Sport bei Herzerkrankungen: Neue Leitlinie macht deutlich, wer wieder ins Training darf – und worauf Herzkranke besser verzichten

Dr. Thomas Kron

Interessenkonflikte

19. Januar 2021

Die European Society of Cardiology (ESC) hat zum 1. Mal Leitlinien für die Sportkardiologie verfasst. In einem Zeitschriftenbeitrag stellen die Kardiologen und Sportmediziner Prof. Dr. Martin Halle von der TU München und Dr. Dr. Josef Niebauer von der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg wichtige Aspekte vor [1].

Das Dokument gibt u.a. Empfehlungen für Sporttreibende mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko und mit diversen kardialen Erkrankungen, darunter Patienten mit koronarer Herzerkrankung, mit Kardiomyopathien und mit zuvor erlittener Myokarditis.

Sport bei koronarer Herzerkrankung

Sportler mit koronarer Herzerkrankung (KHK) dürften und sollten regelmäßig körperlich trainieren, schreiben Halle und Niebauer. Bei niedrigem kardiovaskulärem Risiko könnten sie sich sogar sehr stark belasten. In diese Gruppe fallen Personen ohne myokardiale Ischämie unter maximaler körperlicher Belastung bei normaler linksventrikulärer Funktion (LVEF [„left ventricular ejection fraction“] >50 %).

Dies gelte auch nach revaskularisierenden Eingriffen, etwa Stentimplantationen wegen einer Koronarstenose. Besonders wichtig sei der Aspekt für relativ junge Patienten, bei denen sich die Frage stelle, ob sie an einem Marathonlauf teilnehmen könnten. Dies bejahen Halle und Niebauer gemäß der aktuellen Leitlinie mit gewissen Einschränkungen, nämlich „nur dann, wenn auch gleichzeitig eine leitliniengerechte medikamentöse Therapie erfolgt“. Sie betonen, dass vorab eine maximale Ergometrie erforderlich sei; auf der Grundlage der Ergebnisse sollte dann ein individueller Trainingsplan erstellt werden. 

Sport bei hypertropher Kardiomyopathie

Die Diagnose einer hypertrophen Kardiomyopathie (HCM) basiert laut Halle und Niebauer auf einer enddiastolischen Wanddicke des linken Ventrikels von 15 mm oder mehr, für die es keine pathophysiologische Erklärung jenseits einer genetischen Störung gibt. Solche Diagnosen gelten als schwierig. Insbesondere sogenannte Athletenherzen seien bei Grenzbefunden von einer HCM nicht einfach abzugrenzen, betonen die Experten. Hier zeigten sich aber meist eine geringere linksventrikuläre Hypertrophie, eine homogene Adaptation aller Herzhöhlen und eine Dilatation des linksventrikulären enddiastolischen Volumens (LVEDV). 

Im Gegensatz zu früheren Empfehlungen, wonach Patienten mit HCM keinen Wettkampfsport betreiben sollten, sei die aktuelle Leitlinie deutlich weniger restriktiv, erläutern die Kommentatoren. Grund seien die Ergebnisse longitudinaler Kohortenstudien, die gezeigt hätten, dass das Risiko für einen plötzlichen Herztod während körperlicher Aktivität niedriger sei als ursprünglich angenommen. 

Wichtig für die Einschätzung des Risikos seien ein Herzstillstand, eine ventrikuläre Tachykardie oder eine ungeklärte Synkope in der Vorgeschichte. Diese Patienten dürften nur an Freizeitsport mit niedriger Intensität teilnehmen. Zur Risikostratifizierung sollten die linksventrikuläre Wanddicke und der Gradient des linksventrikulären Ausflusstrakts (LVOT) bei körperlicher Belastung erfasst werden. Ein Gradient von mehr als 50 mmHg werde als hämodynamisch relevant angesehen. In ähnlicher Weise zeige sich bei der Spiroergometrie bei Obstruktion des LVOT ein reduzierter Anstieg des Blutdrucks (Anstieg des systolischen Blutdrucks um <20 mmHg oder eine belastungsinduzierte Hypotension). Außerdem komme es zu belastungsinduzierten Symptomen oder Arrhythmien. Ergänzend liefere die kardiale MRT Informationen über den Fibrosegrad einer HCM. Werte von mehr als 15% im linksventrikulären Myokard stünden mit einem deutlich erhöhten Risiko für ventrikuläre Tachyarrhythmien und einen plötzlichen Herztod in Verbindung.

Sport bei anderen Kardiomyopathien

Die Leitlinie befasst sich außerdem mit arrhythmogenen Kardiomyopathien (ACM). Auf diese Erkrankung sei laut Halle und Niebauer „ein erheblicher Anteil der plötzlichen Herztodesfälle bei jungen Athleten“ zurückzuführen.

Besonders relevant für die Sportkardiologie sei, dass hoch intensive sportliche Aktivitäten ebenso wie lange Trainingszeiten beim Ausdauersport zur Progredienz der Erkrankung mit schlechterer Prognose führten. Deshalb werde diesen Patienten von Sportarten mit hoher Intensität oder von langen Trainingseinheiten abgeraten. Als intensive Belastung betrachten die Experten Werte von mehr als 70% der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max) für mehr als 4 Stunden pro Woche.

