Im Onko-Blog geht es diesmal u.a. um die Krebstherapie in Pandemiezeiten – italienische Daten zeigen, dass kein Grund zu Panik besteht. Eine aktuelle Studie beziffert das Risiko für eine Kieferosteonekrose unter Zoledronsäure bei Patienten mit Knochenmetastasen. Auswertungen klinischer Studien bei Patienten mit Prostatakarzinom zeigen ein erhöhtes Risiko für Stürze und Frakturen unter Antiandrogenen wie Apalutamid. Finale Daten beim Kolonkarzinom bestätigen, dass die adjuvante Therapie über 3 Monate meist ausreicht. Und beim lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinom kann die komplette pathologische Ansprechrate mit totaler neoadjuvanter Therapie erhöht werden – dies im Vergleich zur Chemo-Radiotherapie vor der OP und anschließender adjuvanter Chemotherapie.
Krebstherapie in Pandemiezeiten: Weniger als 1% infizierte sich
Knochenmetastasen: Wie hoch ist das Risiko für Kieferosteonekrosen unter Zoledronsäure?
Prostatakarzinom: Unter Antiandrogenen mehr Stürze und Frakturen
Kolonkarzinom im Stadium III: 3 Monate adjuvante Therapie reichen meist
Rektumkarzinom: Totale neoadjuvante Therapie – eine vielversprechende Option
Krebstherapie in Pandemiezeiten: Weniger als 1% infizierte sich
Die Wahrscheinlichkeit, dass Krebspatienten mit onkologischer Therapie an COVID-19 erkranken, liegt unter 1%. Dies legt nahe, dass die meisten Therapien im adjuvanten und metastasierten Setting weitergeführt werden könnten, so die Schlussfolgerung der Autoren einer großen retrospektiven Studie aus Italien, in der die Daten von nahezu 60.000 Patienten analysiert worden sind.
Wie sie in einem Research Letter in JAMA Oncology berichten, war bei 406 von 59.989 Patienten (0,68%) unter onkologischer Therapie in 118 italienischen Kliniken während der 1. Welle zwischen dem 15. Januar und dem 4. Mai 2020 der PCR-Test für SARS-CoV2 positiv. Die Patienten waren im Median 68 Jahre alt, 83% wiesen Symptome auf, 77% mussten hospitalisiert werden. 91,2% der COVID-19-Erkrankten litten an einem Lungenkarzinom, und 62% erhielten eine Chemotherapie.
Die Infektionsrate war damit höher als in der italienischen Bevölkerung mit 0,39% insgesamt. Doch lässt sich die höhere Infektionsrate auch damit erklären, dass Krebspatienten im Mittel älter sind und durch mehr Klinikaufenthalte eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, dem Virus ausgesetzt zu sein.
Knochenmetastasen: Wie hoch ist das Risiko für Kieferosteonekrosen unter Zoledronsäure?
Wenn Patienten mit Knochenmetastasen Zoledronsäure erhalten, sind Kieferosteonekrosen eine gefürchtete Komplikation. Eine aktuelle Studie beziffert nun das Ausmaß dieses Risikos. Es liegt kumulative über 3 Jahre bei 2,8%.
Faktoren, die das Risiko beeinflussen sind: die Krebsart, die Mundgesundheit und Häufigkeit der Zoledronsäure-Gabe, so die Ergebnisse der SWOG-S0702-Studie, die eine amerikanische Arbeitsgruppe in JAMA Oncology publiziert hat.
Die multizentrische prospektive Beobachtungsstudie erfasste 3.491 Patienten mit Knochenmetastasen und Zoledronsäure-Therapie. 51,7% waren Frauen, das mediane Alter lag bei 63,1 Jahren. 1.120 Patienten litten an einem Mammakarzinom, 580 an einem Myelom, 702 an einem Prostatakarzinom, 666 an Lungenkrebs und 423 an anderen Krebserkrankungen.
Im Verlauf von 3 Jahren entwickelten 90 Patienten eine Kieferosteonekrose. Die kumulative Inzidenz betrug nach einem Jahr 0,8%, nach 2 Jahren 2,0% und nach 3 Jahren 2,8%. Die 3-Jahres-Inzidenz war bei den Myelom-Patienten mit 4,3% am höchsten und bei den Patientinnen mit Mammakarzinom am niedrigsten (2,4%).
