Im Onko-Blog dieser Woche stellen wir spannende Studien vom virtuellen San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS 2020) vor. 2 Studien mit CDK4/6-Inhibitoren kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen: Während Abemaciclib in der MONARCH-E-Studie, zusätzlich zur endokrinen Therapie gegeben, das Ereignis-freie Überleben verlängerte, hatte Palbociclib in der PENELOPE-B-Studie keinen Effekt. Unerfreulich: Eine Mastektomie mit Rekonstruktion kann bei den Betroffenen eine Abhängigkeit von Opioiden oder Sedativa/Hypnotika begünstigen. Erfreulich dagegen, dass Frauen nach überstandener Brustkrebserkrankung meist gesunde Kinder zur Welt bringen. Und 2 Studien zum Oncotype-DX-Test zeigen, dass mit Hilfe des Recurrence Scores vielen Frauen eine Chemotherapie erspart werden kann. Schließlich richten deutsche Onkologen noch einen dringenden Appell an die Bevölkerung, sich an die Corona-Lockdown-Beschränkungen zu halten. Sie warnen vor einer „bedrohlichen Situation“ für Krebskranke.
Hochrisiko-Brustkrebs: Abemaciclib verlängert Ereignis-freies Überleben
Aber: Palbociclib enttäuscht in PENELOPE-B-Studie
Mastektomie mit Rekonstruktion: Risiko für Abhängigkeit von Opioiden oder Sedativa/Hypnotika
Schwangerschaft nach Brustkrebs: Meist gesunde Kinder
Wer braucht Chemo? ADAPT-Studie liefert genauere Hinweise
RxPONDER-Studie: Recurrence-Score auch bei nodal positivem Mammakarzinom
COVID-19: Deutsche Onkologen warnen vor „bedrohlicher Situation“ für Krebspatienten
Hochrisiko-Brustkrebs: Abemaciclib verlängert Ereignis-freies Überleben
Die Gabe des CDK4/6-Inhibitor Abemaciclib (Verzenio®) zusätzlich zur endokrinen Therapie verbessert das ereignisfreie Überleben bei Frauen mit hohem Risiko und Hormonrezeptor-positivem (HR+), HER2-negativem Brustkrebs auch über 1,5 Jahre. Dies zeigen aktualisierte Ergebnisse der MONARCH-E-Studie, die Prof. Dr. Priva Rastogi, Universität von Pittsburgh und medizinische Direktorin der National Surgical Adjuvant Breast and Bowel Project (NSABP) Foundation beim SABCS präsentiert hat.
Schon eine Interimsanalyse, Mitte September beim ESMO-Kongress vorgestellt ( Medscape berichtete), hatte ergeben, dass Abemaciclib in der MONARCH-E-Studie mit 5.637 Frauen das Risiko einer erneuten invasiven Erkrankung um 25% senkte im Vergleich zu alleiniger endokriner Therapie.
Zum Zeitpunkt der neuen Analyse hatten 25,5% der Teilnehmerinnen 2 Jahre der Studie durchlaufen. Bei den Frauen, die zusätzlich Abemaciclib erhielten, sank das Risiko einer erneuten invasiven Erkrankung (Invasive Disease Free Survival, IDFS) um 28,7%. Im Kombinationsarm lag das IDFS bei 92,3%, im Vergleichsarm bei 89,3%.
Bei Frauen mit einem hohen Ki-67-Wert (n = 2.498) sank das Rezidivrisiko durch Abemaciclib-Zugabe um 30,9%. Die günstigen Effekte von Abemaciclib wurden in allen Subgruppen beobachtet. Die Überlebensdaten sind derzeit noch nicht reif.
Aber: Palbociclib enttäuscht in PENELOPE-B-Studie
In der PENELOPE-B-Studie konnte der CDK4/6-Inhibitor Palbociclib (Ibrance®) in einer ähnlichen (Frauen mit Hochrisiko-Mammakarzinom, die Hormonrezeptor-positiv und HER2-negativ waren) in Kombination mit endokriner Therapie das IDFS im Vergleich zu alleiniger endokriner Therapie jedoch nicht verbessern.
