Neue, vielversprechende Substanzen, verträglichere Kombis – Prof. Dr. Christoffer Gebhardt vom UKE in Hamburg fasst für die Dermatoonkologie die wichtigsten Studien vom ASCO-Krebskongress zusammen.
Transkript des Videos von Prof. Dr. med. Christoffer Gebhardt, Hamburg
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
herzlich willkommen zu einem kurzen Update vom ASCO 2021 zum Thema Dermatoonkologie. Mein Name ist Christoffer Gebhardt, ich leite hier in Hamburg am UKE das Hauttumorzentrum.
Auch dieser ASCO-Kongress stand im Zeichen der Immuntherapie und hat uns eine ganze Reihe von Highlights beschert.
1. 6,5-Jahres-Update der CheckMate 067
Das erste Highlight war das Update der CheckMate-067-Studie, die zur Zulassung von Nivolumab und Ipilimumab geführt hat [1]. Es war eine dreiarmige Studie mit Nivolumab plus Ipilimumab versus Nivolumab allein versus Ipilimumab allein beim metastasierten, nicht resektablen Melanom in der Erstlinienbehandlung. Hier wurde ein 6,5-Jahre-Update vorgestellt.
Das 6,5-Jahre-OS lag bei 49% (Nivo + Ipi) vs. 42% (Nivo) – das sind beeindruckende Daten. Auch das 6,5-Jahre-PFS mit 34 zu 29% deutet darauf hin, dass wir offensichtlich nicht nur ein Plateau erreichen, sondern dass wir mit Fug und Recht behaupten können, dass diese Patienten so etwas wie eine funktionelle Heilung erreicht haben.
Besonders interessant bei dieser Studie war, dass ein Melanom-spezifisches Überleben berichtet worden ist. Mit 56 bzw. 48% fällt es noch einmal deutlich höher aus als das üblicherweise berichtete OS.
Diese Studie zeigt wie wichtig Immuncheckpoint-Inhibition in der Erstlinientherapie des Melanoms ist. Aber möglicherweise wird sie da nicht allein bleiben.
2. Neuer LAG-3-Antikörper Relatlimab
Denn es gibt den LAG-3-Antikörper Relatlimab, der in Kombination mit Nivolumab als fix dosierte Kombination in einem Infusionsbeutel gegeben wird als NIVO-RELA. Das Ganze wird aber wahrscheinlich noch einen anderen Namen bekommen.
Der wurde in der Phase-3-Studie RELATIVITY-047 mit einem Nivolumab-Arm in derselben Situation wie in der CheckMate-067-Studie, also in der Erstlinientherapie des nicht metastasierten Melanoms, getestet [2].
Die Daten wurden erstmals bei diesem ASCO-Kongress vorgestellt und sie waren ganz sicher ein Highlight, auch wenn nur das mediane PFS und nichts zu Ansprechen und OS berichtet wurde.
Mit Relatlimab plus Nivolumab wurde ein medianes PFS von 10,1 Monaten, mit Nivolumab allein von 4,6 Monaten, erreicht. Wichtig ist die Verträglichkeit, die war ausgesprochen gut. Rund 19% der Patienten hatten die gefürchteten Grad 3/4-Nebenwirkungen. Das waren 2 Drittel weniger als die 59% unter Nivolumab/Ipilimumab. Der Nivolumab-Arm lag bei rund 10%. Auch die Rate der Therapieabbrecher war mit 14,6 versus 6,7% gering. Das ist also eine gut verträgliche Therapie.
Wir erwarten eine Zulassung aufgrund dieser Daten, brauchen aber natürlich noch mehr Informationen, vor allem zum Therapie-Ansprechen und zu den Subgruppen. Es sieht zwar so aus, zumindest beim PFS, das über alle Subgruppen hinweg ein Vorteil für Nivolumab/Relatlimab versus Nivolumab vorliegt. Das gilt z.B. für den PD-L1-Status, den LAG3-Status, den BRAF-Status, aber auch die LDH. Das sind alles keine Einflussfaktoren, um einen Vorteil der Kombination versus Monotherapie zu zeigen.