Bei einem Dosierungsintervall der Zoledronsäure unter 5 Wochen war das Risiko für eine Kieferosteonekrose (ONJ) höher als bei einem längeren Dosierungsintervall (Hazard-Ratio 4,65). Schlechte Mundhygiene und Rauchen waren ebenfalls mit einem höheren ONJ-Risiko assoziiert.
Die Autoren raten daher, Zoledronsäure – wenn klinisch möglich – mit einem Dosierungsintervall von mindestens 5 Wochen zu applizieren und die Patienten über das Risiko des Rauchens und schlechter Mundhygiene aufzuklären.
Prostatakarzinom: Unter Antiandrogenen mehr Stürze und Frakturen
Männer mit Prostatakarzinom, die Antiandrogene wie Enzalutamid, Apalutamid oder Darolutamid erhalten, stürzen häufiger und haben mehr Knochenbrüche. Dies ergab ein systematischer Review mit Metaanalyse, den eine Arbeitsgruppe von der Universität von Kentucky, Lexington, in JAMA Network Open publiziert hat.
Die Autoren analysierten die Daten von 11.382 Patienten aus 11 randomisierten kontrollierten Studien. Mit einem Antiandrogen waren 6.536 Patienten behandelt worden; die 4.846 Kontrollen hatten unterschiedliche Standardtherapien (Placebo, Bicalutamid oder Abirateron) erhalten.
In 8 Studien hatten die Patienten Enzalutamid erhalten, in 2 Apalutamid und in einer Studie Darolutamid. Während der medianen Therapiedauer von 15 Monaten stürzten in der Antiandrogen-Gruppe 525 Patienten (8%), in der Kontrollgruppe 221 Patienten (5%). In der Antiandrogen-Gruppe erlitten 4% einen Knochenbruch, in der Kontrollgruppe 2%.
Unter Antiandrogenen war das relative Risiko für Stürze mit einem RR von 1,8 und für schwere Stürze mit einem RR von1,6 signifikant erhöht (p<0,001). Für alle Frakturen betrug das relative Risiko 1,59 (p < 0,001) und für Frakturen vom Grad 3 oder höher 1,71 (p=0,01).
Die meisten Stürze ereigneten sich bei Behandlung mit Apalutamid (12%), gefolgt von Enzalutamid (8%) und Darolutamid (4,2%). Auch Knochenbrüche waren unter Apalutamid mit 10% am häufigsten, gefolgt von Darolutamid mit 4,2% und Enzalutamid mit 1,8%.
Stürze und Knochenbrüche sind zwar insgesamt selten, dennoch sollten Onkologen insbesondere bei älteren, aktiven Patienten dieses Risiko im Auge haben. In weiteren prospektiven Studien sollten potenzielle Mechanismen untersucht und Strategien zur Vermeidung dieser Ereignisse entwickelt werden.
Kolonkarzinom im Stadium III: 3 Monate adjuvante Therapie reichen meist
Wie lange sollte eine adjuvante Therapie bei Patienten mit Kolonkarzinom im Stadium III dauern? Die finalen Ergebnisse zur optimalen Dauer sind nun mit den Daten des 5-Jahres-Überlebens in Lancet Oncology publiziert worden.
Die gepoolte Analyse von 6 randomisierten Phase-3-Studien, in denen eine 3-und eine 6-monatige adjuvante Therapie untersucht worden sind, bestätigt die schon im Jahr 2018 berichteten Befunde: Die 3-monatige Behandlung mit Capecitabin plus Oxaliplatin (CAPOX) ist nun Standard bei fast allen Patienten mit Kolonkarzinom im Stadium III. Nur bei Patienten mit geringem Risiko kann auch eine 3-monatige Behandlung mit FOLFOX (Folinsäure, Fluorouracil, Oxaliplatin) überlegt werden.
