Nach der Debatte um den Astra-Zeneca-Impfstoff weist Prof. Dr. Thomas Schlegel alle Impfärzte darauf hin, dass Sie sich vom Impfwilligen ein Aufklärungsgespräch dokumentieren lassen sollten.
Transkript des Videos von Prof. Dr. Thomas Schlegel, Frankfurt
Liebe Medscape-Freunde,
nach längerer Pause hier mal wieder ein kleiner rechtlicher Beitrag. Aus aktuellem Anlass geht es um die Corona-Impfung und vor allem um die Diskussion zum AstraZeneca-Impfstoff.
Welche Implikationen hat dies für die Haftung für Ärztinnen und Ärzte, welche sowohl in Impfzentren als auch ggf. im Rahmen der hausärztlichen Versorgung die Impfungen durchführen?
Für Standard-Impfungen reicht Aufklärungsbogen
Beim Impfen gibt es eine Besonderheit, die auf einer BGH-Rechtsprechung basiert. Im Rahmen der Aufklärung reicht beim Impfen ein Aufklärungsbogen aus und es soll tatsächlich keine weitere Aufklärung durchgeführt werden.
Das ist Ihnen vielleicht bewusst, vielleicht auch nicht. Aber es könnte durchaus sein, dass diese BGH-Rechtsprechung mit den neuartigen Wirkstoffen nicht mehr zu halten ist. Dazu muss ich ein bisschen ausholen.
Zivilrechtliche Haftung liegt beim Bund
Grundsätzlich ist es beim Impfen so, dass aufgrund des Infektionsschutzgesetzes – das ist anders als bei anderen Arzneimitteln – die Haftung und damit auch das Risiko beim Bund und damit letztendlich beim Steuerzahler, beim Staat liegen.
Also: Nachweisbare Impfschäden werden im Rahmen einer zivilrechtlichen Haftung vom Staat bezahlt.
So gab es aktuell die Diskussion, dass die Verträge mit den jeweiligen Herstellern auf EU-Ebene geschlossen worden sind und dort Haftungen möglicherweise ausgeschlossen oder reduziert worden sind.
Das ändert nichts an den Ansprüchen der Geimpften, die bei tatsächlichen Impfschäden sich erst an das Versorgungsamt wenden müssen und ihre Ansprüche beim Land und dann beim Bund geltend machen müssen.
Beim Paul-Ehrlich-Institut (PEI) ist eine Webseite für die Meldung von Impfschäden verfügbar.
Das Infektionsschutzgesetz sieht aber vor, dass diese Haftungsübernahme nur für empfohlene Impfungen gilt. Das waren in der Vergangenheit immer Standardimpfungen. Bei diesen Impfungen ist klar, dass der Staat, der sie empfiehlt, die Haftung übernimmt. Deshalb hat der BGH auch gesagt, dass bei diesen Standardimpfungen ein Aufklärungsbogen ausreichend ist. Eine zusätzliche mündliche Aufklärung ist hier nicht erforderlich.
Das hat sich m.E. hier jetzt geändert, weil es sich bei den neuartigen COVID-19-Impfstoffen nicht um Routine-Impfungen handelt. Man kennt die mittel- und langfristigen Folgen noch nicht.
Bei COVID-19-Impfung an Aufklärungsgespräch denken
Aber die zu Impfenden müssen wissen, worauf sie sich einlassen. Da wird diese BGH-Rechtsprechung nicht mehr greifen. Es ist also ein Aufklärungsgespräch notwendig.
Sie könnten zwar zu Recht sagen, ob hier nicht der Bund bzw. das Land die Haftung für eventuelle Impfschäden übernehmen würde, denn gerade auch die COVID-19-Impfungen sind entsprechend empfohlen worden. Aber verlassen Sie sich nicht darauf.
Denn dies stimmt nur für den zivilrechtlichen Teil. Wenn die Geimpften jetzt hier im Rahmen von nachgewiesener Kausalität Schäden und damit Schadensersatz geltend machen, dann ist das ein Schadensersatz in Geld. Der wäre tatsächlich weiterhin vom Bund bzw. den Ländern zu bezahlen.
Eine fehlerhafte Aufklärung kann jedoch 2 unterschiedliche Rechtsrichtungen einschlagen, die meist Hand-in-Hand einhergehen. Das eine ist die zivilrechtliche Fragestellung, also Haftung auf Geld, das andere ist die Körperverletzung, also die strafrechtliche Verantwortung. Das sollten Sie bitte im Hinterkopf behalten.
Strafrechtliche Haftung bedenken
Wenn Sie also aus der Perspektive des Impflings unzureichend aufgeklärt haben, kommt kein Behandlungsvertrag zustande. Dann bleibt es am Ende bei der Körperverletzung. Diese strafrechtliche Haftung kann der Staat nicht übernehmen, weil es eine persönliche Haftung ist. Deswegen ist das wahrscheinlich ein entsprechendes Haftungsrisiko, das Sie bedenken müssen.
Fazit
Wenn Sie impfen, egal ob im Impfzentrum oder in der Praxis, kann ich Ihnen nur raten, nehmen Sie sich ein bisschen Zeit und schauen Sie, dass Sie die Bögen zwar benutzen, aber den Impfwilligen die Möglichkeit geben, entsprechende Frage zu stellen und dokumentieren Sie, dass ein Aufklärungsgespräch stattgefunden hat.
Dann sind Sie im Zweifel auch aus der strafrechtlichen Verantwortung draußen. Zivilrechtlich müssen Sie nichts befürchten, denn das übernimmt laut §60 Infektionsschutzgesetz der Staat.
Ich hoffe, das bringt Sie weiter. Ich denke, dass ist im Moment eine ganz wichtige Information.
Bleiben Sie uns gewogen. Bis bald, bleiben Sie gesund!
Ihr Thomas Schlegel
Medscape © 2021
Diesen Artikel so zitieren: Legal-Talk – mit Appell an Corona-Impfärzte: „Bedenken Sie eine strafrechtliche Haftung, klären Sie ausführlich auf!“ - Medscape - 24. Mär 2021.
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