Ich glaube, dass die Kombination Relatlimab plus Nivolumab wahrscheinlich für einen nicht unerheblichen Teil der Patienten, die aktuell in der Erstlinie noch die PD1-Monotherapie bekommen, Therapie der Wahl werden, also den Standard of Care ändern wird.
3. Nivo/Ipi bei Hirnmetastasen
Nivolumab/Ipilimumab wird weiterhin Goldstandard sein, da bin ich überzeugt, insbesondere bei Patienten mit Hirnmetastasen. Hier gab es nochmal überzeugende Daten aus der ABC-Studie, ein Update von Prof. Dr.Georgina Long, Melanom-Institut Australien, Universität von Sydney[3].
Das bestätigen auch Patienten, die ein Schleimhautmelanom haben. Das sind Patienten mit einem sehr raschen Tumorprogress mit erhöhter LDH. Aber auch die Patienten, die refraktär sind gegenüber eine PD-1-Antikörpertherapie werden wahrscheinlich weiterhin Nivolumab/Ipilimumab bekommen.
4. Nivolumab/Relatlimab in der Neoadjuvans
Spannend ist, dass Nivolumab/Relatlimab auch in der Neoadjuvans Erfolge zeigt [4]. Eine 2malige Gabe von Nivolumab/Relatlimab vor der Resektion des Tumors, anschließend 10mal Nivolumab/Relatlimab als Infusion erbrachte immerhin pathologische Komplettremissionen von 59%. Damit wurde gezeigt, dass diese sehr verträgliche Therapie – es gab keine Nebenwirkungen vom Grad 3/4 in der neoadjuvanten Phase dieser Phase-2-Studie – tatsächlich besonders sinnvoll ist.
5. Update zur COLUMBUS-Studie
Spannend sind auch die COLUMBUS-Updates [5]. COLUMBUS ist die zulassungsrelevante Studie für Encorafenib und Binimetinib. Das 5-Jahres-Überleben lag immerhin bei 35% für die Kombination versus 21% für die Vemurafenib-Monotherapie.
Die Daten zeigen aber auch, dass die zielgerichtete Therapie in der Erstlinie nicht das Potenzial des Langzeitansprechens hat wie wir das jetzt aus der Immuncheckpoint-Inhibition kennen.
6. Therapie mit Pembrolizumab nach Rezidiv unter Placebo
Auch in der adjuvanten Therapie haben wir spannende neue Daten präsentiert bekommen: eine Cross-Over-Analyse aus der KEYNOTE-054-Studie, der EORTC-Studie [6]. Das war die zulassungsrelevante Studie für Pembrolizumab in der Adjuvans gegen Placebo.
Es ging um die Cross-Over-Kohorte, die unter Placebo ein Rezidiv erlitten und anschließend Pembrolizumab erhalten hat. Diese Patienten profitieren offensichtlich von der anschließenden adjuvanten Therapie, das galt für 50 von den etwa 155 Patienten.
Die anderen Patienten (etwa 80) haben quasi eine Art Erstlinientherapie in der nicht resektablen metastasierten Situation erhalten und erreichten ein erwartbar hohes PFS und Ansprechrate, so dass wir sagen müssen, dass eine adjuvante Therapie mit PD1-Blocker selbst nach dem 2. Rezidiv auch in der nicht resektablen Situation wirksam ist.
Die Studie kann aber nicht beantworten, ob man die adjuvante Therapie ggf. weglassen könnte. Hier fehlen insbesondere auch OS-Daten. Wir sollten nicht vergessen, dass es für unsere Patienten und uns ein erhebliches Therapieziel sein muss, Rezidive zu verhindern. Insofern plädiere ich für die adjuvante Therapie im Stadium 3 a, b, c, d.
