EU-Zulassung für 1. mRNA-Impfstoff gegen SARS-CoV-2: EMA erläutert die Daten und gibt Empfehlungen für Ärzte

Michael van den Heuvel  

Interessenkonflikte

22. Dezember 2020

Der Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur EMA hat am Nachmittag des 21. Dezember 2020 empfohlen, dem mRNA-Impfstoff BNT162b2 (Comirnaty®) von BioNTech und Pfizer eine bedingte Zulassung zu erteilen, so das Ergebnis einer Sondersitzung am 21. Dezember 2020 [1]. BNT162b2 wurde daraufhin nur wenige Stunden später von der EU-Kommission für Jugendliche ab 16 Jahren und für Erwachsene als Vakzine gegen SARS-CoV-2 zugelassen.

Der Handelsname Comirnaty® verweist auf COVID-19, mRNA, Community (Gemeinschaft) und Immunity (Immunität).

„Die heutige positive Nachricht ist ein wichtiger Schritt vorwärts in unserem Kampf gegen diese Pandemie, die so vielen Menschen Leid und Not gebracht hat“, sagte Emer Cooke, Direktorin der EMA, bei einer Online-Pressekonferenz [2]. „Wir haben diesen Meilenstein dank des Engagements von Wissenschaftlern, Ärzten und freiwilligen Studienteilnehmern erreicht.“ Experten aus allen EU-Mitgliedstaaten seien beteiligt gewesen.

Cooke weiter: „Unsere gründliche Bewertung bedeutet, dass wir EU-Bürgern … die Sicherheit und Wirksamkeit dieses Impfstoffs garantieren können und dass er die erforderlichen Qualitätsstandards erfüllt.“ Wie sie klarstellt, höre die Arbeit der EMA an dieser Stelle jedoch nicht aus. „Wir werden weiterhin Daten über die Sicherheit und Wirksamkeit dieses Impfstoffs sammeln und analysieren, um Menschen zu schützen, die den Impfstoff in der EU bekommen“, erklärt die Direktorin.

 
Unsere gründliche Bewertung bedeutet, dass wir EU-Bürgern … die Sicherheit und Wirksamkeit dieses Impfstoffs garantieren können. Emer Cooke
 

Zulassungsrelevante Dateien im Überblick

Auch Dr. Harald Enzmann, Vorsitzender Ausschusses für Humanarzneimittel, betont, man habe „wie üblich die Sicherheit, die Wirksamkeit und die pharmazeutische Qualität bewertet“. Das wissenschaftliche Gutachten der EMA ebne den Weg für die erste Marktzulassung eines COVID-19-Impfstoffs in der EU durch die Europäische Kommission, mit allen damit verbundenen Sicherheitsvorkehrungen, Kontrollen und Verpflichtungen, so Enzmann weiter. Er stellte die Daten zur Bewertung der Vakzine vor.

Grundlage war eine klinische Studie mit rund 44.000 Probanden. Die Hälfte erhielt den Impfstoff und die andere Hälfte Scheininjektionen. Die Wirksamkeit wurde bei über 36.000 Personen ab 16 Jahren einschließlich Personen über 75 Jahren ermittelt. Laut EMA verringerte sich durch den Impfstoff die Zahl symptomatischer COVID-19-Fälle um 95%. Absolut waren es 8 Fälle bei 18.198 Probanden unter Verum und 162 Fälle bei 18.325 Personen unter Placebo.

Die Studie zeigte auch eine Wirksamkeit von rund 95% bei Teilnehmern mit einem Risiko für eine schwere COVID-19-Erkrankung, einschließlich Patienten mit Asthma, chronischen Lungenerkrankungen, Diabetes, Bluthochdruck oder einem Body-Mass-Index von 30 kg/m2 oder höher. Die Wirksamkeit wurde unabhängig vom Geschlecht und von der Ethnie erzielt.

Details zur Anwendung

Um den maximal möglichen Schutz aufzubauen, verabreichen die Ärzte 2 Injektionen mit Comirnaty® im Abstand von mindestens 21 Tagen.

Die häufigsten Nebenwirkungen in der Studie waren normalerweise leicht oder mäßig und besserten sich innerhalb weniger Tage nach der Impfung. Dazu gehörten Schmerzen und Schwellungen an der Injektionsstelle, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Muskel- und Gelenkschmerzen, Schüttelfrost und Fieber. Sie betrafen mehr als 1 von 10 Personen.

Rötung an der Injektionsstelle und Übelkeit traten bei weniger als einer von 10 Personen auf. Juckreiz an der Injektionsstelle, Schmerzen in den Gliedmaßen, vergrößerte Lymphknoten, Schlafstörungen und Unwohlsein waren seltene Nebenwirkungen, die weniger als 1 von 100 Personen betrafen. Muskelschwäche auf einer Seite des Gesichts trat selten auf, bei weniger als einer von 1.000 Personen.

