Eine mRNA-Vakzine von Biontech als MS-Therapie? Auch wenn diese erst im Tierexperiment funktioniert, findet Prof. Dr. Hans-Christoph Dieners die Studie „spektakulär“ – plus 5 Highlights vom Januar.
Transkript des Videos von Prof. Dr. Hans-Christoph Diener:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich bin Christoph Diener von der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen.
Ich habe Ihnen heute 6 Studien aus 5 verschiedenen Bereichen mitgebracht, die im Januar 2021 erschienen sind.
mRNA-Impfung gegen MS?
Die mit Abstand spektakulärste Publikation ist eine tierexperimentelle Arbeit in Science von der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Ugur Sahin aus Mainz [1]. Der Ansatz bei der experimentellen entzündlichen Enzephalomyelitis, dem Tiermodell der Multiplen Sklerose (MS), war hier der Einsatz einer messengerRNA-Impfung zur Unterdrückung dieser Entzündung ( Medscape berichtete).
Dieser Ansatz war erfolgreich. Er hat ganz wichtige Implikationen, weil nämlich der Rest des Immunsystems damit nicht supprimiert wird. Wenn das beim Menschen funktionieren würde, dann gäbe es eine neue Therapie für MS, bei der dann viele Nebenwirkungen der derzeitigen immunsupressiven oder immunmodulatorischen Therapien keine oder nur eine geringe Rolle spielen würden.
Wie gesagt, im Moment erstmal nur aufregende Tierexperimente.
Omaveloxolon bei Friedreich-Ataxie
Die 2. Studie, die in Annals of Neurology publiziert wurde, behandelte Patienten mit Friedreich-Ataxie [2]. Hier wurde das neue Omaveloxolon eingesetzt, das in Tiermodellen der Friedreich-Ataxie positive Wirkungen auf die mitochondriale Funktion gezeigt hat, es hat auch antiinflammatorische Eigenschaften.
Randomisiert erhielten 103 Patienten Verum oder Placebo und es zeigte sich ein positiver Effekt auf der modifizierten Friedrich-Ataxie Rating Skala (mFARS). Der absolute Unterschied war relativ gering, aber er war signifikant.
Einziger Wermutstropfen war, dass es bei einigen Patienten zu einem vorübergehenden Anstieg der Leberwerte – aber nicht des Bilirubins – kam. Nebenwirkungen waren Kopfschmerzen, Übelkeit und Müdigkeit.
Schlaganfall: Thrombektomie mit oder ohne Lyse
In JAMA sind 2 Arbeiten erschienen mit der Frage, ob bei Patienten mit Verschlüssen der großen hirnversorgenden Arterien eine Thrombektomie mit oder ohne systemische Lyse durchgeführt werden soll [3,4].
Die DEVT-Studie aus China hat 234 Patienten randomisiert und beim primären Endpunkt – modifizierte Rankin-Skala 0-2 nach 90 Tagen – war ein gutes Ergebnis bei 54% mit der endovaskulären Thrombektomie allein und 46% in der Kombinationstherapie aus Thrombektomie und Lyse erzielt worden [3]. Es gab keinen Unterschied in der 90-Tage-Mortalität.
Auch in der SKIP-Studie aus Japan mit 204 Patienten zeigte sich nach 90 Tagen für die modifizierte Ranking-Skala 0-2 mit 59 versus 57% für einen guten Outcome kein Unterschied [4]. Das galt auch für sekundäre Endpunkte.
Diese beiden Studien gehen aber an der klinischen Realität vorbei. Wenn ein Patient mit einem Verschluss der Arteria cerebri media in die Klinik kommt und die Angio frei ist, dann würde man natürlich sofort eine Thrombektomie machen. Die Kombination mit Thrombolyse ist dann wichtig, wenn der Patient auf die Angio warten oder wenn er in ein anderes Zentrum verlegt werden muss.
Frühe Tranexamsäure-Gabe bei Subarachnoidalblutung
Eine weitere Studie in Lancet hat untersucht, ob man mit einer ultrafrühen Gabe von Tranexamsäure das Risiko von Nachblutungen bei Subarachnoidalblutung verhindern kann [5].
In dieser Studie wurden 955 Patienten randomisiert. Unter Tranexamsäure gab es bei 60% einen guten Outcome, in der Kontrollgruppe unter Placebo bei 64%.
In diesem Fall konnte kein therapeutischer Nutzen für die unmittelbare Gabe von Tranexamsäure in dem Moment der Diagnose der Subarachnoidalblutung gezeigt werden.
Riluzol bei Zervikal-Myelopathie
Die letzte Studie aus Lancet Neurology hat den Ansatz untersucht, ob man eventuell mit Riluzol das Ergebnis einer operativen Therapie einer Zervikal-Myelopathie verbessern kann [6.]
Sie wissen wahrscheinlich, dass man Riluzol bei der amyotrophen Lateralsklerose einsetzt. Diese Substanz hemmt den NMDA-Rezeptor und hat darüber auch antiinflammatorische Eigenschaften.
Die Studie hat bei 290 Patienten, die operiert wurden, Riluzol im Vergleich zu Placebo untersucht. Die Patienten erhielten zweimal täglich Riluzol 14 Tage vor der Operation und dann noch 28 Tage nach dem Eingriff.
Leider zeigte sich kein Unterschied in den klinischen Parametern zwischen den beiden Behandlungsgruppen. Riluzol ist also bei Patienten, die sich einer Operation einer Zervikal-Myelopathie unterziehen müssen, nicht wirksam.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, das waren meines Erachtens die 6 wichtigsten Studien aus dem Januar 2021 im Bereich der Neurologie.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und fürs Zusehen.
Medscape © 2021 WebMD, LLC
Die dargestellte Meinung entspricht der des Autors und spiegelt nicht unbedingt die Ansichten von WebMD oder Medscape wider.
Diesen Artikel so zitieren: Neuro-Talk: Biontech-Forscher testen mRNA-Vakzine gegen MS erfolgreich an Tieren – plus 5 weitere Studien-Highlights - Medscape - 8. Feb 2021.
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