Von der Fettleber zum Krebs: Die chronische Entzündung zu stoppen, ist der Schlüssel zur Therapie

Maren Schenk

Interessenkonflikte

19. Februar 2021

Die nicht-alkoholischen Fettlebererkrankungen (NAFLD) nehmen wie in den meisten Industrienationen auch in Deutschland zu. Die Gefahr der Progression zu Fibrose, Zirrhose und einem hepatozellulären Karzinom steigt bei Patienten mit Fettleber. Eine Schlüsselrolle spielen dabei Entzündungen, sagte Prof. Dr. Mathias Heikenwälder, Leiter der Abteilung Chronische Entzündung und Krebs am Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg.

Prof. Dr. Mathias Heikenwälder

Wie chronische Entzündungen als Treiber von Krebserkrankungen wirken und wie sich dieser Prozess mit Wirkstoffen aufhalten lassen könnte, erklärte der Mikrobiologe und Genetiker bei einer Veranstaltung am DKFZ [1].

Erst ernährungsbedingten Leberentzündung, dann Krebs

Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) gilt als Paradebeispiel für eine mit Entzündung assoziierte Krebserkrankung, so Heikenwälder. Die Ursache für eine Entzündung der Leber kann eine chronische Infektion mit Hepatitis-B- oder Hepatitis-C-Viren sein (wie Medscape berichtete). Aber auch falsche Ernährung bzw. das metabolische Syndrom und chronischer Alkohol-Abusus können zu einer Fettleber (Steatosis) und zu einer nicht-alkoholischen Steatohepatitis (NASH) bzw. alkohol-assoziierten Steatohepatitis (ASH) führen, woraus sich ein HCC entwickeln kann – vor allem in Zusammenhang mit Fibrose und Zirrhose. „In den USA hat bereits jeder 3. Amerikaner eine Fettleber, in Europa geht man von 80 bis 100 Millionen Menschen mit Fettleber aus“, berichtete Heikenwälder.

 
Die chronische Entzündung ist der Motor von Leberkrebs. Prof. Dr. Mathias Heikenwälder
 

„Die Persistenz des Stimulus – Viren, metabolisches Syndrom, Alkoholabusus – ist der Treiber der Entzündung“, sagte Heikenwälder. Präklinische Untersuchungen seiner Arbeitsgruppe hatten gezeigt, dass eine monatelange fettreiche Diät bei Mäusen Adipositas, eine Fettleber und Leberentzündungen induzieren kann – vergleichbar mit NASH bei Menschen. Ein Drittel dieser Mäuse bekommt Leberkrebs – ohne, dass ihnen eine krebsauslösende Substanz verabreicht wurde, nur durch die fetthaltige Diät und deren Konsequenzen.

Wie entsteht aus einer ernährungsbedingten Leberentzündung (NASH) aber nun Leberkrebs? „Wir konnten zeigen, dass die Entzündung der Treiber ist von pathologischer Fettleber zu NASH als auch zu HCC“, so Heikenwälder: 2 Immunzelltypen, nämlich aktivierte CD8+-T-Zellen und Natürliche Killer-T-Zellen (NKT), spielen eine wichtige Rolle bei der Veränderung von normalen zu pathologischen Hepatozyten. „Durch einen ‚Crosstalk‘ der Immunzellen mit Hepatozyten haben die Leberzellen ihre normalen Stoffwechselwege und auch die Reparatur von DNA-Schäden ‚verlernt‘.“ Dies sei der Start für die Krebsentstehung. „Die chronische Entzündung ist der Motor von Leberkrebs.“

Die Rolle der Thrombozyten – und mögliche Therapien

Weitere Untersuchungen zeigten, dass Thrombozyten entscheidend bei der Initiierung von NASH und der Hepatokarzinogenese sind. Die Blutplättchen werden durch erste Schädigungen der Leber angelockt und sind dafür verantwortlich, dass Immunzellen die Leber infiltrieren.

Wäre eine Anti-Plättchen-Therapie (APT) daher ein therapeutischer Ansatz für Patienten? Heikenwälder berichtete von einer Pilotstudie mit 24 NAFLD-Patienten: „Eine APT mit Acetylsalicylsäure (ASS) und Clopidogrel für 6 Monate führte zu einer massiven Abnahme von Fettablagerungen in der Leber, und das Lebervolumen wurde um einen halben Liter reduziert – obwohl die Patienten ihren ungesunden Lebensstil weiter geführt hatten.“

Studien anderer Arbeitsgruppen erbrachten inzwischen positive Ergebnisse einer ASS-Therapie bei Lebererkrankungen. In einer prospektiven Kohortenstudie aus 2019 mit 361 NAFLD-Patienten war die tägliche Einnahme von 100 mg ASS/Tag mit einem niedrigeren Risiko für eine fortgeschrittene Fibrose/-Progression (und für NASH) assoziiert – im Vergleich zu unregelmäßiger Einnahme. Den größten Benefit fanden die Autoren bei mindestens 4 Jahren ASS-Einnahme.

