Viel hilft viel? Das gilt nicht für die Gabe von systemischen Kortikosteroiden bei akuter COPD-Exazerbation (AECOPD), wie Prof. Dr. Michael Pfeifer vom Krankenhaus Donaustauf der Universität Regensburg auf dem Kongress der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) deutlich machte [1]. Auch eine längere Kortison-Gabe hilft nicht nur nicht, sie schadet eher, stellte Pfeifer klar.
Die COPD, an der in Deutschland zwischen 6 und 8% der Bevölkerung leiden, ist primär eine chronische Entzündung und beginnt in den Atemwegen. Im Verlauf kommt es zu einem zunehmenden Abbau der Lungenstruktur, zu vermehrter Obstruktion und zur Ausbildung eines Lungen-Emphysems. In vielen Fällen geht die COPD mit kardiologischen Begleiterkrankungen und mit kachektischen Zuständen einher.
Bei der akuten Exazerbation verschlechtert sich die COPD deutlich: es kommt zu mehr Atemnot und mehr Auswurf (verfärbt, zäh) als sonst, die Patienten husten mehr und klagen über Enge im Brustraum, manchmal tritt Fieber auf. Jede COPD-Exazerbation erhöht das Risiko, dass zukünftig noch mehr Verschlechterungen auftreten können. Wie kritisch Exazerbationen prognostisch für COPD-Patienten sind, zeigt eine Arbeit aus 2012 an über 73.000 Patienten, die 17 Jahre nachverfolgt wurden. Das mittlere Überleben nach der ersten schweren intensivmedizinischen Behandlung lag bei 3,6 Jahren.
Das Vorgehen bei der Behandlung der schweren akuten Exazerbation bei COPD ist standardisiert:
kurzwirksame Bronchodilatatoren inhalativ – Anticholinergika und Beta-2-Agonisten;
Steroide systemisch 40 mg für 5 Tage;
Antibiotika sind bei sehr schwerer COPD Exazerbation mit respiratorischer Insuffizienz indiziert;
Theophyllin hat in der Therapie der AECOPD keinen Stellenwert.
Der Reflex „bei Obstruktion Kortison“ sollte überdacht werden
Systemische Steroide sind ein wichtiger Baustein in der Behandlung der AECOPD – sie verkürzen die Dauer der Exazerbation und verbessern die Lungenfunktion, sie senken das Risiko eines Therapieversagens und verkürzen die Hospitalisierungsdauer. Die Vorteile der systemischen Steroidgabe wurden für ambulante Patienten, für in der Notaufnahme versorgte Patienten und für hospitalisierte und invasiv beatmete Patienten gleichermaßen gezeigt.
„Wir alle haben den Reflex in uns – bei Obstruktion wird Kortison gegeben. Das erlebe ich immer wieder, auch bei beatmeten Patienten. Selbst wenn die Patienten schon länger beatmet sind und dagegen husten oder pressen, dann wird häufig weiter Kortison gegeben. Doch das muss man etwas differenzierter sehen“, betont Pfeifer und verweist auf die aktuelle S2k-Leitlinie: Darin wird bei akuter Exazerbation eine tägliche Dosis von 40 mg Prednisolon-Äquivalent oral für 5 Tage empfohlen; 50 mg sollten nicht überschritten werden.
Bereits 1999 konnte an 271 Patienten mit COPD gezeigt werden, dass sich die Probanden unter systemischen Steroiden viel schneller als unter Placebo von einer akuten Exazerbation erholten. Allerdings zeigte sich nach 8 Wochen und auch im weiteren Verlauf in der Steroidgruppe keine Verbesserung mehr.
Geprüft wurde in der Studie auch, ob die Gabe von Kortison über 8 Wochen – verglichen mit 2 Wochen – Vorteile brachte. Doch beim Endpunkt (die Zeit bis zum Versagen der nächsten Therapie) zeigte sich kein Unterschied – ob nun 8 oder 2 Wochen Kortison gegeben wurde, verglichen mit Placebo.
„Es ergibt deshalb keinen Sinn, länger mit Steroiden zu behandeln, das bringt keinen therapeutischen Vorteil, sondern verursacht nur mehr Nebenwirkungen“, betonte Pfeifer.
