In der Corona-Pandemie haben weniger klinische Studien mit neuen Onkologika begonnen. Außerdem lesen Sie in unserem aktuellen Onko-Blog dieser Woche, dass Brustkrebs nun das Lungenkarzinom als häufigste Krebserkrankung abgelöst hat. Eine Stuhltransplantation kann das Ansprechen auf eine Immuntherapie bei Patienten mit fortgeschrittenem Melanom verbessern. Beim kastrationsempfindlichen Prostatakarzinom sind laut einer Metaanalyse Abirateronacetat und Apalutamid die beste Zusatztherapie und eine starke Lichtverschmutzung in der Nacht ist mit einem erhöhten Risiko für ein Schilddrüsenkarzinom assoziiert.
COVID-19: Weniger klinische Studien – verzögerte Therapiefortschritte
Brustkrebs löst Lungenkrebs als häufigste Krebserkrankung ab
Melanom: Stuhltransplantation bessert Ansprechen auf Immuntherapie
Kastrationsempfindliches Prostatakarzinom: Die besten Zusatztherapien
Schilddrüsenkarzinom: Erhöhtes Risiko durch Lichtverschmutzung?
COVID-19: Weniger klinische Studien – verzögerte Therapiefortschritte
Im Verlauf der COVID-19-Pandemie ist die Zahl neu aufgelegter klinischer Studien in der Onkologie zur Testung neuer Medikamente um etwa 60% zurückgegangen, so ein Research Letter in JAMA Network Open.
Eine US-amerikanische Arbeitsgruppe hat anhand von Daten aus dem Medidata Enterprise Data Store alle onkologischen Studien (n = 1.440) der Phasen 1 bis 4 mit Arzneimitteln oder biologischen Wirkstoffen erfasst, die jeweils in den Monaten von Oktober bis Mai über 5 aufeinanderfolgende Jahre in 91 Ländern begonnen hatten.
Der Zeitraum von Januar 2020 bis Mai 2020 wurde als Pandemie-Zeitraum, der 35-Monatszeitraum vor dem Januar 2020 als Präpandemie-Zeitraum definiert.
Die Zahl der begonnenen onkologischen Studien in jeder der 5 aufeinanderfolgenden 8-Monats-Perioden lag bei 229 (2015/16), 304 (2016/17), 340 (2017/18), 376 (2018/19) bzw. 191 Studien (2019/20).
Daraus ließ sich eine Abnahme um 60% an neuen Studien im Pandemie-Zeitraum im Vergleich zum Präpandemie-Zeitraum errechnen.
Nach Ansicht der Autoren sind diese Ergebnisse besorgniserregend, weil sie darauf hindeuten, dass die Pandemie die Entwicklung neuer Krebstherapien negativ beeinflussen könnte.
Brustkrebs löst Lungenkrebs als häufigste Krebserkrankung ab
Brustkrebs ist nun weltweit die häufigste Krebserkrankung, nachdem jahrelang Lungenkrebs an erster Stelle der Liste der häufigsten Karzinom-Diagnosen stand.
Dies teilte die World Health Organization (WHO) in einer Mitteilung mit. Die Angaben beruhen auf den Statistiken der International Agency for Research on Cancer (IARC).
In den letzten 2 Jahrzehnten hat sich die Gesamtzahl der mit Krebs diagnostizierten Menschen von geschätzten 10 Mio. im Jahr 2000 auf 19,3 Mio. im Jahr 2020 nahezu verdoppelt. Heute erkrankt einer von 5 Menschen weltweit im Laufe seines Lebens an Krebs. Prognosen zufolge wird die Zahl der Krebsdiagnosen in den kommenden Jahren noch weiter zunehmen und 2040 um nochmals fast 50% höher sein als 2020.
Die Zahl der Krebstoten ist ebenfalls gestiegen, von 6,2 Mio. im Jahr 2000 auf 10 Mio. im Jahr 2020. Mehr als jeder 6. Todesfall ist auf Krebs zurückzuführen.
Ungesunder Lebensstil trägt einen Teil zur zunehmenden Krebsbelastung bei, ein erheblicher Anteil ist jedoch auch auf die zunehmende Lebenserwartung zurück zu führen.
Die COVID-19-Pandemie hat die Probleme der Spätdiagnose und des mangelnden Zugangs zur Behandlung verschärft. Diese treten überall auf, insbesondere aber in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen.
Eine im Jahr 2020 durchgeführte WHO-Umfrage ergab, dass die Krebsbehandlung in mehr als 40% der während der Pandemie befragten Länder unterbrochen wurde. Die Ergebnisse der Umfrage wurden durch eine Reihe von Studien gestützt, die darauf hinweisen, dass Verzögerungen bei der Diagnose häufig sind, sowie Unterbrechungen und Abbrüche der Therapie erheblich zugenommen haben. Auch die Teilnahme an klinischen Studien und die entsprechenden Forschungsergebnisse sind zurückgegangen
Melanom: Stuhltransplantation bessert Ansprechen auf Immuntherapie
Eine fäkale Mikrobiota-Transplantation (FMT) kann bei Patienten mit fortgeschrittenem Melanom das Ansprechen auf eine Immuntherapie ermöglichen. Dies ergab eine in Science publizierte Phase-1-Studie.
Schon lange ist bekannt, dass die Zusammensetzung des Mikrobioms im Darm bei Krebspatienten das Ansprechen auf eine Immuntherapie beeinflusst. Forscher des US-amerikanischen National Cancer Institute (NCI) untersuchten nun in Zusammenarbeit mit einer Arbeitsgruppe vom UPMC Hillman Cancer Center an der University von Pittsburgh in einer Phase-1-Studie bei Patienten mit PD1-Antikörper-refraktärem metastasiertem Melanom die Auswirkungen einer FMT auf die Wirkung von Pembrolizumab.
