Gesetzentwurf zum assistierten Suizid: Beratungspflicht – und nur Ärzte sollen Medikamente verschreiben dürfen

Christian Beneker

Interessenkonflikte

3. Februar 2021

Mit einem fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf haben 5 Bundestagsabgeordnete die Diskussion um die gesetzliche Neuregelung der Suizidbeihilfe in Deutschland eröffnet, dem „Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Suizidhilfe“. Es soll das Recht auf einen selbstbestimmten Tod ebenso gesetzlich absichern wie die Hilfe zur Selbsttötung.

Vor einem Jahr hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Sterbewillige in Deutschland das Recht haben, sich das Leben zu nehmen und sich beim Sterben assistieren zu lassen und dazu fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen ( Medscape berichtete ).

Das grundsätzliche und in der Verfassung verankerte Selbstbestimmungsrecht bezieht sich damit auch auf das Lebensende und den selbstbestimmten Tod, so das Gericht zur Begründung. So wurde der §217 StGB, der die geschäftsmäßige Förderung der Hilfe zur Selbsttötung bisher verbot, als verfassungswidrig abgeschafft.

Aber wer „sehnlichst sterben“ wolle, stehe heute immer noch vor hohen faktischen Hürden, ebenso, wer beim Sterben assistieren wolle, heißt es in dem Gesetzentwurf. So sei es derzeit etwa unmöglich, die tödlichen Präparate zu erhalten. Wer den Sterbewilligen assistieren will, muss zudem mit rechtlichen Konsequenzen rechnen, vor allem Ärzte. Denn die Berufsordnung verbietet Medizinern die Suizidbeihilfe.

„Ärzte sind das ‚Zünglein an der Waage‘“

„Wir wollen deshalb besonders 2 Punkte neu regeln“, sagt Petra Sitte (Linke), eine der 5 Abgeordneten der Arbeitsgruppe, zu Medscape. „Wir wollen eine verpflichtende Beratung für Sterbewillige durch ein bundesweites Netz von Beratungsstellen, um zu klären, ob ein freier, autonomer Wille zum Sterben vorliegt.“

 
Wir wollen eine verpflichtende Beratung für Sterbewillige durch ein bundesweites Netz von Beratungsstellen, um zu klären, ob ein freier, autonomer Wille zum Sterben vorliegt. Petra Sitte
 

Die Autoren des Gesetzentwurfes haben zugleich in §4 Absatz 1 des Entwurfs eine Wohnortbeschränkung eingearbeitet: Nur wer in Deutschland seinen Wohnort hat, kann die Beratung in Anspruch nehmen. So soll Suizid-Tourismus vermieden werden.

„Und wir wollen, dass es Ärztinnen und Ärzte sind, die die Medikamente verschreiben“, ergänzt Sitte. Es geht also elementar um die Trennung von Beratung und Verschreibung. Allerdings darf der Arzt zum Beispiel Phenobarbital-Natrium nur verschreiben, wenn der Sterbewillige die Beratungsbescheinigung vorlegt.

 
Wir wollen, dass es Ärztinnen und Ärzte sind, die die Medikamente verschreiben. Petra Sitte
 

Der Gesetzentwurf richte sich gegen jeden Kommerz im Zusammenhang mit der Suizidbeihilfe und damit gegen Sterbehilfevereine, die Mitgliedbeiträge nehmen oder Gebühren für den Suizid, sagt Sitte. Die Beratungsstellen sollen sicherstellen, dass Sterbewillige nicht alleine gelassen werden und „nicht auf ein Angebot rein aus Gewinnstreben orientierte Einrichtungen angewiesen sind“, so der Entwurf. „Ganz im Gegenteil soll es einen solchen Bedarf künftig nicht mehr geben.“ Die Berater sollen die Sterbewilligen denn auch nicht in eine bestimmte Entscheidungsrichtung drängen.

Nach der Beratung soll die entsprechende Bescheinigung ausgestellt werden, mit der der Sterbewillige zum Arzt geht, am besten zu seinem Hausarzt, sagt Sitte. Dort erhält der Sterbewillige gegen die Vorlage der Beratungsbescheinigung ein Rezept. „Der Arzt ist das ‚Zünglein an der Waage‘“, sagt Sitte.

DGP sieht die Gefahr der Normalisierung des Suizids

Die Palliativmedizinerin und neue Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP), Prof. Dr. Claudia Bausewein, begrüßt den Gesetzentwurf, äußert aber auch Kritik. „Dass Beratung und die Durchführung des Suizids voneinander getrennt werden, halte ich für einen guten Schritt“, sagt Bausewein zu Medscape. „Wir hatten diesen Vorschlag auch schon an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn übermittelt.“ 

 
Dass Beratung und die Durchführung des Suizids voneinander getrennt werden, halte ich für einen guten Schritt. Prof. Dr. Claudia Bausewein
 

Problematisch indessen findet Bausewein, dass der Suizid durch die staatliche Beratung quasi zu einem üblichen Verfahren wird. „Wenn staatliche Stellen beraten, dann besteht die Gefahr der Normalisierung“, sagt Bausewein.

 
Wenn staatliche Stellen beraten, dann besteht die Gefahr der Normalisierung. Prof. Dr. Claudia Bausewein
 

Zudem sei nicht jeder Sterbewunsch ein Suizidwunsch, erklärt die Palliativmedizinerin. Sie berichtet von einem Patienten, der sterben wollte, nachdem sein Pflegedienst gekündigt hatte. „Er befürchtete, nicht weiter versorgt zu werden“, so Bausewein. „Die fachliche Beratung soll sich darum bemühen, den Sterbewunsch zu verstehen und ihn weder einreden noch ausreden. Es soll in der Beratung aber auch ein Ausweg aufgezeigt werden.“

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisiert in einer Stellungnahme die staatlichen Beratungsstellen. „Allein der Betroffene selbst hat die Chance, zwischen einer autonomen und nicht autonomen Willensbildung zu unterscheiden“, betont der Vorstand der Stiftung, Eugen Brysch. „Deshalb kann es durch staatliche Beratung kein Suizid-Siegel geben. Zudem ist es höchst gefährlich, Tötungsmittel abzugeben, die dann unkontrolliert und ungesichert in die Hände Dritter geraten werden.“

 

Kommentar

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