die Fallzahlen der Penis- und Sphinkterprothesen-Implantationen, wobei Ärzte mehr radikale Prostatektomien durchführen. Martin Baunacke vom Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden, und Kollegen vermuten deshalb eine Unterversorgung mit urologischen Endoprothesen [1].

Auswertung von DRG-Abrechnungsdaten

Bekanntlich sind Stressinkontinenzen und erektile Dysfunktionen nach radikalen Prostatektomien die häufigsten Indikationen für die Implantation von Sphinkter- und Penisprothesen. Beide medizintechnischen Systeme seien therapeutischer Goldstandard, erklären die Autoren.

Um Details über die Versorgungsrealität in Deutschland herauszufinden, analysierten sie DRG-Abrechnungsdaten zwischen 2006 und 2016. Die Versorgungslage in 2016 erfassten Baunacke und Kollegen auf Basis der Qualitätsberichtsdaten von Kliniken.

Zum Ergebnis: Von 2006 bis 2012 stieg die Zahl der implantierten Sphinkterprothesen in Deutschland von 739 auf 1.112 (p<0,001). Im gleichen Zeitraum erhöhte sich auch die Zahl an Kliniken mit entsprechenden Eingriffen von 129 auf 206 (p<0,001). Danach kam es zu einer Trendwende. Zwischen 2012 und 2016 sanken die Fallzahlen auf 980, und nur noch 198 Krankenhäuser übernahmen die Versorgung in diesem speziellen Bereich. Im Jahr 2016 implantierten 168 (88%) urologische Kliniken 1 bis 9 Sphinkterprothesen und 23 (12%) 10 oder mehr dieser Medizinprodukte. Die Top-10-Krankenhäuser (≥20 Sphinkter) übernahmen 34% (283/839) aller Sphinkter-Implantationen.

Von 2006 bis 2013 stieg die Zahl der implantierten Penisprothesen von 263 auf 503 (p<0,001). Die Zahl der implantierenden Kliniken erhöhte sich von 71 auf 107 (p<0,001). Zwischen 2013 und 2016 stagnierten die Fallzahl (p=0,9) und die Zahl der implantierenden Kliniken (p=0,5). In 2016 implantierten 83 (85%) urologische Kliniken 1-6 Penisprothesen und 14 Häuser (15%) ≥ 7 Prothesen. Die 7 Top-Kliniken (≥20 Prothesen/Jahr) kamen auf 232/448 (52 %) der Prothesen.

Baunacke und seine Koautoren fanden keine Korrelation zwischen der Zahl an Sphinkter- und Penisprothesen-Implantationen und der Zahl an radikalen Prostatektomien in einzelnen Kliniken.

Unterversorgung mit urologischer Endoprothetik?

Wie die Forscher schreiben, handele es sich um die 1. Studie zur Versorgungsrealität mit Sphinkter- und Penisprothesen in Deutschland. Die Nutzung von DRG-Abrechnungsdaten und Qualitätsberichten habe dabei „eine sehr genaue Darstellung der Versorgungssituation“ ermöglicht. Die Studie zeige, dass die meisten Implantationen in wenigen klinischen Zentren durchgeführt würden; allerdings gebe allerdings auch viele Kliniken mit geringer Fallzahl. Dies sei insofern relevant, da bei beiden Prothesen ein relevantes Komplikations- und Revisionsrisiko bestehe und die operative Erfahrung eine entscheidende Rolle bei der Implantation spiele.

Seit 2012/2013 stagniere die Zahl an Penis- und Sphinkterprothesen-Implantationen. Unter Berücksichtigung der Prostatektomie-Fallzahlen lasse dies eine Unterversorgung vermuten. Auch andere Studien hätten bereits Hinweise auf ein Versorgungsdefizit bei der Behandlung funktioneller Einschränkungen nach radikaler Prostatektomie geliefert, konstatieren die Autoren.

Sie nennen Auswertungen der US-amerikanischen SEER-Datenbank (Surveillance, Epidemiology, and End Results Program). Von 16.348 Männern hätten nach radikaler Prostatektomie nur 6% eine Inkontinenz-Operation und 2,3% eine Penisprothese erhalten. Daten aus Deutschland hätten nur Penisprothesen bei 0,3% der Patienten nach radikaler Prostatektomie ergeben. Bei einem Follow-up der HAROW-Studie sei kein einziger Patient damit versorgt worden.

Die Autoren weisen darauf hin, dass sie weder die Indikationen noch die Qualität solcher OPs charakterisieren können, weil ihnen entsprechende Angaben dazu fehlen. Fallzahlen aus 2016 seien überwiegend Momentaufnahmen.

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de .
 

Kommentar

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