Eine retrospektive schwedische Registerstudie zeigte 2020, dass die Einnahme von niedrig dosierter ASS (<160 mg) bei Patienten mit chronischer Hepatitis B oder C mit einem signifikant geringeren Risiko für HCC und reduzierter Sterblichkeit durch Lebererkrankungen assoziiert ist – im Vergleich zu keiner ASS-Behandlung (medianes Follow-up 7,9 Jahre).

Heikenwälder und seine Mitarbeiter suchen derzeit nach einer spezifischen „antiinflammatorischen“ APT (ohne die Hämostase zu beeinflussen) zur Behandlung von NASH und zur Prävention von Leberkrebs. Sie fanden ein Molekül auf der Oberfläche von Thrombozyten, das wichtig ist für die inflammatorische Funktion dieser Zellen, aber nicht für die Blutgerinnung: das Glykoprotein GPIb-alpha. „Wir generieren gerade einen monoklonalen Antikörper, der dieses Molekül blockiert, und untersuchen ihn in einem präklinischen Modell.“ Ziel ist, die Entzündung und damit Leberkrebs zu reduzieren. „Möglicherweise eignen sich solche Substanzen auch gut gegen Entzündungsreaktionen in anderen Organen“, sagte Heikenwälder.

Prävention von Lebererkrankungen als Prävention von HCC

Neben der Erforschung neuer Therapien von Lebererkrankungen ist die Prävention dieser Erkrankungen von großer Bedeutung. Denn die meisten Fettlebererkrankungen entstehen durch Fehlernährung und Übergewicht. „Bis zu 25% der Patienten mit Fettleber können eine NASH entwickeln, bis zu 20% der NASH-Patienten eine Zirrhose – Grundlage für ein HCC“, so Heikenwälder. Aber ein Drittel der Patienten mit Fettleber/NASH und ASH können Leberkrebs (HCC) ohne Zirrhose entwickeln: „Diese Zahlen sind alarmierend, da diese Patienten bisher nicht in einem Screening erfasst werden.“

 
Alkoholkonsum bei Fettleberpatienten erhöht das Risiko, Leberkrebs zu bekommen, um das 5- bis 7-Fache. Prof. Dr. Mathias Heikenwälder
 

Immer häufiger gebe es auch Patienten mit BASH (both alcoholic and non-alcoholic steatohepatitis): Patienten, die durch schlechte Ernährung und Alkoholkonsum eine Steatohepatitis entwickeln. „Alkoholkonsum bei Fettleberpatienten erhöht das Risiko, Leberkrebs zu bekommen, um das 5- bis 7-Fache.“

Durch eine Veränderung des Lebensstils – gesündere Ernährung, weniger Alkohol und mehr Sport – können Patienten mit Fettlebererkrankungen einer Verschlimmerung entgegenwirken, betonte Heikenwälder. Beeinflussbare Lebensstilfaktoren stehen in Deutschland bekanntlich mit rund einem Drittel aller Krebsfälle in Verbindung (wie Medscape berichtete).

Epidemiologie von Leberkrebs

  • In Deutschland beträgt die Inzidenz von Leberkrebs rund 9.000 Neuerkrankungen/Jahr (nach Angaben des Robert Koch-Instituts).

  • Die Sterblichkeit ist fast genauso hoch, da die Behandlungsmöglichkeiten und damit die Überlebenswahrscheinlichkeit gering sind (5-Jahres-Überlebensrate 15%): ca. 8.000 Todesfälle/Jahr.

  • Rund 65% der Fälle von Leberkrebs sind hepatozelluläre Karzinome, etwa 35% Cholangiokarzinome.

  • Weltweit sterben eine Million Menschen/pro Jahr an Leberkrebs.

  • Bei Männern steht Leberkrebs bei der Inzidenz nach Lungen-, Prostata-, Kolorektal- und Magenkarzinom an 5. Stelle, bei der Mortalität aber an 2. Stelle nach Lungenkrebs.

 

Kommentar

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