Als COPD-Exazerbation eingeliefert, als Lungenembolie diagnostiziert – bislang größte Studie liefert neue Daten

Dr. Jürgen Sartorius

Interessenkonflikte

25. Januar 2021

Wenn COPD Patienten mit einer akuten Verschlechterung ihrer Symptomatik in ein Krankenhaus eingeliefert werden, findet sich gar nicht so selten eine pulmonale Embolie (PE): Eine Studie fand unter Patienten, die mit einer exazerbierenden COPD hospitalisiert und bei der Eingangsuntersuchung systematisch untersucht worden waren, in 5,9% der Fälle eine Lungenembolie [1].

Die Mortalitätsrate dieser Patienten lag in den folgenden 3 Monaten mit 25,9% signifikant über derjenigen von Patienten mit exazerbierter COPD ohne thromboembolische Ereignisse (5,2%, p < 0,001). Die Studie ist aktuell im Journal of American Medical Association (JAMA) publiziert.

„Das ist längst nicht die erste Studie zu diesem Thema“, erklärt Dr. Peter Kardos vom Zentrum für Pneumologie, Allergologie und Schlafmedizin der Klinik Maingau in Frankfurt. „Aber die Studie ist bisher die größte und wurde nach prospektiv geplanten Kriterien durchgeführt. Außerdem verfügt die französische Forschergruppe über viel Erfahrung mit dieser Problemstellung.“

Prospektiv geplante Eingangsuntersuchung bei COPD-Exazerbation

Schon seit längerer Zeit wird ein Zusammenhang zwischen einer Exazerbation der COPD und thromboembolischen Ereignissen vermutet. Eine französische Gruppe um den Erstautor Dr. Francis Couturaud, Pneumologe am Hospital de la Cavale Blanche, Brest, Frankreich, untersuchte dazu 740 Patienten (37% davon Frauen) in 7 pneumologischen Zentren, die aufgrund einer Exazerbation ihrer COPD hospitalisiert worden waren.

Sofort bei der Einweisung wurde bei diesen Patienten die Wahrscheinlichkeit für eine PE nach dem Geneva-Score beurteilt, in dem das Alter, vorherige PE oder tiefe Beinvenenthrombose (VTE), eine Operation, Fraktur oder Neoplasie sowie akuter Beinschmerz, Ödeme oder schmerzhafte Palpation der Beinvenen und das Vorhandensein eines erhöhten Pulses und blutigen Auswurfs eingingen. 

17 der 740 Patienten, die mit einem Geneva-Score von 11 oder mehr Punkten mit hoher Wahrscheinlichkeit eine PE aufwiesen, wurden innerhalb der ersten 48 Stunden einer Spiral-CT sowie einer Ultraschalluntersuchung der Beinvenen unterzogen. Daraufhin ergab sich in 5 Fällen eine PE und in 4 Fällen eine VTE. Die übrigen 723 Patienten wurden auf D-Dimere getestet, um weitere unspezifische thrombotische Ereignisse zu erkennen.

Bei 6% der Patienten PE mit D-Dimer-Test nachgewiesen

Bei 500 von diesen verlief der D-Dimer-Test positiv (der D-Dimer-Test liefert nur Anhaltspunkte, er kann auch bei COPD ohne Lungenembolie oder einer Virusinfektion positiv ausfallen). In der aktuellen Studie wurde nach den entsprechenden Untersuchungen schließlich in weiteren 39 Fällen eine PE und in 13 weiteren Fällen eine VTE festgestellt.

 
Bei Vermutung einer COPD-Exazerbation sollte differenzialdiagnostisch immer eine akute Lungenembolie und auch eine Linksherzinsuffizienz erwogen werden. Dr. Peter Kardos
 

Somit ergab sich eine Prävalenz der PE von 44 unter 740 (5,9%) Patienten mit einer Symptomatik, die zunächst auf eine COPD-Exazerbation hatte schließen lassen. Der Geneva-Score hatte in diesem Setting somit nur eine geringe Aussagekraft gezeigt.

Kardos vermutet, dass Lungenembolien bei COPD Patienten in der Praxis sogar noch öfter als Exazerbation fehldiagnostiziert werden: „Obwohl eine Metaanalyse aus dem Jahre 2009 bereits die Häufigkeit der Lungenembolie als Differenzialdiagnose der COPD bestätigt hat, wird immer noch zu selten daran gedacht. Bei Vermutung einer COPD-Exazerbation sollte differenzialdiagnostisch immer eine akute Lungenembolie und auch eine Linksherzinsuffizienz erwogen werden. Die Überschneidung liegt in der ungenauen Definition der Exazerbation der COPD.“

Immerhin hatten die Autoren über 1.000 Patienten aus ihrer Untersuchung ausgeschlossen, weil sie bereits vorab eine Dauertherapie mit Antikoagulanzien erhielten oder unter Demenz oder Niereninsuffizienz litten.

Mortalitätsrate nach akutem thromboembolischem Ereignis 5-mal höher

In der Folge dokumentierte die Studie die Mortalität der 740 Teilnehmer innerhalb der folgenden 3 Monate. In dieser Zeit starben 14 von 54 (25,9%) Patienten, bei denen in der Eingangsuntersuchung ein thromboembolisches Ereignis festgestellt worden war. Von denen ohne eine solche Diagnose starben 36 von 686 (5,2%) Patienten. Das Risiko lag also im Zusammenhang mit einer Thromboembolie etwa 5-fach höher (signifikante Zunahme um 10,7-33,8% im 95%-Konfidenzintervall; p = 0,001).

In ihrer Diskussion weisen die Autoren ebenfalls auf die eher unerwartet niedrige Rate von 5,9% LE unter den Patienten mit Exazerbation der COPD hin, beziehen sich aber auf die weitaus geringeren Fallzahlen bisheriger Studien und deren schlechtere Vergleichbarkeit der Diagnoseverfahren.

Problematisch bleibt die Vorhersagekraft der verwendeten Diagnoseverfahren. Neben der aufwändigen Spiral-CT und Beinvenen-Ultraschall ergab in dieser Studie lediglich der altersbezogene D-Dimer-Test ein Ergebnis, dessen Aussagekraft ein kosteneffektives Screening in der klinischen Praxis rechtfertigt.

„Die Exazerbation der COPD kann differentialdiagnostisch nur schwer von einer Lungenembolie oder auch einer Linksherzinsuffizienz abgegrenzt werden“, resümiert Kardos.

„Sowohl die Symptome mit Atemnot, Husten und Auswurf als auch die oft bewegungsarme Lebensweise der Betroffenen ähneln einander sehr stark. Die chronische systemische Entzündung, ein Charakteristikum von COPD, begünstigt ebenfalls die Entstehung von Thrombosen und Embolien.“

Und weiter: „Therapeutisch ist in diesen Fällen eine Antikoagulation gegen die PE und eine intensivierte kardiale Behandlung, z.B. mit einem Diuretikum gegen die Herzinsuffizienz dringend erforderlich. Nicht nur in der Klinik, sondern auch in der Nachsorge sollten wir deshalb ein besonderes Augenmerk auf diese Patienten richten.“
 

Kommentar

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