Prof. Dr. Sibylle Loibl, Leiterin der German Breast Group Forschungs-GmbH, Neu-Isenburg; hat die Ergebnisse der PENELOPE-B-Studie vorgestellt. „Dies ist die erste Studie, die reife IDFS-Ergebnisse eines CDK4/6-Inhibitors als Teil einer (postneo)adjuvanten Therapie zeigt. Derzeit unterstützen die Ergebnisse der Studie die Zugabe von Palbociclib zur endokrinen Therapie über 1 Jahr nicht”, so ihre Schlussfolgerung. Sie mahnte, auch von den anderen Studien mit CDK4/6-Hemmern müssten die Langzeitdaten abgewartet werden.
In der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-3-Studie waren 1.250 Frauen mit Hochrisiko-Brustkrebs und residueller Erkrankung nach neoadjuvanter Therapie adjuvant mit endokriner Therapie über mindestens 5 Jahre behandelt worden. Randomisiert erhielten 631 Frauen zusätzlich über 1 Jahr Palbociclib, 619 Placebo.
Nach einem medianen Follow-up von 42,8 Monaten unterschied sich die Rate an invasiven Rezidiven nicht, in der Verumgruppe waren es 152, in der Placebo-Gruppe 156 (Hazard-Ratio 0,93, p = 0,525). Die IDFS-Raten waren in der Verum- und der Placebogruppe nach 2 Jahren (88,3% vs. 84%), 3 Jahren (81,2% vs. 77,7%) oder auch nach 4 Jahren (73% vs. 72,4%) nicht unterschiedlich.
Im Gegensatz zur positiven MONARCH-E-Studie mit Abemaciclib waren in die PENELOPE-B-Studie nur Frauen aufgenommen worden, die kein komplettes pathologisches Ansprechen auf eine neoadjuvante Therapie erreicht hatten. Außerdem waren viel weniger Patientinnen in die Studie aufgenommen worden und sie waren nur über 1 Jahr behandelt worden.
Nun wird mit Spannung auf die Ergebnisse der NATALEE-Studie gewartet, in der Ribociclib über 3 Jahre eingesetzt wird.
Mastektomie mit Rekonstruktion: Risiko für Abhängigkeit von Opioiden oder Sedativa/Hypnotika
Frauen, die sich wegen Brustkrebs einer Mastektomie mit Rekonstruktion unterzogen haben, haben ein erhöhtes Risiko, von Opioiden, Benzodiazepinen oder anderen Sedativa/Hypnotika abhängig zu werden, so Daten aus den USA. Dies betraf eher jüngere Frauen und Frauen, die noch eine Chemotherapie erhielten.
„Es wurde deutlich, dass eine kurzzeitige Exposition mit Opioiden zu einer lang anhaltenden Abhängigkeit führen kann“, so Studienautor Dr. Jacob Cogan, NewYork-Presbyterian/Columbia University Irving Medical Center in New York. Cogan und seine Kollegen analysierten Daten der MarketScan Healthcare Claims Database von Frauen, die sich zwischen 2008 und 2017 einer Mastektomie und Rekonstruktion unterzogen hatten und zuvor keine Opioide, Benzodiazepine oder Nicht-Benzo-Sedativa/Hypnotika genommen hatten (sog. Non-User).
Neu chronisch abhängig nach der Operation wurden von Opioiden 12,1%, von Benzodiazepinen 2,6% und von nicht-Benzodiazepinen 5,3% in der jeweiligen Non-User-Gruppe. Höhere Abhängigkeitsraten wurden bei jüngeren Patientinnen, bei denjenigen mit Chemotherapie sowie mit psychischen Erkrankungen gesehen.
Cogan empfahl, Opioide und Sedativa/Hypnotika bei diesen Patientinnen nur dann anzuwenden, „wenn sie wirklich nötig sind“. Die Patientinnen sollten dabei engen Kontakt mit dem verordnenden Arzt halten, um das Risiko einer Abhängigkeit zu minimieren.
Schwangerschaft nach Brustkrebs: Meist gesunde Kinder
Frauen, die eine Brustkrebserkrankung überstanden haben, haben mehr Schwierigkeiten, schwanger zu werden im Vergleich zu gesunden Frauen. Ihr Risiko für frühzeitige Wehen ist höher. Meist gebären sie jedoch gesunde Kinder.