Die EMA berichtet auch von allergischen Reaktionen einschließlich einer „sehr geringen Anzahl von Fällen schwerer allergischer Reaktionen (Anaphylaxie)“. Sie rät: „Wie bei allen Impfstoffen sollte Comirnaty® unter strenger Aufsicht und falls erforderlich angemessener medizinischer Behandlung verabreicht werden.“

Die Sicherheit und Wirksamkeit des Impfstoffs wird in allen Mitgliedstaaten durch das EU-Pharmakovgilanzsystem und durch zusätzliche Studien der Unternehmen und der europäischen Behörden überwacht.

Was sollten Ärzte über Comirnaty® wissen?

Die EMA hat für Ärzte noch einige Fakten über den mRNA-Impfstoff zusammengestellt:

  • Können Menschen, die bereits COVID-19 hatten, mit Comirnaty® geimpft werden?
    Es gab keine zusätzlichen Nebenwirkungen bei den 545 Personen, die Comirnaty® in der Studie erhielten und zuvor COVID-19 hatten. Um zu bewerten, wie gut der Impfstoff bei diesen Personen wirkt, fehlen allerdings Daten.

  • Kann Comirnaty® die Übertragung des Virus verringern?
    In wieweit die Impfung auch die Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus in der Bevölkerung beeinflussen kann, ist derzeit noch nicht zu bewerten.

  • Wie lange schützt Comirnaty®?
    Derzeit weiß man noch nicht, wie lange der Schutz anhält. Probanden der klinischen Studie werden 2 Jahre lang nachbeobachtet, um Informationen über die Schutzdauer zu erhalten.

  • Können Kinder mit Comirnaty geimpft werden?
    Comirnaty® wird derzeit nicht für Kinder bzw. Jugendliche unter 16 Jahren empfohlen. Die EMA hat mit dem Hersteller vereinbart, den Impfstoff zu einem späteren Zeitpunkt bei dieser Personengruppe zu testen.

  • Können Menschen mit geschwächtem Immunsystem Comirnaty® erhalten?
    Es liegen nur begrenzte Daten zu Personen mit geschwächtem Immunsystem vor. Möglicherweise sprechen sie schlechter auf den Impfstoff an. Besondere Sicherheitsbedenken hat die EMA nicht. Immungeschwächte Personen können geimpft werden, da sie möglicherweise ein höheres Risiko für COVID-19 haben.

  • Können schwangere oder stillende Frauen mit Comirnaty geimpft werden? Tierstudien zeigen keine schädlichen Auswirkungen der Vakzine in der Schwangerschaft, jedoch gibt es auch hier kaum klinische Daten. Die Entscheidung über die Anwendung des Impfstoffs bei schwangeren Frauen sollte nach Abwägung der Vorteile und Risiken in enger Absprache mit einem Arzt getroffen werden, heißt es. Daten zu Stillenden fehlen ebenfalls, wobei die EMA das Risiko als gering einstuft.

  • Können Allergiker mit Comirnaty® geimpft werden?
    Personen, die wissen, dass sie eine Allergie gegen einen der Inhaltsstoffe des Impfstoffs haben, sollten nicht geimpft werden. Allergische Reaktionen wurden beobachtet. Eine sehr kleine Anzahl von Fällen von Anaphylaxien ist aufgetreten, seit die Vakzine in Impfkampagnen eingesetzt wird. Personen mit schwerer allergischer Reaktion bei der 1. Dosis sollten die 2. Dosis nicht erhalten.

Wann wird in Deutschland geimpft?

Medienberichten zufolge starten in Deutschland Impfkampagnen am 27. Dezember 2020. „Die Lieferungen werden sofort beginnen und schrittweise im Laufe der Jahre 2020 und 2021 erfolgen, um eine gerechte Verteilung der Impfstoffe entsprechend der Vertragsbedingungen der EU zu gewährleisten“, werden BioNTech und Pfizer zitiert.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) schreibt auf Twitter: „Bis Ende diesen Jahres werden über 1,3 Mio. Impfdosen an die Bundesländer ausgeliefert und von diesen an die Impfteams verteilt. Im Januar werden jede Woche mindestens weitere 670.000 Dosen ausgeliefert.“ Ob die EU zu geringe Mengen bestellt hat, wie der Spiegel berichtet, ist umstritten.

 
Bis Ende diesen Jahres werden über 1,3 Mio. Impfdosen an die Bundesländer ausgeliefert. Jens Spahn
 

Neben der Politik ist die Wissenschaft weiter am Zug. Biontech-Chef Dr. Ugur Sahin will jetzt auch untersuchen lassen, ob die Vakzine gegen die neu aufgetretenen Mutationen von SARS-CoV-2 wirkt. „Wir wissen, dass unser Impfstoff das Virus an vielen verschiedenen Stellen attackiert“, erklärte Sahin – und ist dementsprechend optimistisch, dass die Mutationen dessen Wirksamkeit nicht einschränken.

 
Wir wissen, dass unser Impfstoff das Virus an vielen verschiedenen Stellen attackiert. Dr. Ugur Sahin
 

 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....