Für den Nachweis der Nichtunterlegenheit war ein Signifikanzlevel von 0,025 vordefiniert. Die Endergebnisse zum Gesamtüberleben, nun nach einem Follow-up von 72,3 Monaten, erreichten dieses Signifikanzniveau allerdings mit einem p-Wert von 0,058 nicht. Die Nichtunterlegenheit der kürzeren Therapiedauer im Hinblick auf das Gesamtüberleben konnte im Vergleich zur 6monatigen Therapie damit nicht nachgewiesen werden. Jedoch ist das 5-Jahres-Überleben mit 82,4% bei 3-monatiger CAPOX- oder FOLFOX-Behandlung im Vergleich zu 82,8% bei 6-monatiger Behandlung nicht stark unterschiedlich. „Die absolute Differenz von 0,4 Prozentpunkten im 5-Jahresüberleben muss im klinischen Kontext gesehen werden“, so die Autoren.
Im Detail: Bei denjenigen Patienten, die CAPOX über 3 Monate erhielten, überlebten 82,1% mindestens 5 Jahre, bei 6 Monaten Behandlung 81,2%. Mit FOLFOX über 3 Monate betrug das 5-Jahres-Überleben 82,6%, über 6 Monate 83,8%.
Die Ergebnisse waren beeinflusst vom Risikostatus: Bei hohem Risiko verschlechterte sich bei 3-monatiger CAPOX-Therapie das 5-Jahresüberleben im Vergleich zur 6-monatigen Therapie um etwa 1%. Dies sollte der Arzt mit dem Patienten vor dem Hintergrund der vermehrten neurologischen und anderen Nebenwirkungen der längeren Therapie besprechen.
Die Autoren schlussfolgern aus ihren Ergebnissen, dass damit die 3-monatige CAPOX-Therapie für fast alle Patienten mit Kolonkarzinom im Stadium III empfohlen werden kann. Dies wird weiter unterstützt durch die substanzielle Reduktion von Nebenwirkungen, weiteren Unannehmlichkeiten für den Patienten und Kosten.
Rektumkarzinom: Totale neoadjuvante Therapie – eine vielversprechende Option
Eine totale neoadjuvante Behandlung (TNT) aus Chemo-Radio- und Chemo-Therapie vor der Operation verbessert bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem Rektumkarzinom das pathologische Ansprechen und das krankheitsfreie Überleben im Vergleich zur Standard-Chemo-Radiotherapie gefolgt von Chirurgie und adjuvanter Therapie (CRT plus A). Dies ergab ein systematischer Review mit Metanalyse, der von einer US-Arbeitsgruppe in JAMA Network Open publiziert worden ist.
Die Autoren analysierten die Daten von 2.416 Patienten aus 7 Studien, von denen 1.206 eine TNT erhalten hatten. In der TNT-Gruppe sprachen 29,9% der Patienten pathologisch komplett an, in der Vergleichsgruppe waren es 14,9%. Bei TNT war damit die Chance auf ein komplettes pathologisches Ansprechen höher (Odds-Ratio 2,44) als bei CRT plus A.
Daten zum krankheitsfreien Überleben (DFS) fanden sich nur in 3 Studien. Eine gepoolte Analyse ergab ein signifikant besseres DFS mit TNT (Odds-Ratio 2,07). Daten zum Gesamtüberleben wurden in den Studien kaum berichtet.
Damit scheint die TNT bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem Rektumkarzinom eine vielversprechende Strategie zu sein. In weiteren Studien muss jedoch noch der Langzeiteffekt auf die Rezidivrate und das Gesamtüberleben untersucht werden.
Die Gabe der Chemotherapie vor der OP hat theoretische Vorteile, die das Therapieergebnis positiv beeinflussen können:
Erstens bessern sich bei vielen Patienten unter der TNT die Symptome rasch und deutlich, sie tolerieren die Chemotherapie besser.
Und zweitens wirkt die Chemotherapie auf den noch intakten Tumor ein, so kann präoperativ seine Reaktion beurteilt und die Behandlung eskaliert oder deeskaliert werden.
Dies erlaubt nach Aussage von Dr. Noam VanderWalde und Prof. Dr. Axel Grothey, West Cancer Center and Research Institute, Memphis, Tennessee, im begleitenden Editorial Editorial einen stärker personalisierten Therapieansatz für den einzelnen Patienten.
Medscape Nachrichten © 2020 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: 5 spannende News: Krebskranke und Corona; Frakturrisiko unter Antiandrogenen; neue Strategien beim Kolon- und Rektum-Ca - Medscape - 22. Dez 2020.
Kommentar