Burstkrebs bei Männern ist selten – umso spannender sind Studien, die die Therapie sicherer und besser machen können, sagt PD Dr. Georgia Schilling und stellt eine Arbeit zur Hormon-Behandlung vor.
Sehr geehrte Damen und Herren,
mein Name ist Georgia Schilling, ich bin leitende Oberärztin im Asklepios-Tumorzentrum in Hamburg und gleichzeitig auch Chefärztin der internistisch-onkologischen Rehabilitation in der Asklepios-Nordsee-Klinik in Westerland auf Sylt, von wo aus ich Sie ganz herzlich begrüße.
Ich bin in dieser Woche über einen Artikel gestolpert, den ich sehr interessant fand und ich gehe davon aus, dass es bei Ihnen genauso ist. Es geht um die Therapie beim Brustkrebs des Mannes.
Die German Breast Cancer Group, in diesem Fall vertreten von Dr. Mattea Reinisch, Evangelische Kliniken Essen-Mitte, hat dazu eine randomisierte Phase-2-Studie veröffentlicht, in der die Effektivität endokriner Therapien beim männlichen Brustkrebs untersucht worden ist [1].
Das finde ich sehr spannend. Ich kann mich an 2 (männliche) Patienten mit einem Mammakarzinom in meiner Ausbildungszeit erinnern. Die Erkrankung ist sehr selten und es war auch sehr schwierig, die beiden Patienten zu therapieren. Deswegen hat mich die Arbeit interessiert.
Der Artikel wurde am 4. Februar 2021, also am Weltkrebstag, in JAMA Oncology publiziert.
Männlicher Brustkrebs – eine seltene Erkrankung
Männlicher Brustkrebs ist – wie gesagt – sehr selten. Er macht etwa 1% aller Mammakarzinome aus. Es gibt so gut wie keine Evidenz-basierten Daten z. B. zu optimalen Behandlungsstrategien. Wir machen bei den Männern mehr oder weniger das Gleiche wie bei den Frauen – ohne dass wir wirklich wissen, ob wir richtig liegen.
90% der männlichen Mammakarzinome sind Hormonrezeptor-positiv. Die Standardbehandlung ist in der Regel 5 Jahre Tamoxifen 20 mg/Tag. Man weiß, dass die Wirksamkeit von Aromatase-Inhibitoren bei Männern weniger ausgeprägt ist als bei Frauen. Und die Studienlage deutet ganz klar darauf hin, dass man die Effizienz steigern kann, indem man ein GnRH-Analogon zusätzlich zum Aromatase-Inhibitor gibt. Das ist auch die empfohlene Therapiestrategie.
Insgesamt haben sich die Überlebensdaten der Männer mit der Zeit verbessert, aber sie sind deutlich schlechter als bei den Frauen. Wir brauchen natürlich Studien in diesem Bereich und neue Therapieansätze, um dieses Defizit auszugleichen.
Phase-2-Studie der GBG
Deshalb habe ich mir diese Studie ausgesucht, um die Erkenntnisse mit Ihnen zu teilen. Es handelt sich um eine randomisierte multizentrische Phase-2-Studie der GBG mit 56 Teilnehmern, die in 24 Zentren behandelt worden sind. Das zeigt, wie selten diese Erkrankung ist und wie schwierig es ist, Patienten zu rekrutieren.
Die Studie war dreiarmig, ein Arm erhielt eine Standardbehandlung mit Tamoxifen, der 2. Arm mit Tamoxifen plus GnRH-Analogon und der 3. Arm Aromatase-Inhibitor plus GnRH-Analogon über 6 Monate.
Eingeschlossen werden konnten alle Männer mit einem Hormonrezeptor-positiven Mammakarzinom in allen Therapiesettings, also in der neoadjuvanten, in der adjuvanten oder auch in der metastasierten Situation.
Zielsetzung der Studie war nicht, die Effizienz der endokrinen Therapie zu testen, sondern die Veränderungen des Östradiol-Spiegels nach 3 Monaten. Das war der primäre Endpunkt.
Zu den sekundären Endpunkten gehörten die Östradiol-Spiegel nach 6 Monaten, die Veränderungen weiterer hormoneller Parameter, unerwünschte Ereignisse, die sexuelle Funktionalität und die Lebensqualität.
