Katheter oder Skalpell – stehen die Sieger fest? Mitral-, Aorten- und Trikuspidalklappen-Prothesen – was die Innovationen versprechen

Prof. Dr. Stephan Baldus

Interessenkonflikte

19. April 2021

Die Katheter-gestützte Klappenreparatur setzt sich an allen Fronten weiter durch. Prof. Dr. Stephan Baldus fasst die aktuelle Praxis vom DGK-Kongress zusammen.

Transkript des Videos von Prof. Dr. Stephan Baldus, Köln

Guten Tag, mein Name ist Stephan Baldus vom universitären Herzzentrum in Köln. Anlässlich der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie werde ich einige Details zur Bedeutung von Herzklappenfehlern und deren interventioneller Behandlung vorstellen.

Wir alle wissen um die Bedeutung dieser strukturellen Herz-Erkrankungen, insbesondere der Aortenklappen-Stenose, der Mitralklappen-Insuffizienz und auch der trikuspidalen Klappen-Insuffizienz, sowie der so exponentiell steigenden Prävalenz dieser Erkrankungen in einer älter werdenden Gesellschaft.

Wir haben eine Prävalenz von 15 bis 20% bei den über 80-Jährigen. Prävalenz und Inzidenz erreichen damit einen Bereich, der mit den Krebs-Erkrankungen vergleichbar ist. Das ist also ein sehr wichtiges Krankheitsgeschehen in unserer Bevölkerung, weil – und das ist entscheidend – die Prognose der Aortenklappen-Stenose und der Mitralklappen-Insuffizienz so ungünstig ist.

Kathetergestützte Therapie bei der Aortenklappenstenose

Bei der Aortenklappen-Stenose hat das dazu geführt, dass die Indikation zum Aortenklappen-Ersatz immer großzügiger gestellt wurde und insbesondere die kathetergestützte Therapie (TAVI) hier einen ganzen wesentlichen Raum bekommen hat. Wir wissen, dass 2 Drittel aller isolierten Aortenklappen-Implantationen in Deutschland mittlerweile kathetergestützt durchgeführt werden.

Das hat eine gewisse Berechtigung, wenn man sich die Daten zur Mortalität der Patienten nach einem solchen Eingriff ansieht. Es gibt 7 randomisierte Studien zu Patientenkollektiven mit unterschiedlichem operativem Risiko. Wenn man diese kumulativ über den zugegeben kurzen Nachbeobachtungszeitraum von 1 bis 2 Jahren betrachtet, ergibt sich für die kathetergestützte Therapie ein Nutzen hinsichtlich verminderter Sterblichkeit und es gibt auch Hinweise auf eine verminderte Schlaganfall-Inzidenz.

Man muss einschränkend sagen, dass die Follow Ups in diesen randomisierten Studien kurz sind, aber es zeigt zumindest, dass im kurzzeitigen Follow Up die kathetergestützte Therapie hier mindestens ebenbürtig wenn nicht sogar überlegen ist.

Die Amerikaner haben das zum Anlass genommen, ihre kürzlich erschienenen Leitlinien entsprechend zu formulieren. Die kathetergestützte Therapie ist hier keine Reserve-Therapie mehr für Patienten mit Aortenklappen-Stenose, sondern eine Klasse-I-Empfehlung für alle Patienten über 80 Jahre unabhängig vom operativen Risiko.

Für Patienten zwischen 65 und 80 Jahren wird die TAVI eingesetzt, wenn das Heart Team entsprechend entscheidet. Nur bei Patienten, die jünger als 65 Jahre sind oder eine Lebenserwartung von über 20 Jahren haben wird als Klasse-I-Empfehlung noch der konventionelle chirurgische Aortenklappen-Ersatz (SAVR) empfohlen.

Man wird sehen, wie die Europäer sich hier positionieren und die Leitlinien für die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) formulieren, die wir im Herbst erwarten.

Interventionelle Verfahren bei Mitralklappen-Insuffizienz

Für die Mitralklappen-Insuffizienz wissen wir auch – und das ist neu – dass sie ebenfalls eine maligne Erkrankung ist. Unabhängig von der Ursache der Mitralklappen-Insuffizienz ist die Sterblichkeit von betroffenen Patienten signifikant höher als im Vergleichskollektiv. Die Sterblichkeit ist über 10 Jahre gesehen um mindestens 50% erhöht bei Patienten mit degenerativer und vor allem mit funktioneller Mitralklappeninsuffizienz.

Treiber für diese erhöhte Sterblichkeit ist die hohe Inzidenz einer Herzinsuffizienz. Auch wir waren überrascht zu sehen, dass über knapp 10 Jahre die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Herzinsuffizienz bei primärer, also organischer Mitralklappen-Insuffizienz über 40% beträgt und bei Patienten mit funktioneller Mitralklappen-Insuffizienz sogar über 80%. Das sind also hohe Inzidenzwerte für die Herzinsuffizienz, die sich dann in Mortalität übersetzen.

Entsprechend wichtig ist die Therapie nicht nur der Herzinsuffizienz, sondern möglicherweise bei entsprechend geeigneten Patienten auch die Therapie an der Klappe selbst.

Hier haben wir das Problem, dass auch heutzutage noch die Wahrscheinlichkeit der konventionellen Operabilität von Patienten mit schwerer Mitralklappen-Insuffizienz gering ist. In aktuellen europäischen Registern liegt sie für die funktionelle Mitralklappen-Insuffizienz weit unter 10%. Auch Patienten mit primärer, also degenerativer Mitralklappen-Insuffizienz werden nur in 40% der Fälle operiert.

