Für die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) – in Deutschland die häufigste Ursache für eine irreversible Sehminderung – wird für die kommenden Jahre demographisch bedingt ein erheblich zunehmender Versorgungsbedarf prognostiziert.

Prof. Dr. Frank G. Holz
Zwar kann die Therapie der feuchten Spätform der AMD mit VEGF-Inhibitoren das Erblindungsrisiko deutlich senken, doch gilt es noch Lösungen für mehrere „unmet needs“ im Alltag zu finden. In diesem Zusammenhang erläuterte Prof. Dr. Frank G. Holz, Direktor der Universitäts-Augenklinik Bonn, aktuelle und neue Therapieansätze bei einer Online-Pressekonferenz der Stiftung Auge der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft [1].
Von den 60- bis 69-Jährigen sind hierzulande derzeit 12% an einer AMD erkrankt, von den 70- bis 79-Jährigen 23% und bei Über-80-Jährigen sogar 34%, wie Holz berichtete.
Während für die langsamer verlaufende trockene Früh- und Spätform der AMD derzeit noch keine Behandlungsmöglichkeit besteht, lässt sich die das Sehvermögen aggressiver bedrohende feuchte – neovaskuläre und exsudative – Spätform der AMD zwar nicht heilen, zumindest aber verzögern oder aufhalten. Möglich wurde dies mit der Einführung intravitrealer (in den Glaskörper applizierter) Injektionen von VEGF-Inhibitoren.
Ihre Wirkung zielt auf die für die feuchte AMD typischen Vorgänge an der Netzhaut, bei der von dem Botenstoff VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) vermittelte pathologische Gefäßneubildungen gepaart sind mit Exsudation, Einblutungen, Fibrose bis hin zu Rupturen von retinalem Pigmentepithel.
Herausforderungen: Wirkdauer der Therapie und Adhärenzprobleme
„Die große Herausforderung dabei ist“, so der Bonner Ophthalmologe, „dass die Behandlung der Netzhautveränderungen bei feuchter AMD bisher – und sehr oft lebenslang – durch häufig wiederholte Injektionen in individuell unterschiedlichen Abständen erfolgen muss und die Medikamente nur relativ kurz wirksam sind. Erschwert wird dies durch Adhärenzprobleme der älteren Patienten, die Schwierigkeiten haben, häufig zur Wiederbehandlung zu kommen.“
Um eine ausreichende Versorgung zu gewährleisten, zielen aktuelle Lösungsansätze für diese Herausforderungen bei der Therapie der feuchten Spätform der AMD Holz zufolge auf eine längere Wirkdauer der Medikamente, bessere Wirksamkeit und bessere Vorhersagbarkeit des individuellen Behandlungsbedarfs ab: „Neue Chancen, Patienten besser zu versorgen, bieten dabei neue Medikamente, neue Darreichungsformen, Gentherapie sowie der Einsatz von künstlicher Intelligenz und Telemedizin.“
Neue Medikamente
Zur Therapie der exsudativen AMD eingesetzt werden die VEGF-Inhibitoren Bevacizumab (seit 2005, Anwendung bei AMD nur off-label), Ranibizumab (Zulassung 2007), Aflibercept (Zulassung 2012) und neuerdings Brolucizumab (Zulassung 2020). „Aktuelle Studiendaten zu Brolucizumab deuten darauf hin, dass dieses Medikament Makulaödeme schneller zurückdrängt und länger – zum Teil bis zu 3 Monaten – wirkt“, wie der Bonner Ophthalmologe berichtete.
Als weiteren Hoffnungsträger mit ebenfalls mehrmonatiger und möglicherweise besserer Wirkung nannte er den bispezifischen Antikörper Faricimab. Dieses gegenwärtig noch in einem Phase-3-Programm getestete Medikament adressiert sowohl den VEGF- wie auch den Angiopoetin-Stoffwechsel mit eventueller Aussicht auf eine bessere Kontrolle der Gefäßexsudation. Die seither bei feuchter AMD eingesetzten Medikamente werden – je nach individuellem Befund – oft in Abständen von nur 4 Wochen erneut injiziert.
Neue Verabreichungsweise
Als neuen Applikationsansatz stellte Holz ein Port Delivery System (PDS) für den VEGF-Inhibitor Ranibizumab vor: „Um den Patienten wiederholte Injektionen ins Auge zu ersparen, wird hier in einem mikrochirurgischen Eingriff ein kleines Wirkstoff-Reservoir mit Porenfilter in die Sklera eingenäht, das wiederauffüllbar ist und von dem aus der Wirkstoff Ranibizumab kontinuierlich über einen Zeitraum von bis über ein Jahr abgegeben wird.“
Auch zu diesem System werden derzeit noch Phase-3-Studien durchgeführt. Mit der Veröffentlichung der dabei erhobenen Daten sei etwa Mitte kommenden Jahres zu rechnen, wie der Bonner Ophthalmologe im Gespräch mit Medscape mitteilte.
Gentherapie
Im Rahmen klinischer Prüfungen wird derzeit ebenfalls der Einsatz der Gentherapie bei neovaskulärer AMD evaluiert: „Bei diesem Ansatz wird ein viraler Vektor als Gen-Taxi mit neuer genetischer Information ins Auge eingebracht, was Netzhautzellen zur Bildung eines Proteins anregt, das in die Kaskade der krankhaften Gefäßneubildung und Exsudation eingreift“, so Holz.
Hier könnte möglicherweise ein einziger Eingriff die bisher wiederholt notwendigen Injektionen ersetzen. „Falls sich diese Methode als erfolgreich erweist, wäre dies potenziell eine enorme Entlastung für die Patienten und die Gesundheitssysteme.“
Künstliche Intelligenz
Wachsende Bedeutung bei der Bildauswertung in der Ophthalmologie hat die Künstliche Intelligenz (KI), wie Holz berichtete: Dabei werden Daten der zur AMD-Verlaufskontrolle eingesetzten optischen Kohärenztomografie (OCT) mittels „deep learning“ automatisiert ausgewertet und so neue prognostische Biomarker ermittelt.
„Hier gibt es jetzt erste Möglichkeiten, mittels Künstlicher Intelligenz genauer als bisher Vorhersagen darüber zu machen, wie behandlungsintensiv eine AMD-Erkrankung im individuellen Fall ist, was die Steuerung der Therapie und die Führung der Patienten deutlich vereinfachen könnte“, so Holz.
Home-Monitoring
Untersucht wird auch, inwieweit telemedizinische Anwendungen Sehtests (via Smartphone, Tablet oder PC) und sogar OCT-Untersuchungen (mit speziellen miniaturisierten Geräten) zu Hause möglich machen und damit die Zahl der notwendigen Augenarztbesuche reduzieren können. Die dabei erhobenen Daten werden in eine Cloud transferiert und automatisch ausgelesen – und die Patienten werden nur in die Augenarztpraxis einbestellt, wenn eine Untersuchung bzw. Behandlung dort wirklich nötig ist.
Dabei gewinnt die Teleophthalmologie nicht zuletzt angesichts der aktuellen Corona-Pandemie an Bedeutung, da sie bei der Entscheidung helfen kann, welche Arzt-Patienten-Kontakte vor Ort unverzichtbar sind und welche ärztliche Betreuung auch telemedizinisch stattfinden könnte.
Medscape Nachrichten © 2021
Diesen Artikel so zitieren: Altersabhängige Makuladegeneration: Neue Therapieansätze für einen wirksameren Schutz vor Erblindung - Medscape - 8. Jan 2021.
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