Eine niedrige bis moderate Aktivität könne unter engmaschigen klinischen Kontrolluntersuchungen inklusive EKG, Langzeit-EKG, Echokardiographie und Belastungs-EKG durchgeführt werden. So werde zum Beispiel eine körperliche Aktivität von 150 Minuten pro Woche mit niedriger Intensität empfohlen; dies sei aber nur bei fehlender Anamnese für den plötzlichen Herztod vertretbar. Eine Belastung im Freizeitbereich mit niedriger bis moderater Intensität sei möglich, falls es keine Synkopen unklarer Ursache oder belastungsinduzierte komplexe ventrikuläre Arrhythmien gebe. Als weitere Kriterien nennen Halle und Niebauer nur minimale strukturelle pathologische Veränderungen und weniger als 500 ventrikuläre Extrasystolen (VES) innerhalb von 24 Stunden.

Eine sehr intensive sportliche Belastung sei auch genetisch positiven und vom Phänotyp her negativen Athleten untersagt. Die Indikation zur ICD-Implantation erfolge unabhängig von sportlichen Ambitionen unter Berücksichtigung des Risikos für den plötzlichen Herztod. Eine Reduktion der Belastungsintensität senke die Häufigkeit ventrikulärer Tachyarrhythmien und des plötzlichen Herztodes.

Auch die linksventrikuläre Noncompaction-Kardiomyopathie (LVNC) ist in der Sportmedizin von Bedeutung. Sie sei durch eine vermehrte Trabekularisierung des linken Ventrikels charakterisiert, erläutern die Sportmediziner. Diese Trabekularisierung gehe oft mit einer progressiven linksventrikulären systolischen Dysfunktion, mit ventrikulären Tachyarrhythmien und mit thromboembolischen Komplikationen einher. In den meisten Fällen sei eine sehr intensive körperliche Belastung bei asymptomatischen Athleten mit normaler LVEF und ohne komplexe Rhythmusstörungen möglich. Wer diese Kriterien nicht erfüllte, solle sich auf Belastungen mit niedriger bis moderater Intensität beschränken, berichten Halle und Niebauer. 

Sport nach Myokarditis und Perikarditis 

Myokarditiden und Perimyokarditiden gelten bei Sportlern als weitere Ursachen eines plötzlichen Herztods. SARS-CoV-2 scheint eine ausgeprägte „Vorliebe“ für das Myokard zu haben. Wie hoch das Myokarditis-Risiko bei einer Infektion mit dem Corona-Virus tatsächlich ist, weiß man derzeit nicht.

Sportmediziner raten symptomfreien, SARS-CoV-2-positiven Sportlern zu einem Ruhe-EKG. Bei symptomatischen Patienten mit und ohne Pneumonie sollten zusätzlich eine Echokardiographie und ein Belastungs-EKG durchgeführt werden. Bei Hinweisen auf eine myokardiale Beteiligung, etwa erhöhten Troponin-Werten, lohnt es sich, die Indikation für ein Kardio-MRT großzügig zu stellen.

Aufgrund der unterschiedlichen Verläufe von COVID-19 raten Experten zu einem abgestuften Vorgehen. Im Akutstadium einer Myokarditis und Perikarditis sei Sport auf jeden Fall kontraindiziert, erinnern Halle und Niebauer. Da eine Virusmyokarditis häufig nur langsam abheile, werde für 3 bis 6 Monate nach Diagnosestellung von sportlichen Aktivitäten dringend abgeraten.

Wichtige Informationen für eine Wiederaufnahme des Trainings könne die kardiale MRT liefern, mit der ein kardiales Ödem oder eine Narbenbildung nachweisbar sei. Bei eingeschränkter linksventrikulärer Funktion oder bei belastungsabhängigen komplexen Rhythmusstörungen warnen Halle und Niebauer das Risiko vor einem höheren Risiko für den plötzlichen. Bei ausgeprägter Narbenbildung im Myokard und bei persistierend eingeschränkter linksventrikulärer Funktion werde auch nach einer Myokarditis von sportlichen Aktivitäten mit moderater und hoher körperlicher Intensität abgeraten. 

Weniger strikt seien Empfehlungen zur sportlichen Aktivität bei alleiniger Perikarditis. Personen mit normaler linksventrikulärer Funktion ohne Hinweise auf Rhythmusstörungen könnten nach 3 bis 6 Monaten Belastungen auch mit höherer Intensität trainieren oder sich wieder im Wettkampfsport betätigen. Als Voraussetzungen nennen die Experten normale Werte für Troponin und für Entzündungsmarker, eine normale linksventrikuläre systolische Funktion, ein unauffälliges MRT, eine gute körperliche Belastbarkeit und das Fehlen von häufigen oder komplexen Rhythmusstörungen.

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de.

 

Kommentar

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