Von den 56 eingeschlossen Patienten konnten 50 bezüglich des primären Endpunkts ausgewertet werden.
Was hat die Studie ergeben?
Erwartungsgemäß oder aus dem, was wir von den Frauen wissen, stiegen die Östradiol-Spiegel nach 3 Monaten unter Tamoxifen um 67%. Bei Zunahme des GnRH-Analogon sind sie abgefallen, und zwar in der Kombination mit Tamoxifen um 85% und zusammen mit dem Aromatase-Inhibitor um 72%.
Ähnliches wurde nach 6 Monaten beobachtet, es kam zum Anstieg des Östradiol-Spiegels um 41% unter Tamoxifen-Monotherapie und zum Abfall um 61 bzw. 64% bei zusätzlicher Gabe eines GnRH-Analogons zu Tamoxifen bzw. Aromatase-Inhibitor.
Mit Hilfe von Fragebögen wurden sexuelle Funktionalität und Lebensqualität beurteilt im Sinne von Patient reported Outcomes (PRO). Sexuelle Funktionalität und auch Lebensqualität haben unter dem GnRH-Analogon deutlich abgenommen, während sie unter der Tamoxifen-Einnahme gleichgeblieben waren.
Was sagt uns diese Studie?
Die Studie hat ganz klar die Veränderungen im Östradiol-Spiegel zeigen können. Sie hat auch gezeigt, dass sich zumindest Östradiol – die anderen Werte sind noch nicht publiziert – so verhält, wie wir es von den Frauen kennen, also vergleichbar ist.
Wir wissen, dass bei prämenopausalen Frauen die Hinzunahme eines GnRH-Analogons auch zu einem verbesserten Krankheits-freien Überleben führt. Und wir wissen, dass beim Prostatakarzinom durch die Gabe eines GnRH-Analogons das Outcome ebenfalls verbessert werden kann.
Aber die Studie wurde nicht aufgesetzt, um Vor- oder Nachteile der verschiedenen antihormonellen Therapien zu zeigen. Dazu war die Fallzahl zu klein und die Therapiesettings waren völlig unterschiedlich. Es gab auch keinen Arm mit einer Aromatase-Inhibitor-Monotherapie. Das ist natürlich die Achillesferse der Studie.
Wir können wieder nur indirekte Rückschlüsse aus der Therapie bei den Frauen ziehen. Wir haben jedoch ein bisschen mehr Sicherheit durch diese Studie, weil sie gezeigt hat, dass sich die Hormone unter der endokrinen Therapie bei den Männern genauso verhalten wie bei den Frauen.
Noch eine Ergänzung, warum es keinen Arm mit alleiniger Aromatase-Hemmung gab: Man hat sich deshalb für einen totale Hormonblockade entschieden, weil auch beim älteren Mann noch eine Rest-Östradiol-Produktion im Hoden stattfindet. Man wollte diese komplett blockieren. Standard ist auch, die Männer so zu behandeln, wie prämenopausale Frauen. Der Aromatase-Hemmer kann diese restliche Hormonproduktion nur zu 50% unterbinden.
Dringend internationale Studienkonzepte erforderlich
Ein ganz wichtiges Fazit der Autoren ist meiner Ansicht nach, dass wir absolut dringend internationale Studienkonzepte brauchen, um effiziente Daten in einer solch seltenen Entität generieren zu können und um endlich auch die Evidenz-basierte optimale Behandlung des männlichen Mammakarzinoms festlegen zu können.
Vielleicht ist es ein Schritt, den wir gerade in dieser Pandemie-Situation gehen können. Denn zunehmend findet eine digitale Vernetzung im privaten und beruflichen Bereich statt. Vielleicht hilft dies auch, um solche internationalen Studien auf den Weg zu bringen. Das würde mich sehr freuen.
Ihnen danke ich ganz herzlich fürs Zuhören – bis zum nächsten Mal.
Medscape © 2021
Diesen Artikel so zitieren: Brustkrebs bei Männern: „Mehr Sicherheit“ für die Hormon-Therapie – aber auch Effekte auf Lebensqualität und Sex - Medscape - 15. Feb 2021.
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