5 Tage systemische Steroide reichen aus
Dass auch eine Steroidgabe von weniger als 2 Wochen ausreichend ist, konnte die 2013 erschienene REDUCE-Studie zeigen. Bei 314 randomisierten Patienten mit akuter Exazerbation wurden über 5 Tage Steroide (40 mg) gegeben verglichen mit 14 Tagen Steroide (40 mg). Endpunkte waren Re-Exazerbation, Lungenfunktion und Tod.
Bei den Re-Exazerbationen lagen die Raten innerhalb von 180 Tagen bei 37,2% in der Gruppe mit Kurzzeitgabe und bei 38,4% in der Gruppe, die über 14 Tage Steroide erhalten hatte. Es gab keinen Unterschied zwischen den Gruppen bezüglich der Zeit bis zum Tod, dem kombinierten Endpunkt von Exazerbation, Tod oder beidem, und der Erholung der Lungenfunktion. „Deshalb lautet die aktuelle Empfehlung: 5 Tage und nicht länger“, so Pfeifer.
Inwiefern wirkt sich die Steroid-Dosis auf den Verlauf aus? Untersucht wurde das in einer US-amerikanischen Kohortenstudie. Insgesamt wurden 17.239 Patienten aufgenommen (Alter > 40 Jahre); 6.156 (36%) Patienten erhielten eine Niedrigdosis Kortikosteroide (weniger als 240 mg pro Tag) und 11.083 Patienten (64%) eine Hochdosis (mehr als 240 mg pro Tag).
Es zeigte sich, dass niedrig dosierte Kortikosteroide zwar nicht mit einer signifikant verringerten Sterblichkeit assoziiert waren (OR: 0,85), aber mit einer deutlich reduzierten Dauer des Krankenhausaufenthaltes (-0,44 d; 95% KI -0,67 bis -0,21; p<0,01).
Auch die Dauer auf der Intensivstation verkürzte sich (-0,31 d; 95% KI -0,46 bis -0,16; p<0,01), die Krankenhauskosten waren geringer (-2.559 $; 95% KI -4.508 bis -609 $; p=0,01), die Dauer der invasiven Beatmung nahm ab (-0,29 d; 95% KI -0,52 bis -0,06; p=0,01), ebenso die Notwendigkeit einer Insulintherapie (22,7% vs. 25,1%; p<0,01), und Pilzinfektionen traten seltener auf (3,3% vs. 4,4%; p<0,01).
In den USA werden zwar akute Exazerbationen bei COPD teilweise mit einem Gramm Kortison in den ersten Tagen behandelt – „die eingesetzte Dosis ist also nur bedingt vergleichbar mit unserer Situation. Die Ergebnisse lassen sich aber schon dahingehend interpretieren, dass eine hohe Dosis nicht sinnvoll ist“, sagte Pfeifer.
Eine längere Therapiedauer erhöht das Sterberisiko
Dass eine längere Steroid-Therapie auch das Risiko für einen Klinikaufenthalt und das Sterberisiko erhöhen kann, zeigte eine 2019 erschienene Arbeit, die 10.152 Patienten mit COPD aufgenommen hatte. Die Probanden wurden 1: 1 entweder auf Kurzzeitgabe (6 Tage mit 37,5 mg/Tag) oder auf Langzeitgabe (>7 Tage mit 37,5 mg/Tag) randomisiert.
Die Langzeitgabe war mit einem erhöhten 1-Jahres-Risiko für einen Pneumonie-bedingten Klinikaufenthalt (aHR: 1,2, p=0,011) und mit einer erhöhten Sterblichkeit verbunden (aHR 1,8, p<0,0001).
„Wir sollten Steroide einsetzen, und wir können damit möglicherweise auch die Beatmungsdauer reduzieren. Es ergibt aber keinen Sinn, kontinuierlich Steroide zu geben. Die Annahme: ‚Die Patienten brauchen Steroide, so lange sie beatmet werden‘ ist ein Mythos“, schloss Pfeifer.
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Diesen Artikel so zitieren: Viel hilft viel – das gilt nicht für Kortison bei akuter COPD-Exazerbation. Maßhalten gefragt! - Medscape - 28. Dez 2020.
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