Highlights vom ESC – eine Einordnung der wichtigsten Studien vom Europäischen Kardiologen-Kongress von Prof. Andreas Zeiher

Prof. Dr. Andreas Zeiher

Interessenkonflikte

7. September 2021

Redaktionelle Kooperation

Medscape &

Fortschritte bei Herzinsuffizienz, Plättcheninhibition, Vorgehen nach Herzstillstand und Einflüsse der Corona-Pandemie – Prof. Dr. Andreas Zeiher erklärt die Ergebnisse vom Kardiologenkongress.

Transkript des Videos von Prof. Dr. Andreas Zeiher, Frankfurt

Herzlich Willkommen,

mein Name ist Andreas Zeiher, ich bin Kardiologe am Universitätsklinikum Frankfurt und habe nun die große Freude, Ihnen einen Teil der Highlights des diesjährigen ESC-Kongresses vorzustellen.

Es gab eine Reihe von viel beachteten, auch innovativen Studie und Ergebnissen, die ich gerne mit Ihnen besprechen möchte.

Herzinsuffizienz – aktuelle Leitlinien

Beginnen möchte ich mit den lange erwarteten Leitlinien zur Herzinsuffizienz[1]. Da gibt es einige wichtige Neuerungen. So wurde vor 5 Jahren bei der Klassifizierung eine neue Stratifizierung eingeführt, die man nun zum Glück wieder geändert hat. Patienten mit einer Auswurffraktion zwischen 41 und 49% werden jetzt als „mildly reduced“ Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion eingeordnet.

Es gibt 2 wichtige Neuerungen bei der medikamentösen Therapie, zum einen sind, wie erwartet, die SGLT2-Inhibitoren als Primär- und Eckpfeilertherapie der Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion aufgenommen worden

Mindestens genauso wichtig ist, dass sie mit den ARNIs, den Betablockern und den Mineralocorticoid-Antagonisten gleichgestellt sind, so dass wir nun 4 Eckpfeiler der Therapie haben.

Eine weitere Neuerung ist, dass die Therapie nicht mehr sequenziell aufgebaut ist, sondern diese 4 Substanzen sollen möglichst frühzeitig möglichst gleichzeitig eingesetzt werden, bei den Patienten im Krankenhaus noch während des Krankenhausaufenthalts vor der Entlassung.

Bezüglich der Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion gibt es also viele Neuerungen. Leider sind die Leitlinien bezüglich der Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion etwas zu früh fertig geworden, so dass die Studie, die ich Ihnen anschließend noch vorstellen möchte, die EMPEROR-Preserved-Studie, noch keinen Eingang gefunden hat.

In den Leitlinien gilt deshalb für die Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion als IIb- und IIa-Indikation, dass man sowohl ARNIs als auch Betablocker als auch Mineralocorticoid-Antagonisten einsetzen sollte – ohne dass sie bisher einen Einfluss auf die Prognose gezeigt haben.

Noch 2 kleinere Neuerungen: Die klinische Präsentation der akuten Herzinsuffizienz wird jetzt in 4 Formen unterteilt: die akute dekompensierte Herzinsuffizienz, das akute Lungenödem, das Rechtsherzversagen und der kardiogene Schock.

Bezüglich der Rhythmuskontrolle bei Patienten mit Vorhofflimmern haben die Leitlinien erwartungsgemäß eine Rhythmuskontrolle mit einer IIa-Indikation bei Bestehen von Herzinsuffizienz mit reduzierter Pumpfunktion empfohlen, um der Progression der Herzinsuffizienz vorzubeugen.

EMPEROR-Preserved-Studie

Die EMPEROR-Preserved-Studie haben wir schon lange erwartet [2,3]. Die Studie hat insgesamt knapp 6.000 Patienten mit gut dokumentierter Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion eingeschlossen. Sie wurden 1:1 randomisiert mit dem SGLT2-Inhibitor Empagliflozin oder Placebo behandelt.

Die Ergebnisse zum primären Endpunkt waren hoch positiv. Es kam zu einer 21%igen Reduktion des zusammengesetzten Endpunkts kardiovaskuläre Mortalität und Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz, getragen überwiegend und fast ausschließlich von der 2. Komponente, nämlich der Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz.