Die Notwendigkeit interventioneller Verfahren ist hier weiterhin ganz wesentlich und auch weiterhin Teil der entsprechenden Forschung. Wir wissen, dass wir bei sehr sorgfältiger Auswahl der Patienten die Chance haben, durch eine Rekonstruktion der Mitralklappe entsprechend prognostisch einzugreifen.

Die COAPT-Studie aus den USA hat das eindrucksvoll bei Patienten mit nicht maximal fortgeschrittener Herzinsuffizienz, aber funktioneller Mitralinsuffizienz hohen Ausmaßes gezeigt. Wenn diese Patienten erfolgreich mit dem MitraClip behandelt wurden, haben sie einen Nutzen, der vergleichbar, wenn nicht höher ist als die konventionelle Therapie der Herzinsuffizienz. Dies gilt sowohl für die Hospitalisierung als auch insbesondere die Mortalität. Der Nutzen hat sich über die ersten 2 Jahre, in aktuellen Studien auch über die ersten 3 Jahre gezeigt.

Die Ergebnisse haben sich ebenfalls in entsprechenden Empfehlungen der amerikanischen Leitlinien nieder geschlagen, die die MitraClip-Therapie jetzt als Klasse-2a-Empfehlung sowohl für die funktionelle als auch für die degenerative Mitralklappen-Insuffizienz aufgenommen haben, wenn eine chirurgische Therapie nicht in Frage kommt.

Spannend ist, ob wir in Zukunft auch die kathetergestützt eingesetzten Mitralklappen-Prothesen in größerem Maße würdigen können. Hier gibt es bisher eine CE-zertifizierte, in Deutschland verfügbare Prothese (Tendyne), deren klinische Ergebnisse in kontrollierten Studien sehr gut sind. Wir müssen jetzt abwarten, was in der realen Welt mit dieser Klappe passiert und wie gut die Ergebnisse sind.

Aber es ist schon eindrucksvoll zu sehen, dass insbesondere Patienten, die eine Mitralanulusverkalkung haben und damit für eine Segeltherapie oder auch eine Anuloplastie nicht in Frage kommen, durch so eine Prothesenimplantation möglicherweise sehr gut behandelt werden können – mit dem bisherigen Nachteil, dass dieses Verfahren und die Transplantation dieser Klappe transapikal erfolgt und daher mit erhöhtem operativen Risiko verbunden ist.

Trikuspidalklappen-Insuffizienz – neue Verfahren in der Entwicklung

Die Trikuspidalklappen-Insuffizienz wurde lange übersehen und ist nicht behandelt worden. Die Prognose ist sehr ungünstig, ungünstiger als viele Krebserkrankungen über den Langzeitverlauf betrachtet. Wir wissen auch, dass die chirurgische Therapie hier trotz der Tatsache, dass sie häufiger angewendet wird, immer noch, wenn sie isoliert für die Trikuspidalklappe notwendig wird, ein deutlich erhöhtes Operationsrisiko und auch Mortalitätsrisiko birgt.

Hier gab es in den letzten 3 Jahren wesentliche Fortschritte in der kathetergestützten Behandlung, sowohl bei der direkten Anuloplastie als auch bei der erneut angewendeten segelbasierten Therapie. Hiermit kann die Symptomatik der Patienten deutlich und anhaltend über Verlaufsbeobachtungen von derzeit 12 Monaten verbessert werden

Vielleicht noch spannender dabei ist, dass die erfolgreich an der Trikuspidalklappe behandelten Patienten eine deutliche Reduktion der Insuffizienz zeigten im Vergleich zu den Patienten, bei denen das nicht gelang.

Patienten mit erfolgreicher Rekonstruktion – in Analogie zu dem, was wir für die Mitralklappe gesehen haben – scheinen auch eine bessere Prognose zu haben – mit weniger Hospitalisierungen und geringerer Mortalität. Die Mortalität war bei den erfolgreich behandelten Patienten auf ein Drittel reduziert.

Man wird abwarten müssen, ob diese neuen Verfahren das Potenzial haben, die Prognose der Patienten zu verbessern.

Auch für die Trikuspidalklappe gibt es mittlerweile Prothesen, die in kleineren Studien eingesetzt worden sind. Hier ist es noch zu früh, dass dies Standard werden wird, aber die Ergebnisse sind sehr ermutigend. Interessant sind Hinweise, dass sich durch eine Eliminierung einer Trikuspidalklappen-Insuffizienz die Geometrie des Ventrikels und die Volumina des rechten Ventrikels verbessern.

Wir sind weiterhin in einem wahrscheinlich der innovativsten und sich am schnellsten fortbewegenden Bereich der kardiovaskulären Medizin unterwegs.

Wir haben mit der kathetergestützten Aortenklappen-Therapie, mit neuen Therapieverfahren für die Mitralklappen-Insuffizienz und für die Trikuspidalklappen-Insuffizienz mittlerweile ein Armamentarium, das vermutlich mehr kann, als nur die Symptomatik des Patienten zu verbessern.

Es wird sicher spannend sein, das in den kommenden Jahren weiter zu verfolgen und durch größere randomisierte Studien weiter zu beobachten.

Damit ganz herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
 

Kommentar

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