Transkript des Videos von Prof. Jan-Christoph Galle, Lüdenscheid
Einen wunderschönen guten Tag, ich begrüße Sie aus Lüdenscheid. Mein Name ist Jan Galle. Ich bin Internist und Nephrologe und leite in Lüdenscheid die Klinik für Nephrologie und Dialyseverfahren.
Bei der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin hatte ich die Gelegenheit neue Beiträge aus der Nephrologie für die Serie „Klug entscheiden“ vorzustellen.
Viele von Ihnen werden das Format kennen, es wurde vor einigen Jahren von Prof. Dr. Gerd Hasenfuß für die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin ins Leben gerufen.
„Klug entscheiden“ beinhaltet Empfehlungen über Dinge, die getan werden sollten, aber zu selten getan werden. Oder Dinge, die man nicht tun soll, die aber trotzdem noch gemacht werden.
Wir hatten bei der diesjährigen Sitzung Empfehlungen aus dem Bereich der Pharmakologie und der Interaktionen vorzustellen. Ich habe als Vertreter für die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) 2 Empfehlungen vorgestellt:
ACE-Hemmer und Sartane sollen nicht miteinander oder mit Renin-Inhibitoren kombiniert werden
Unter einer Kombinationstherapie von Diuretika und RAS-Blockern sollen nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wegen des erhöhten Risikos für ein akutes Nierenversagen nicht eingesetzt werden
Diese 2 Empfehlungen möchte ich Ihnen kurz vorstellen.
Keine Kombi von ACE-Hemmer und Sartan
Die Kombination von ACE-Inhibitoren und Sartanen und auch von Renin-Inhibitoren wurde von vielen Internisten, insbesondere Kardiologen und Nephrologen, über lange Jahre empfohlen. Wir haben das geradezu propagiert, weil wir glaubten, dass es für die Patienten gut ist, weil wir ganz gute pathophysiologische Konzepte hatten, die beschrieben haben, warum das eine sinnvolle Kombination sein soll.
Dann haben wir jedoch gelernt, dass diese Kombination für die Patienten nicht vorteilhaft ist. Im Gegenteil die Risikorate erhöht sich deutlich. So konnte in der ONTARGET-Studie, in der ein Sartan in Kombination mit einem ACE-Hemmer untersucht worden ist, gezeigt werden, dass Telmisartan plus Ramipril versus Ramipril allein bei Patienten mit hohem Risiko für vaskuläre Ereignisse keinen Vorteil auf die zusammengesetzten kardiovaskulären und renalen Endpunkte hatte.
Deutlich mehr Komplikationen
Aber die unerwünschten Ereignisse haben unter dieser Kombination deutlich zugenommen, wie beispielsweise hypotensive Phasen. Das sind Phasen, in denen die Patienten wegen niedrigen Blutdrucks eine Synkope erlitten, unerwünschte Hyperkaliämien mit dem Risiko von Herzrhythmusstörungen, Diarrhöen sowie akutes Nierenversagen und Verschlechterung der Nierenfunktion.
Diese wirklich große ONTARGET-Studie hat mit diesem Thema, ACE-Hemmer und Sartane zusammen zu geben, aufgeräumt.
Wenig später kam die ALTITUDE-Studie, in der der Renin-Inhibitor Aliskiren oder Placebo zusätzlich zu ACE-Hemmer oder Sartan eingesetzt worden sind. Da ergab sich im Prinzip das Gleiche, die Kombination hatte keinerlei Vorteile bei den Wirksamkeits-Endpunkten, aber die Nebenwirkungen nahmen zu, und zwar ganz ähnlich, wie in der ONTARGET-Studie. Die Patienten litten vermehrt unter Hyperkaliämien, Nierenversagen oder hypotensiven Phasen.
Mit diesen beiden großen Studien – ONTARGET und ALTITUDE – wurde die These, dass die Kombination dieser Substanzen sinnvoll ist, ziemlich eindeutig widerlegt.
Es gibt vielleicht ganz wenige Ausnahmen, z.B. wenn ein Nephrologe eine starke Proteinurie behandeln will, weil der Surrogat-Parameter Proteinurie durch die Kombination günstig beeinflusst wird. Aber gute Studiendaten dazu haben wir nicht.
Fazit: Es gibt keinen Vorteil für eine doppelte RAS-Blockade, man sollte sie vermeiden.
Keine NSAR zu Diuretika und RAS-Hemmer
Die 2. Empfehlung adressiert ein sehr häufiges Problem, nämlich das akute Nierenversagen durch Medikamente. Das akute Nierenversagen ist häufig und es wird häufig durch Medikamente ausgelöst.
Das akute Nierenversagen bringt dem Patienten, unabhängig vom Auslöser, erhebliche Nachteile auf renaler Ebene. Es entsteht damit eine Risikokonstellation, dass sich die Nierenfunktion im weiteren Leben des Patienten verschlechtert. Aber es gibt auch das Problem des akuten Ereignisses, was zu einem schwerwiegenden akuten Nierenversagen führen kann.
Es gibt dazu eine Studie von Lapi et al., wie sich häufig gegebene Medikamente, wie Diuretika, Hemmer des Renin-Angiotensin-Systems oder nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) auf die Nieren auswirken.
Schon jede der genannten Substanzklassen kann alleine ein Problem darstellen, die Häufigkeit des akuten Nierenversagens steigt. Aber die Rate des akuten Nierenversagens steigt massiv an, wenn man eine Mehrfachkombination einnimmt, also wenn man Diuretika mit RAS-Hemmern und NSAR zusammen einsetzt. Dann steigt das Risiko erheblich an. Die Number Needed to Harm (NNH) ist dann relativ niedrig, sie liegt im 100er Bereich.
Problematische Kombination häufig im Einsatz
Man kann natürlich fragen, ob eine NNH von 130 wirklich so schlimm ist. Es ist insofern ein Problem, weil diese Kombination sehr oft eingesetzt wird. Das wissen wir aus pharmakologischen Feldbeobachtungen und aus Daten von Krankenkassen, die die Rezepte bzw. Verordnungen und die Verkaufszahlen in den Apotheken berücksichtigt haben.
Diese Kombination aus Diuretikum, ACE-Hemmer oder Sartan plus NSAR ist besonders schädlich bei Patienten mit vorgeschädigter Nierenfunktion oder bei Patienten höheren Alters. Gerade bei älteren Patienten mit vorgeschädigter Niere sollte man NSAR vermeiden und anstelle der NSAR auf andere Schmerzmittel ausweichen, wie z. B. Novaminsulfon oder schwächer wirkende Opioide wie Tramadol.
Damit danke ich Ihnen ganz herzlich fürs Zuhören und für Ihr Interesse, ich hoffe, dass dies für Sie interessant war.
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Diesen Artikel so zitieren: Vorsicht bei ACE-Hemmern, Sartanen, Diuretika und NSAR – Nephrologe gibt Tipps für die Kombination von Herz-Medikamenten - Medscape - 3. Mai 2021.
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