Unkonventionelles Fracking in ihrer unmittelbaren Wohnumgebung könnte für Patienten mit Herzinsuffizienz das Risiko eines Krankenhausaufenthalts erhöhen. Dies haben Dr. Tara McAlexander von der Drexel University in Philadelphia und ihre Kollegen in einer Studie in Pennsylvania untersucht [1].
Der Bundesstaat umfasst einen Teil der sogenannten Marcellus-Formation, einer großen Region mit unkonventionellen Schiefergasvorkommen. In der Region haben seit 2004 über 12.000 Gasbohrungen stattgefunden, schreiben die Autoren. Ein möglicher Grund für die in der Studie gesehenen Zusammenhänge könnten dadurch verstärkte Luftverschmutzung und Lärm sein.

Prof. Dr. Annette Peters
Auch Prof. Dr. Annette Peters, Epidemiologin vom Helmholtz Zentrum für Gesundheit und Umwelt in München, findet diesen Erklärungsansatz plausibel: „Das Fracking ist eine zusätzliche industrielle Tätigkeit. Sowohl die Arbeiten bei den Bohrungen als auch der zusätzliche Verkehr, der gebraucht wird, um eine neue Quelle zu erschließen, können zu erhöhten Belastungen führen.“
Und sowohl Luftverschmutzung als auch Lärm seien Risikofaktoren für Herz-Kreislauferkrankungen, bestätigt Peters. Dabei stehe vor allem eine erhöhte Feinstaubbelastung unter Verdacht: „Man geht davon aus, dass besonders Feinstäube der Größenklasse PM 2,5 dafür verantwortlich sind. Da hat man sehr viel Evidenz, aus Studien, die die Zusammenhänge beschreiben.“
Phasen des Frackings
In der aktuellen Fall-Kontroll-Studie haben die Autoren unterschiedliche Phasen des unkonventionellen Frackings in Pennsylvania jeweils mit Daten des Gesundheitssystems in Verbindung gebracht. Die Studie bezieht sich dabei auf die Jahre 2008 bis 2015.
Von einem Betreiber mehrerer Krankenhäuser und Ärztezentren in der Gegend erhielten die Wissenschaftler Daten zu Behandlungen und Krankenhaus-Aufenthalten im Studienzeitraum. Daraus filterten die Forscher eine Gruppe von insgesamt 12.330 Patienten mit der Diagnose Herzinsuffizienz heraus. Die Wohnadressen der Patienten wurden dann mithilfe einer mathematischen Formel in Beziehung gesetzt zu den im Umkreis befindlichen Gasförderanlagen und deren jeweiliger Aktivität.
So ließen sich die Patienten nach dem Ausmaß der Exposition in 4 Gruppen einteilen. Die Gruppe mit der geringsten Exposition diente dabei als Referenz.
Zusätzlich unterschieden die Wissenschaftler 4 Phasen der Bohrvorhaben: die Vorbereitung der Bohrstelle, die Bohrung selbst, das unkonventionelle Fracken und die Gasförderung. Für jede Phase prüften die Wissenschaftler dann separat, ob eine höhere Fracking-Aktivität in der Nähe des Wohnsitzes assoziiert war mit mehr Krankenhauseinweisungen wegen Herzversagens.
Aus der Patientengruppe kamen insgesamt 5.836 Personen im Studienzeitraum mit dieser Diagnose ins Krankenhaus – für die Wissenschaftler ein Indiz dafür, dass sich die Krankheit verschlimmert hatte. Aus der Gruppe der davon nicht betroffenen Patienten wurden jeweils die Kontrollen ausgewählt.
Erhöhtes Risiko nah an der Gasquelle
So errechneten die Wissenschaftler für die besonders exponierten Studienpatienten ein höheres Risiko für Krankenhausaufenthalte in 3 von 4 Fracking-Phasen. Die Bohrung selbst war dabei die einzige Phase, die nicht mit einem erhöhten Risiko eines Krankenhausaufenthaltes einherging. Sowohl bei der Vorbereitung, dem Fracking selbst und der darauffolgenden Produktionsphase zeigten sich hingegen Assoziationen – das Risiko stieg im voll adjustierten Modell für die Gruppe mit der höchsten Exposition jeweils um 70, 80 oder 62% im Vergleich zur Referenzgruppe.