Dies ergeben eine systematische Übersicht und eine Metaanalyse einer internationalen Arbeitsgruppe. „Die Ergebnisse dieser Metaanalyse liefern beruhigende Nachweise, dass Frauen mit Brustkrebs in der Anamnese sicher schwanger werden können ", so Studienleiterin Dr. Eva Blondeaux, IRCCS Ospedale Policlinico San Martino, Genua, Italien.
Die Forscher fanden aus 39 Studien anhand der Daten von 48.513 Brustkrebs-Überlebenden und 3,2 Mio. gesunden Vergleichspersonen, dass die ehemals an Brustkrebs erkrankten Frauen eine um 60% geringere Wahrscheinlichkeit hatten, schwanger zu werden. Wenn sie schwanger waren, hatten sie ein höheres Risiko für ein geringes Geburtsgewicht der Kinder, eine Frühgeburt oder Entbindung durch Kaiserschnitt. Das Risiko für kongenitale Missbildungen oder andere Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen war jedoch nicht erhöht.
Für die Brustkrebs-Überlebenden hatte die Schwangerschaft ebenfalls keine negativen Auswirkungen.
Dies spricht nach Ansicht von Blondeaux dafür, dass der Kinderwunsch einer Brustkrebspatientin künftig stärker als wichtiger Teil ihrer weiteren Lebensplanung beachtet werden muss. Sie rät außerdem, dass die Schwangerschaft dieser Frauen wegen der erhöhten Komplikationsrate engmaschig begleitet werden sollte.
Wer braucht Chemo? ADAPT-Studie liefert genauere Hinweise
Frauen mit einem HR-positiven/HER2-negativen frühen Brustkrebs mit bis zu 3 befallenen Lymphknoten und einem genomisch intermediären Rückfallrisiko sollten sich vor der Operation einer 3-wöchigen Antihormon-Behandlung unterziehen.
In einer Gewebeprobe wird der Ki-67-Wert als Marker für das Tumorwachstum zunächst bei Diagnosestellung und nach der 3-wöchigen Antihormon-Therapie am OP-Präparat erneut bestimmt. Ist Ki-67 innerhalb dieser 3 Wochen auf Werte unter 10% gefallen, reicht für die betroffene Patientin nach der Operation eine reine Antihormon-Therapie aus, liegt der Wert oberhalb dieser Grenze, ist eine zusätzliche Chemotherapie erforderlich.
Damit schaffen die Ergebnisse der ADAPT HR+/HER2-Studie für Frauen mit einem intermediären Risiko nach dem Recurrence-Score mehr Klarheit. Wie Prof. Dr. Nadia Harbeck, Leiterin des Brustzentrum und der onkologischen Tagesklinik der Frauenklinik der LMU München, berichtete, ergab die Studie der Westdeutschen Studiengruppe (WSG), dass Frauen aus der intermediären Risikogruppe und mit einem Ki-67-Wert bis maximal 10% mit einer Antihormon-Therapie ein vergleichbares krankheitsfreies und Fernmetastasen-freies Überleben erreichen wie Frauen mit niedrigem Risiko.
Beim luminalen frühen Mammakarzinom können also Frauen mit
0 bis 3 befallenen Lymphknoten und einem Recurrence-Score zwischen 0 und 11
0 bis 2 befallenen Lymphknoten plus endokrinem Ansprechen nach kurzer präoperativer Antihormon-Therapie
postoperativ nur mit Antihormontherapie und ohne Chemotherapie behandelt werden.
Wie Prof. Dr. Sherko Kümmel, Direktor der Klinik für Senologie/Brustzentrum der Kliniken Essen-Mitte, berichtete, erreichten in der Studie außerdem 20,8% der Frauen mit neoadjuvantem nab-Paclitaxel ein komplettes pathologisches Ansprechen, partiell sprachen 12,9% der Frauen auf Paclitaxel an. Erstmals zeigte sich auch, dass Frauen mit hohem Risiko und einem Recurrence Score >25 besonders gut von einer nab-Paclitaxel-haltigen Chemotherapie profitieren.
Wenn der Tumor allerdings gleichzeitig einen niedrigen Ki-67-Wert hat, also auf die Antihormon-Therapie gut angesprochen hatte, ist das Chemotherapie-Ansprechen eher enttäuschend.
