Eine einmalige Injektion des Osteoporose-Medikaments Denosumab (Prolia®, Amgen) kann nach einer aktuellen Proof-of-Concept-Studie die Notwendigkeit für einen Revisionseingriff bei Patienten mit symptomatischer Osteolyse nach Total-Endoprothesen-OP reduzieren.
Die aseptische Lockerung ist das Ergebnis einer abnutzungsbedingten Osteolyse durch die Hüftprothese und hat weltweit einen großen Anteil an den notwendigen Revisionseingriffen. „Die einzige etablierte Behandlung der prothesenbedingten Osteolyse nach einem Gelenkersatz ist die Revisionsoperation, die mit einer wesentlich höheren Morbidität und Mortalität verbunden ist als der primäre Gelenkersatz“, schreiben Dr. Mohit M. Mahatma und sein Team von der britischen University of Sheffield in ihrem Artikel, der in Lancet Rheumatology veröffentlicht worden ist [1]. Neben einem erhöhten Infektionsrisiko und anderen Komplikationen sei ein Revisionseingriff zudem wesentlich kostspieliger als die Erstoperation, fügen sie hinzu.
„Die Ergebnisse dieser klinischen Proof-of-Concept-Studie deuten darauf hin, dass Denosumab die Knochen-Resorptionsaktivität im Osteolyse-Gebiet wirksam reduziert und innerhalb der Grenzen der hier verwendeten Einzeldosis gut verträglich ist“, schlussfolgern sie.
Dr. Antonia Chen, außerordentliche Professorin für orthopädische Chirurgie an der Harvard Medical School in Boston, betonte in ihrem Kommentar zu den Ergebnissen, dass weitere Studien erforderlich seien, um die Wirksamkeit dieser Strategie zur Verringerung der Notwendigkeit von Hüft-Revisionseingriffen wirklich beurteilen zu können.
Nichtsdestotrotz „ist die Osteolyse leider immer noch ein Problem, mit dem wir umgehen müssen, und wir haben bislang auch keine andere Möglichkeit, sie zu verhindern“, sagte sie gegenüber Medscape. „Es ist also ein guter Anfang ... obwohl weitere Studien zwingend notwendig sind“, fügte sie hinzu.
In einem Editorial zu dem Studienbericht stimmt Dr. Hannu Aro vom finnischen Turku University Hospital dieser Einschätzung zu: „Die Studie ist zweifellos ein Durchbruch, aber sie stellt nur den ersten Schritt in der Entwicklung einer Pharmakotherapie dar, die darauf abzielt, den Prozess der belastungsinduzierten periprothetischen Osteolyse zu verlangsamen, zu verhindern oder sogar umzukehren.“
Kleine Single-Center-Studie
An der randomisierten, kontrollierten Phase-2-Studie nahmen 22 Patienten teil, bei denen nach einer Hüft-TEP-Operation an den Sheffield Teaching Hospitals ein Revisionseingriff wegen einer symptomatischen Osteolyse geplant war. Sie wurden randomisiert und erhielten bei ihrem zweiten Krankenhausaufenthalt einmalig 60 mg Denosumab s.c. oder ein Placebo.
„Der primäre Endpunkt war der Unterschied zwischen den beiden Behandlungsgruppen bei der Anzahl der Osteoklasten pro Millimeter osteolytischer Membran an der Schnittstelle zwischen osteolytischer Membran und Knochen in der 8. Woche“, berichten die Autoren.
Zu diesem Zeitpunkt fanden sich in der Denosumab-Gruppe im Vergleich zu Placebo 83% weniger Osteoklasten an der Grenzfläche. Im Mittel hieß das 0,05 pro mm in der Behandlungsgruppe im Vergleich zu 0,30 pro mm in der Placebo-Gruppe (p = 0,011).
Die sekundären histologischen Befunde waren ebenfalls zugunsten der Denosumab-Gruppe im Vergleich zu Placebo signifikant verbessert (Tab. 1).
Tab. 1 Sekundäre Outcomes nach 8 Wochen unter Denosumab im Vergleich zu Placebo
Histologischer Endpunkt |
Denosumab |
Placebo |
Unterschied zu Placebo |
p |
Größe des Osteoklastenbereichs |
0,14% |
1,04% |
87% kleiner |
0,0089 |
Größe der erodierten Oberfläche |
0,22% |
0,78% |
72% kleiner |
0,015 |
Größe des Osteoblastenbereichs |
0,05% |
0,53% |
91% kleiner |
0,015 |
Osteoblastenanzahl |
0,04/mm |
0,41/mm |
90% weniger |
0,017 |
Könnte die Hälfte aller Hüftrevisionen verhindert werden?
