Diskussionspapier zur Zukunft der Telematik-Infrastruktur: gematik will stärker agieren

Christian Beneker

Interessenkonflikte

17. Februar 2021

Die gematik hat ein Whitepaper zur Zukunft der Telematik-Infrastruktur (TI) vorgelegt: die „TI 2.0 – Arena für digitale Medizin“ [1]. Das Papier reagiere auf den „grundlegenden Wandel“ der Infrastruktur für den digitalen Austausch von Gesundheitsinformationen, so die gematik. „Wir denken unser Angebot und unseren Auftrag komplett neu“, kündigt Dr. Markus Leyck Dieken, Geschäftsführer der gematik, an. Das ist wohl auch nötig. Denn der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verlangt von der gematik mehr Tempo.

 
Der Arzt in seiner Praxis braucht sich nur noch um einen sicheren Internetzugang zu kümmern und um eine intakte Software. Dr. Florian Hartge
 

Die nutzerorientierte Ausrichtung des Angebots sei das A und O. Bereits dieses Jahr liefere die gematik beispielsweise mit der elektronischen Patientenakte und dem E-Rezept Anwendungen, mit denen Digitale Medizin für jede Bürgerin und jeden Bürger konkret werde, so die gematik in einer Pressemitteilung weiter. Entscheidend dabei seien einheitliche Standards: Insel-Lösungen gehörten der Vergangenheit an, ebenso das „Denken in isolierten Silos der medizinischen Versorgung“.

Konkret soll zum Beispiel der Konnektor in den Praxen durch Schnittstellen im Internet ersetzt werden und dadurch universelle Erreichbarkeit der Gesundheitsdienste im Web ermöglichen. Dies senke die Kosten, stabilisiere den Betrieb und erleichtere die Integration weiterer medizinischer Berufsgruppen, so die gematik. Und: Sie bedeuten eine Sorge weniger für den Arzt, meint Dr. Florian Hartge, COO bei der gematik. „Der Arzt in seiner Praxis braucht sich nur noch um einen sicheren Internetzugang zu kümmern und um eine intakte Software.“

Datensicherheit heißt: Trau niemandem

Auch die hinter den Anwendungen liegende „Sicherheitsarchitektur“ soll grundsätzlich überarbeitet werden. Das Credo der Neuerung: Trau niemandem. Die Sicherheit einer Anwendung ergebe sich damit nicht mehr wie früher aus einem möglichst wasserdichten Produkt, sondern aus dem steten Beobachten der Web-Aktivitäten und einem ständigen Alarmzustand: Jeder Zugriff auf die Anwendung wird als verdächtig eingestuft. „Da guckt man genau, welcher Nutzer wo und wie oft welche Daten haben will“, sagt Hartge. „Diesen Ansatz möchten wir auf die TI 2.0 anwenden.“

Besonders wichtig sei auch ein „förderiertes Identitätsmanagement“. Während in deutschen Arztpraxen noch ständig mit Gesundheitskarten, Praxisausweisen oder Heilberufe-Ausweis hantiert wird, um die Identität von Ärzten und Patienten zu belegen, setzt die gematik auf eine Zukunft mit einem Identitätsmanagement, das bei jeder Amazon-Bestellung längst üblich ist.

 
Für die digitalen Anwendungen im Gesundheitswesen, für reibungslose Tele-Sprechstunden oder andere digitale Dienste ist eine reibungslose elektronische Repräsentanz im Internet nötig. Dr. Florian Hartge
 

„Die moderne Onlinetechnik hat die Technik in unseren Arztpraxen längst überholt“, sagt Hartge. Die TI in den Arztpraxen war vor 15 Jahren neu und gilt der gematik auch heute noch als sicher und funktionell. Aber nicht mehr lange. „Für die digitalen Anwendungen im Gesundheitswesen, den DiGAs, für reibungslose Tele-Sprechstunden oder andere digitale Dienste ist eine reibungslose elektronische Repräsentanz im Internet nötig.“

Zwar erfüllten heute die elektronische Patientenakte oder der elektronische Medikationsplan sehr gut ihren Zweck. Aber die Gesellschaft verlange nach schlanken Lösungen. Zukünftig sollen darum Krankenkassen oder Ärztekammer es übernehmen, die jeweiligen Nutzer zu authentifizieren und das „föderierte Identitätsmanagement“ ermöglichen.

Das BMG hat der gematik mehr Tempo verordnet

2019 hat Spahn sein Haus über das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) mit 51% der Gesellschafteranteile zum Mehrheitsgesellschafter der gematik gemacht. Sein Ziel: Die Entscheidungen zur Digitalisierung des Gesundheitswesens eher und schneller zu fällen. „Die Digitalisierung im Gesundheitswesen, insbesondere die Einführung medizinischer Anwendungen der elektronischen Gesundheitskarte und der Telematikinfrastruktur, soll zügig und konsequent umgesetzt werden“, kündigte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) seinerzeit an.

 
Das Whitepaper ist also ein Diskussionspapier. Bis zum Frühjahr wollen wir Feedback von allen interessierten Parteien des Gesundheitswesens erhalten haben. Dr. Florian Hartge
 

Mit dem Whitepaper will die gematik nun einen Schritt auf die Überholspur gemacht haben. „Früher hat die gematik als eine Gesellschaft die anstehenden Probleme in einem aufwändigen Verfahren ausdiskutiert, technische Spezifikationen und Anforderungen skizziert und der Industrie fertige Vorgaben für Lösungen präsentiert“, erklärt Hartge. Kurz, sie habe reagiert und bestimmt.

Nun will sie als „Nationale Agentur für Digitale Medizin“ selber agieren „und zuhören“, wie Hartge sagt. „Wir wollen selber Ideen entwickeln und diese öffentlich diskutieren, bevor wir Regulatorien schaffen. Das Whitepaper ist also ein Diskussionspapier. Bis zum Frühjahr wollen wir Feedback von allen interessierten Parteien des Gesundheitswesens erhalten haben.“
 

Kommentar

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