Somit haben wir zum ersten Mal tatsächlich eine eindeutig positive Studie für Patienten mit Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion. Dies macht das Leben in der Klinik und die Betreuung der Patienten einfacher.

Ich möchte die Ergebnisse auch ganz kurz mit der vor 3 Jahren bekannt gewordenen PARAGON-Studie in Zusammenhang bringen, die den ARNI Sacubitril/Valsartan bei einem vergleichbaren Patientenkollektiv eingesetzt hat.

Die Studien sind bezüglich der Einschlusskriterien nicht ganz vergleichbar. EMPEROR-Preserved hatte etwas niedrigere Ejektionsfraktionen.

Die Studien sind aber vergleichbar im Schweregrad, in der Ereignisrate. Allerdings gab es in EMPEROR-Preserved weniger Todesfälle als in PARAGON und auch deutlich weniger Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz. PARAGON hat damit eine höhere statistische Aussagekraft.

Wenn man die Patienten aus den beiden Studien nun bezüglich der Herzinsuffizienz matcht, dann zeigt sich, dass bei Patienten mit einer Auswurffraktion zwischen 42 und 52% Empagliflozin die Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz um 35% reduziert, während der ARNI das lediglich um 17% tat.

Für die Patienten mit einer Auswurffraktion zwischen 52% und 62% zeigt sich ein vergleichbares Bild: 32% Reduktion in EMPEROR- Preserved und nur 13% in PARAGON.

Fazit

Die Schlussfolgerung muss deshalb lauten, dass tatsächlich die – zumindest was die Hospitalisierung der Herzinsuffizienz angeht für die SGLT2-Inhibition mit Empagliflozin besser ist als mit einem ARNI wie Sacubitril/Valsartan.

Somit stellt diese Studie tatsächlich für die Therapie von Patienten mit Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion einen Meilenstein dar.

Kleiner Wermutstropfen: In EMPEROR-Preserved zeigte sich kein Einfluss auf die renalen Endpunkte, während das in EMPEROR-Reduced bei Patienten mit reduzierter Auswurffraktion der Fall war.

Wir müssen deshalb überlegen, ob möglicherweise die Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion zusätzliche Effekte auf die Nierenfunktion ausübt, die offensichtlich bei der erhaltenen Ejektionsfraktion mit dem SGLT2-Inhibitor nicht derartig beeinflusst werden.

MASTER-DAPT-Studie

Ein weiteres Highlight ist die MASTER-DAPT-Studie, die insbesondere das Leben von Patienten nach durchgemachter Stentimplantation (PCI) erleichtert [4,5]. Sie befasste sich mit der Dauer der dualen Plättcheninhibition nach Stentimplantation.

Hier wurden die Patienten randomisiert nach einem Monat dualer Plättcheninhibition nur noch mit einem Plättchen-Inhibitor behandelt oder – was die Leitlinien teilweise noch vorschlagen – mindestens 2 Monate mit dualer Plättcheninhibition weiter behandelt und dann auf einen Plättchen-Inhibitor reduziert.

Hier zeigte sich, dass die Rate an MACE (Major adverse cardiovascular events) in den beiden Gruppe nicht unterschiedlich war. Die verlängerte duale Plättcheninhibition verbesserte das klinische Outcome nicht im Vergleich zu verkürzten und früh reduzierten Therapie. Aber – wie zu erwarten – die Monotherapie ging mit einer deutlichen Reduktion der gering und der schwer gradigen Blutungskomplikationen einher.

Daher lautet die Schlussfolgerung: Ja, Patienten mit einem hohen Blutungsrisiko nach Stentimplantation können wir guten Gewissens für einen Monat mit dualer Plättchenhemmung behandeln und dann auf eine Monotherapie zurückgehen.

TOMAHAWK-Studie

Eine kleine Studie ist die TOMAHAWK-Studie, sie kommt aus Deutschland und wurde vom Deutschen Zentrum für Herz- und Kreislaufforschung in Hamburg, Kiel und Lübeck durchgeführt [6,7].

Sie hat untersucht, inwieweit es wichtig ist, Patienten, die einen außerklinischen Herzstillstand (plötzlichen Herztod) erleiden, nach der Einlieferung ins Krankenhaus – sofern im EKG keine ST-Hebung nachweisbar – mit einer frühzeitigen sofortigen Koronarangiographie besser risikostratifizieren und deswegen besser behandeln zu können als solche, wo man erst zuwartet und dann, wenn man Hinweise hat, dass möglicherweise eine ischämische kardiale Grunderkrankung dafür verantwortlich ist, im Intervall invasiv diagnostiziert.