Die Patienten, die Denosumab erhalten hatten, zeigten auch einen akuten Abfall der Serum- und Urinmarker für die Knochenresorption mit einem Minimum in der 4. Woche, das bis zur Revisionsoperation in der 8. Woche Bestand hatte.
Im Gegensatz dazu wurde den Autoren zufolge in der Placebogruppe „keine Veränderung dieser Marker beobachtet“ (p < 0,0003 für alle Biomarker). Die Zahl der unerwünschten Ereignisse war in beiden Gruppen etwa gleich.
Wie die Autoren erklärten, kommt es nach einer TEP-Operation zur Osteolyse, wenn sich Kunststoffpartikel von der Prothese abnutzen und eine Immunreaktion auslösen, die den Knochen um das Implantat herum angreift, wodurch sich das künstliche Gelenk lockert.
„Aus unseren Knochenbiopsien und der Knochendarstellung geht eindeutig hervor, dass eine Denosumab-Injektion die Aufnahme der Mikroplastikpartikel aus dem Ersatzgelenk durch den Knochen stoppt und somit verhindern könnte, dass der Knochen abgebaut und eine Revisionsoperation notwendig wird“, so der Seniorautor der Studie Dr. Mark Wilkinson, orthopädischer Chirurg am Sheffield Teaching Hospital, in einer Pressemitteilung seiner Institution.
„Diese Studie ist ein bedeutender Durchbruch, da wir gezeigt haben, dass ein Medikament bereits verfügbar ist, das erfolgreich in der Osteoporose-Behandlung eingesetzt wird und das Potenzial hat, bis zu 50% der wegen einer Osteolyse erforderlichen Revisionseingriffe nach einer TEP-Operation zu verhindern“, fügt er hinzu.
Wilkinson und sein Team meinen, dass ihre Ergebnisse die Durchführung weiterer Studien, die auf ein früheres Krankheitsstadium abzielen, rechtfertigen, damit weiter getestet werden kann, ob Denosumab Revisionseingriffe zu verhindern vermag.
Im Jahr 2018 waren aseptische Lockerungen von künstlichen Gelenken für mehr als die Hälfte aller Revisionseingriffe, die dem National Joint Registry in England und Wales gemeldet wurden, verantwortlich.
Ältere Polyethylenprothesen als größter Übeltäter
In einem weiteren Kommentar zur Studie merkt Chen an, dass das Problem der Osteolysen auch deshalb besteht, weil die ursprünglichen Polyethylen-Prothesen nicht sehr gut waren. Eine bessere Prothese, die am Massachusetts General Hospital entwickelt worden ist, bestehe aus hochgradig vernetztem Polyethylen und nutze sich zwar mit der Zeit auch ab, jedoch in einem viel geringeren Ausmaß als die älteren Modelle. Metall- und Keramikprothesen könnten ebenfalls eine Osteolyse verursachen, aber auch deutlich weniger stark.
„Jedes Teilchen kann technisch gesehen eine Osteolyse verursachen, aber Kunststoff produziert die meisten Teilchen“, erklärt Chen. Obwohl die Revisionsraten für Hüftprothesen in den USA von vornherein niedrig seien, sei die aseptische Lockerung immer noch einer der Hauptgründe für eine Revision. „Viele Patienten leben immer noch mit den alten Plastikimplantaten, sodass der Bedarf nach einer solchen Behandlung nach wie vor besteht“, betont sie.
Viele Fragen zu diesem möglichen neuen Ansatz seien jedoch noch offen, z.B. wann die Behandlung am besten eingeleitet werde und wie man mit Patienten umgehe, bei denen 20 bis 30 Jahre nach der ursprünglichen TEP-Operation das Risiko einer Osteolyse bestehe.
In seinem Editorial sagt Aro, dass schwerwiegende Folgen oft erst 10 bis 20 Jahre nach der Operation sichtbar werden, wenn der Patient möglicherweise körperlich weniger belastbar ist als zum Zeitpunkt der Operation und daher den Belastungen einer schwierigen Revisionsoperation weniger entgegenzusetzen hat.
„In diesem Zusammenhang macht das Konzept der medikamentösen Intervention bei periprothetischer Osteolyse ... der immer größer werdenden Patientengruppe mit Hüft-TEP Hoffnung, dass eine Revisionsoperation vermieden werden kann.“
Aro gibt jedoch zu bedenken, dass die Reduzierung des Knochenumsatzes durch antiresorptive Wirkstoffe wie Denosumab als Nebenwirkung auch mit der Entwicklung atypischer Femurfrakturen in Verbindung gebracht worden ist.
Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
Medscape Nachrichten © 2021
Diesen Artikel so zitieren: Kein OP-Déjà-vu mehr: Denosumab kann Patienten mit Hüftprothese und Osteolyse den Revisionseingriff ersparen - Medscape - 22. Feb 2021.
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