US-Metaanalyse bestätigt: Zusätzlicher Sauerstoff bei der Geburt bringt für den Fetus keine Vorteile

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

22. Januar 2021

Die zusätzliche Gabe von Sauerstoff an Mütter während der Geburt ist unnötig – denn er reduziert das Risiko für eine fetale Hypoxie nicht. Das ist das Ergebnis einer Metaanalyse, die jetzt in JAMA Pediatrics publiziert worden ist [1].

Babys, die während der Geburt unter Sauerstoffmangel leiden, sind dem Risiko einer Hirnschädigung ausgesetzt. Um das zu verhindern, wird die Herzfrequenz des Babys unter der Geburt überwacht. Ist sie abnormal, wird häufig Sauerstoff gegeben, um so die Sauerstoffversorgung des Ungeborenen zu verbessern.

Ob diese Maßnahme aber tatsächlich die Gesundheit von Säuglingen verbessern kann, war unklar. Einige Studien zeigten einen Nutzen, andere nicht. Für mehr Klarheit haben Prof. Dr. Nandini Raghuraman von der Washington University School of Medicine in St. Louis und ihre Kollegen nun eine Metaanalyse gemacht. „Durch die Zusammenfassung der Patientenzahlen in den Studien konnten wir eine eindeutigere Antwort erhalten als bei der Betrachtung einzelner Studien“, erklärt Raghuraman in einer Pressemitteilung zur Studie.

 
Wir stellten fest, dass die Unterschiede praktisch Null waren. Prof. Dr. Nandini Raghuraman
 

Die Autoren erfassten 16 randomisiert kontrollierte Studien, die zwischen 1982 und 2020 erschienenen waren und in denen die Sauerstoffgabe bei Einlingsschwangerschaften ohne Auffälligkeiten mit Raumluft zum Zeitpunkt eines Kaiserschnitts oder einer natürlichen Geburt verglichen wurden (n=2.052): 1.078 werdende Mütter hatten Sauerstoff erhalten, 974 Mütter hingegen nicht. Die Forscher bewerteten den pH-Wert des Bluts des Babys anhand von Proben, die kurz nach der Geburt entnommen worden waren. Sie verglichen auch die Aufnahmequoten auf der Intensivstation für Neugeborene und die Apgar-Werte.

Insgesamt war die Verabreichung von Sauerstoff mit keinem signifikanten Unterschied im pH-Wert der Nabelschnur-Arterie (UA-pH) verbunden (gewichteter mittlerer Unterschied: 0,00; 95% KI, -0,01 bis 0,01).

„Beim Vergleich der Gesundheit der Babys, deren Mütter Sauerstoff erhielten, und derjenigen, deren Mütter dies nicht taten, stellten wir fest, dass die Unterschiede praktisch Null waren“, kommentiert Raghuraman. Damit zeigte sich kein Nutzen für die Gabe von zusätzlichem Sauerstoff für Mütter während der Geburt.

Sauerstoffgabe bei Müttern in Deutschland keine Praxis mehr

Auswirkungen auf die Praxis in Deutschland werden die Ergebnisse der Metaanalyse jedoch nicht haben. Denn sie bestätigen nur, was in Deutschland – zumindest an großen Kliniken – seit Jahren praktiziert wird, erklärt Prof. Dr. Sven Kehl vom Perinatal-Zentrum Franken in Erlangen auf Nachfrage von Medscape. „Früher wurde werdenden Müttern häufiger zusätzlich Sauerstoff gegeben, wenn die Herztöne des Kindes schlechter wurden. Dem neuesten wissenschaftlichen Stand entsprechend wird das aber seit über 10 Jahren nicht mehr gemacht“, sagt Kehl.

 
Früher wurde werdenden Müttern häufiger zusätzlich Sauerstoff gegeben, wenn die Herztöne des Kindes schlechter wurden. Prof. Dr. Sven Kehl
 

In den USA sieht das noch anders aus: Jedes Jahr erhalten 1,5 Millionen Frauen in den USA – 2 von 3 schwangeren Frauen – irgendwann während der Geburt zusätzlichen Sauerstoff, schreiben die Forscher.

„Das ist noch gängige Praxis, weil man denkt, dass wir durch die Gabe von Sauerstoff an die Mutter den Sauerstoff-Transfer zum Baby erhöhen“, erklärt Raghuraman. „Allerdings deuten die Ergebnisse unserer Studie darauf hin, dass Sauerstoff in diesen Fällen nicht hilfreich ist und dass diese Praxis für viele Frauen sicher eingestellt werden könnte“, fügt sie hinzu. Hauptsächlich, so Raghuraman, erfolge die zusätzliche Sauerstoffgabe präventiv, eine Praxis, die in den 1960er-Jahren begann.

Die Autoren empfehlen, „die längere Verwendung von Sauerstoff zu begrenzen, da der Nutzen nicht bewiesen ist“. Sie drängen auf weitere Studien. Raghuraman sagt: „Wir wollen auch untersuchen, ob es schädlich sein kann, Mutter und Kind während der Wehen einer längeren Sauerstoffgabe auszusetzen.“ Außerhalb von Wehen und Entbindungen zeigten Untersuchungen, dass eine Überoxygenierung mit oxidativem Stress verbunden ist, der Zellschäden verursachen kann.

 
Wir sind vorsichtiger geworden, wenn es darum geht, Frauen während der Wehen zusätzlichen Sauerstoff zu geben. Prof. Dr. Nandini Raghuraman
 

Im Barnes-Jewish Hospital jedenfalls, in dem Raghuraman die Geburtshilfe leitet, haben die Ergebnisse die klinische Versorgung beeinflusst: „Wir sind vorsichtiger geworden, wenn es darum geht, Frauen während der Wehen zusätzlichen Sauerstoff zu geben“, berichtet Raghuraman.
 

Kommentar

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