Hier ergab sich erstaunlicherweise kein Unterschied. Das heißt, wir müssen nicht jeden Patienten, der außerhalb des Krankenhauses reanimiert wurde und ins Krankenhaus kommt, sofort koronarangiographieren. Wir können uns Zeit lassen und abwarten, ob wir härtere Hinweise dafür haben, dass eine kardiale Grunderkrankung vorliegt.

FIGARO-DKD-Studie

Die FIGARO-DKD-Studie ist eine kleinere, aber wichtige Studie, die mit Finerenon versucht hat, die Progression der Niereninsuffizienz zu verhindern und gleichzeitig kardiovaskuläre Outcomes zu verbessern [8,9].

Auch dies war eine Mega-Studie mit fast 7.500 Patienten, die über 3,4 Jahre nachverfolgt worden sind. Der primäre Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod, Myokardinfarkt oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz wurde um 13% geradeso statistisch signifikant reduziert.

Allerdings wurde der sekundäre Endpunkt, nämlich das Auftreten eines Nierenversagens oder eine schwergradige Verschlechterung der Niereninsuffizienz durch Finerenon nicht signifikant beeinflusst. So dass wir hier - natürlich in Addition zu den SGLT2-Inhibitoren, die das ja nachweislich können,   eine zusätzliche Substanz haben, die den Krankheitsverlauf hinsichtlich kardiovaskulärer Ereignisse bei Patienten mit mittel- bis geringgradiger Nierensuffizienz günstig beeinflusst.

GUIDE-HF-Studie

Ein Beispiel, dass durch die Corona-Pandemie etwas in Misskredit gekommen ist, ist die Guide Heart Failure Studie [10,11]. Hier hat man bei etwas mehr als 1.000 Patienten mit verschiedenen Formen der Herzinsuffizienz untersucht, in wie weit durch die Implantation eines Drucksensors im Pulmonalarterienkreislauf (CardioMEMS-System) und eine darüber gesteuerte intensivierte Therapie der klinische Outcome verbessert werden kann.

Wie gesagt, 1.000 Patienten wurden für 1 Jahr nachverfolgt. Primärer Endpunkt war die Gesamtmortalität und die Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz. Am Ende der Studie ergab sich kein signifikanter Unterschied, was ziemlich überraschend war, aufgrund der voran gegangenen CHAMPION-Studie, die ja vor 12 Jahren schon durchgeführt worden war.

Dann hat man in einer präspezifizierten Subgruppenanalyse die Patienten untersucht, die vor der Corona-Pandemie und solche die während der Pandemie in die Studie eingeschlossen worden waren.

Bei den Patienten, die vor der Pandemie in die Studie eingeschlossen worden waren, war der primäre Endpunkt signifikant erreicht worden. Bei Patienten, die während der Pandemie eingeschlossen worden waren, haben offensichtlich andere Faktoren, dass die Patienten nicht mehr ins Krankenhaus kamen, dass die Krankenhäuser zum Teil überlastet waren und deswegen der Unterschied zwischen der Druckmessung-gesteuerten Betreuung und der Behandlung der Patienten, die das nicht hatten, sich verwaschen hat, am Ende dazu beigetragen hat, dass die Studie neutral ausgegangen ist.

Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, dass wir in Zukunft auch erwarten müssen, dass einige Studienergebnisse durch die Corona-Pandemie zumindest zum Teil beeinflusst werden und wir das natürlich bei unseren Analysen berücksichtigen müssen.

Dies war insgesamt in vielfacher Hinsicht ein sehr ereignisreicher Kongress mit vielen hoch interessanten Studien, hoch interessanten Neuigkeiten insbesondere auch für die Alltagsbehandlung der kardiovaskulär erkrankten Menschen, insbesondere denen, die auch ein hohes Risiko haben. Von daher glaube ich, dass der ESC-Kongress 2021 sich wiederum als die führende Kongressveranstaltung im Herz-Kreislauf-Bereich weltweit etabliert hat und diesem Ruf auch gerecht wurde.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
 

Kommentar

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