Das Fäkaltransplantat stammte von Patienten mit fortgeschrittenem Melanom, die auf Pembrolizumab angesprochen hatten. 15 Melanom-Patienten, die auf Pembrolizumab oder Nivolumab nicht angesprochen hatten, erhielten das Transplantat mit Hilfe eine Koloskopie, anschließend wurden sie mit Pembrolizumab behandelt.
Auf diese Behandlung reagierten 6 der 15 Patienten entweder mit einer Tumorreduktion oder einer langfristigen Stabilisierung der Krankheit. Ein Patient zeigte noch nach mehr als 2 Jahren ein anhaltendes partielles Ansprechen, 4 weitere Patienten werden noch behandelt, bei ihnen ist die Erkrankung seit über 1 Jahr nicht fortgeschritten.
„Unsere Studie ist eine der ersten, die bei Patienten gezeigt hat, dass eine Veränderung der Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms das Ansprechen auf eine Immuntherapie verbessern kann. Die Daten belegen, dass das Darm-Mikrobiom ein therapeutisches Ziel bei Krebs sein kann“, so Studienleiter Dr. Giorgio Trinchieri vom NCI in einer Pressemitteilung.
Kastrationsempfindliches Prostatakarzinom: Die besten Zusatztherapien
Zusätzlich zur Androgen-Deprivations-Behandlung (ADT) erwiesen sich Abirateronacetat und Apalutamid bei Patienten mit metastasiertem kastrationsempfindlichem Prostatakarzinom als besser wirksam und verträglich als Enzalutamid und Docetaxel.
In einer Netzwerk-Metaanalyse analysierte eine US-amerikanische Arbeitsgruppe die Daten von 7.287 Patienten aus 7 randomisierten Studien, in denen zusätzlich zu einer ADT Abirateronacetat, Apalutamid, Enzalutamid und Docetaxel zur Behandlung eines metastasierten, kastrationssensitiven Prostatakarzinoms eingesetzt worden waren.
Das Gesamtüberleben wurde durch Abirateronacetat (Hazard Ratio: 0,61), Apalutamid (HR: 0,67) und Docetaxel (HR: 0,79) verbessert. Das radiologisch nachgewiesene progressionsfreie Überleben wurde durch Enzalutamid (HR: 0,39), Apalutamid (HR: 0,48), Abirateronacetat (HR: 0,51) und Docetaxel (HR: 0,67) verlängert. Obwohl Enzalutamid das radiologische progressionsfreie Überleben am deutlichsten verbesserte, ist eine längere Nachbeobachtungszeit erforderlich, um seinen Effekt auf das Gesamtüberleben besser beurteilen zu können.
Die Behandlung mit Docetaxel ging mit vermehrten schweren Nebenwirkungen einher (Odds Ratio: 23,72). Mit Abirateronacetat war die Rate schwerer Nebenwirkungen leicht erhöht (OR: 1,42).
Fazit der Autoren: Nach den Ergebnissen dieser Netzwerk-Metaanalyse bieten Abirateronacetat und Apalutamid als Zusatztherapie zu ADT den größten Gesamtüberlebensvorteil bei relativ geringem Risiko für schwere Nebenwirkungen.
Schilddrüsenkarzinom: Erhöhtes Risiko durch Lichtverschmutzung?
Personen, die in Regionen mit starker künstlicher Beleuchtung in der Nacht leben, könnten ein höheres Risiko für ein Schilddrüsenkarzinom haben, so eine in Cancer publizierte Studie einer US-amerikanischen Arbeitsgruppe.
Sie hatte die Assoziation zwischen nächtlicher Beleuchtung und dem Risiko für ein Schilddrüsenkarzinom bei 464.371 Teilnehmern der NIH-AARP Diet and Health Study analysiert, in die in den Jahren 1995 und 1996 Erwachsene im Alter zwischen 50 und 71 Jahren aufgenommen worden waren. Innerhalb einer Nachbeobachtungszeit von durchschnittlich 12,8 Jahren waren 384 Männer und 472 Frauen an einem Schilddrüsenkarzinom erkrankt.
Personen, die der höchsten Quintile an nächtlichem Licht ausgesetzt waren, hatten im Vergleich zu Personen aus der niedrigsten Quintile ein um 55% höheres Risiko, an einem Schilddrüsenkarzinom zu erkranken. Die Assoziation für ein lokalisiertes Karzinom war bei Frauen stärker als bei Männern, während bei Männern die Assoziation für ein stärker fortgeschrittenes Karzinom stärker war als bei Frauen.
Zum Mechanismus weisen die Forscher darauf hin, dass nächtliches Licht die Melatonin-Produktion unterdrückt, dass ein Modulator der Östrogen-Aktivität ist. Auch die Störung der inneren Uhr (zirkadianen Rhythmik) könnte zum erhöhten Karzinomrisiko beitragen.
Allerdings belegt diese Beobachtungsstudie keine Kausalität. In weiteren Untersuchungen müssen diese Befunde nun bestätigt werden. Könnte zudem in künftigen Studien der Mechanismus dieser Assoziation näher definiert werden, wäre es möglich durch Reduktion der Lichtverschmutzung diesen Risikofaktor zu minimieren.
Medscape Nachrichten © 2021 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Stuhltransplantation schärft Immuntherapie; Lichtverschmutzung als Krebsrisiko; die beste Therapie beim Prostatakarzinom - Medscape - 9. Feb 2021.
Kommentar