7. Daten zur Zweitlinientherapie
Wir haben außerdem Daten zur Zweitlinien-Therapie bekommen. Die LEAP-004-Studie wurde noch einmal aktualisiert [7].
8. Neue Substanzen
Außerdem wurden Daten zur so genannten SENSITIZE-Studie vorgestellt [8]. Das sind zumindest die ersten Daten, die zeigen, dass auch in der Zweitlinie die frühen Studienphasen 2 bald auch 3 neue Substanzen in unser Armamentarium bringen können.
9. Tebentafusp beim Uvea-Melanom
Spannend ist besonders der Ausblick zum Uvea-Melanom. Das Uvea-Melanom ist besonders therapieresistent sobald es metastasiert. Mit Tebentafusp gibt es ein bispezifisches Fusionsprotein mit einem T-Zell-Rezeptor und einem Anti-CD3-Effektor. Es erkennt gp100 auf Melanomzellen und ein zweites Ziel auf T-Zellen. Es bildet eine Brücke zwischen Tumor und Immunzellen, so dass die Immunzellen den Tumor angreifen können.
Hierzu wurden neue Daten zu einer Subgruppe von Patienten vorgestellt, die sehr früh innerhalb einer Woche einen Hautausschlag, ein makulopapulöses Exanthem entwickelten [9]. Das waren immerhin über 80%.
Diese Patienten profitieren besonders gut von der Therapie. Nach den Daten haben diese Patienten immerhin ein medianes OS von 27,4 Monaten erreicht wird (HR 0,35). Das scheint also eine hoch wirksame Therapie für diese sehr schwer zu behandelnden Patienten zu sein.
Wir hoffen, dass die Substanz bald zugelassen wird. In der Zwischenzeit haben wir ein anrollendes Early-Access-Program an den teilnehmenden Studienzentren. Wir hoffen, dass das Ende Juni/Anfang Juli beginnen wird.
10. Tumor-infiltrierende Lymphozyten
Dann noch ein Wort zur TIL-Therapie mit Lifileucel, einer autologen Therapie mit Tumor-infiltrierenden Lymphozyten, die dem Metastasen-Gewebe des Patienten entnommen werden. Der Patient erhält vorher eine Chemotherapie mit Cyclophosphamid und Fludarabin, dann die TIL-Reinfusion, dann noch eine Interleukin-2-Therapie. Zu dieser Therapie in Kombination mit Pembrolizumab wurden jetzt erste Daten vorgestellt [10].
Sie hat einen ganz durchschlagenden Erfolg in der Erstlinie zeigen können mit einem Ansprechen bei 6 von 7 Patienten. Das sind auf jeden Fall hoffnungsvolle Daten für den weiteren Verlauf dieser Studie und für Phase-2- und Phase-3-Studien.
Fazit
Ansonsten haben wir viel gelernt zur Immunonkologie. Wir wissen, dass Steroide, Antibiotika, Protonenpumpenhemmer die Wirkung von Immuncheckpoint-Inhibitoren beeinträchtigen können. Wir lernen immer mehr, wie wichtig molekulare Diagnostik ist, ctDNA-Diagnostik, die Bestimmung der Mutationslast des Tumors und vieles andere mehr. Das war bei diesem ASCO-Kongress vor allem konfirmatorisch.
Dieser ASCO-Kongress hatte seine Highlights vor allem im Bereich der Immun-Onkologie und wir freuen uns auf viele neue Daten, die bei den nächsten Kongressen präsentiert werden.
Damit herzlichen Dank und Auf Wiedersehen.
Medscape © 2021
Diesen Artikel so zitieren: Die Top-Studien – kurz und knapp: „Funktionelle Heilung“ beim Melanom und andere „beeindruckende Daten“ zur Hautkrebs-Therapie - Medscape - 14. Jun 2021.
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