Diverse Confounder konnten die Wissenschaftler berücksichtigen, ihnen standen aber z.B. keine Daten zum Beruf, zur Ernährung oder zum Bewegungsverhalten ihrer Patienten zur Verfügung. „Gesunde Ernährung kann sogar protektiv sein, dazu gab es in den letzten Jahren schöne Arbeiten, d.h. es kann sein, dass man den Effekt unterschätzt“, sagt dazu Epidemiologin Peters.
Dass die räumliche Nähe zu Gasbohrungen oft auch im Zusammenhang mit dem sozialen Status steht, und dass dieser wiederum die Gesundheit beeinflusst, hätten die Forscher allerdings versucht zu berücksichtigen, erklärt sie: „Deshalb haben die Autoren versucht, regionale Scores zu benutzen.“ Denn in der Nähe von guten Wohngegenden rege sich häufiger Widerstand, sagt die Wissenschaftlerin: „Man kann sich vorstellen: Wo reiche Leute leben, wird nicht unbedingt eine neue Quelle erschlossen, weil die Anwohner eher über Mittel und Wege verfügen, das zu verhindern. Ärmere Gemeinden dagegen sind vielleicht wirtschaftlich darauf angewiesen.“
Im Endeffekt bleibt auch unklar, welche Begleiterscheinungen des Frackings für die in der Studie gefundenen Assoziationen ursächlich sein könnten. Denn neben unterschiedlichen Luftschadstoffen und Lärm sind z.B. auch Verunreinigungen des Grundwassers in der Nähe von Bohrlöchern denkbar.
Und die aktuelle Studie hat zwar die Entfernung zwischen Wohnort und Bohrstelle, aber keine tatsächlichen Messungen z.B. von Luftschadstoffen zur Verfügung – ein Problem, das sie mit vielen ähnlichen epidemiologischen Untersuchungen teilt, und das die Ergebnisse verfälschen könnte. Dies zumindest schreibt die Beratungskommission der Gesellschaft für Toxikologie in einer kürzlich veröffentlichten Analyse der Gesundheitsrisiken des Frackings [2].
Fracking in den USA und in Deutschland
Unkonventionelles Fracking wird für die Gasförderung in relativ undurchlässigem Gestein angewandt, z.B. in Schiefer-, Ton-, Mergel- und Kohleflözgestein. Um das Gas herauszubekommen, wird vertikal und horizontal gebohrt. Danach wird mit hohem Druck eine sogenannte Fracking-Flüssigkeit aus Wasser, Sand und Chemikalien ins Gestein gepresst, um Risse zu erzeugen, so dass man das Gas fördern kann.
In den USA hat das unkonventionelle Fracking seit Anfang des Jahrhunderts in einigen Bundesstaaten, etwa in Pennsylvania, enorm zugenommen. In anderen Bundesstaaten, in denen sich ebenfalls Gasvorkommen befinden, z.B. im Staat New York, ist es zurzeit nicht erlaubt.
In Deutschland findet seit Jahrzehnten sogenanntes konventionelles Fracking statt, bei dem Lagerstätten in Sandstein ausgebeutet werden. Das unkonventionelle Fracking ist derzeit aber zu kommerziellen Zwecken verboten, da Bedenken wegen möglicher Umweltauswirkungen bestehen. Im kommenden Jahr soll allerdings erneut über das befristete Verbot entschieden werden.
Peters hält die Datenlage in Bezug auf die Gesundheit immer noch für sehr lückenhaft. „Fracking hat massive Auswirkungen auf die Umwelt, und wir gehen davon aus, dass es auch Auswirkungen auf die Gesundheit hat, aber dazu gibt es noch wenig Daten. Die Studie ist ein sehr guter Anfang, um Licht in dieses Dunkel zu bringen.“
Medscape Nachrichten © 2021
Diesen Artikel so zitieren: US-Studie: Erdgas-Förderung per unkonventionellem Fracking könnte Herzinsuffizienz-Kranken schaden - Medscape - 5. Jan 2021.
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