RxPONDER-Studie: Recurrence-Score auch bei nodal positivem Mammakarzinom
Die 1. Ergebnisse der vom SWOG Cancer Research Network geleiteten unabhängigen Phase-3-Studie RxPONDER belegen, dass der Oncotype-DX-Test auch bei Frauen mit nodal positivem frühem Brustkrebs eingesetzt werden kann. „Diese Ergebnisse sind praxisverändernd und zeigen, dass der überwiegenden Mehrheit der postmenopausalen Frauen eine unnötige Chemotherapie erspart bleiben kann und eine alleinige Behandlung mit Hormontherapie ausreichend ist“, so Dr. Kevin Kalinsky, Direktor des Glenn Family Breast Center, Winship Cancer Institute, Emory University, Atlanta.
Die Studie mit über 5.000 Frauen ergab, dass postmenopausale Frauen mit einem Recurrence Score von 0 bis 25 nicht von einer zusätzlichen Chemo profitieren. Dies war unabhängig von der Anzahl befallener Lymphknoten, dem Tumorgrad oder der Tumorgröße.
Für Diskussion sorgten die 1. Ergebnisse nach einer medianen Nachbeobachtungsdauer von 5 Jahren bei prämenopausalen Frauen mit einem Recurrence Score von 0 bis 25. Hier hatte die Chemotherapie einen signifikanten Nutzen mit einer durchschnittlichen Verbesserung der Fernrezidiv-Raten nach 5 Jahren um 3%. Die Gründe hierfür sind unklar.
Die Patientinnen der Studie werden 15 Jahre nachverfolgt, so dass in den nächsten Jahren mit weiteren Daten und Erkenntnissen zu rechnen ist.
Bereits 2018 hatte die TAILORx-Studie gezeigt, dass der Test die große Mehrheit der Frauen mit nodal-negativer Erkrankung identifiziert, die keinen wesentlichen Nutzen aus einer Chemotherapie ziehen (ca. 80%), sowie die wichtige Minderheit, für die eine Chemotherapie lebensrettend sein kann ( Medscape berichtete).
COVID-19: Deutsche Onkologen warnen vor „bedrohlicher Situation“ für Krebspatienten
Die Corona Task Force von Deutscher Krebshilfe, dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) appellierte gestern an die Bevölkerung: Wer sich vor Infektionen schütze, schütze auch Krebskranke und Menschen mit anderen schweren Erkrankungen. Denn ein weiteres Ansteigen der Corona-Neuinfektionen könne zu bedrohlichen Situationen für Krebspatienten führen.
Die zweite Welle der SARS-CoV2-19-Pandemie bringt die Kliniken in Deutschland an die Belastungsgrenze. Die Versorgung von Menschen mit schwerwiegenden Erkrankungen wie Krebs sei dadurch deutlich beeinträchtigt. Immer mehr onkologische Eingriffe werden verschoben, diagnostische Untersuchungen und Nachsorge teilweise stark zurückgefahren. Aktuelle Erhebungen der Task Force sowie zahlreiche Meldungen deutscher Kliniken zeichneten ein äußerst besorgniserregendes Bild.
Prof. Dr. Michael Baumann, Vorstandsvorsitzender des DKFZ, schreibt in einem Pressestatement: „Die Situation an den Kliniken wird täglich enger: Wir haben anhaltend hohe Infektionszahlen, aber nur eine begrenzte Zahl an Intensivbetten. Quarantänemaßnahmen dünnen die ohnehin knappe Personaldecke weiter aus. Bei einer weiteren Verschärfung kann eine Versorgung aller schwerkranken Menschen nicht mehr gewährleistet werden – dazu zählen insbesondere die 1.400 Patienten, die Tag für Tag neu an Krebs erkranken.“
Gerd Nettekoven, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krebshilfe, appelliert ebenfalls an die Bevölkerung, die von der Politik festgelegten Corona-Schutzmaßnahmen ernst zu nehmen und einzuhalten, damit sich die Zahl der Neuinfektionen schnell verringert. „Das Gesundheitssystem vor einem Kollaps zu bewahren, ist jetzt nicht nur Aufgabe der Politik, sondern auch unserer Gesellschaft – nicht zuletzt im Sinne der vielen Krebspatienten in unserem Land, die alle gut versorgt werden müssen“.
Medscape Nachrichten © 2020
Diesen Artikel so zitieren: San Antonio Breast Cancer Symposium: 6 interessante Brustkrebs-Studien – und ein dringender Appell deutscher Onkologen - Medscape - 15. Dez 2020.
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