Mit wenigen Tests Klarheit schaffen: PD Dr. Georgia Schilling erklärt die ADAPT-Studie und wie man nun herausfinden kann, welche Brustkrebs-Patientinnen künftig auf eine Chemotherapie verzichten können.
Transkript des Videos von PD Dr. Georgia Schilling:
Sehr geehrte Damen und Herren,
herzlich willkommen im Neuen Jahr, einem hoffnungsfrohen Neuen Jahr.
Mein Name ist Georgia Schilling, ich bin leitende Oberärztin im Asklepios-Tumorzentrum in Hamburg und gleichzeitig auch Chefärztin der internistisch-onkologischen Rehabilitation in der Asklepios-Nordsee-Klinik in Westerland auf Sylt.
Ich habe Ihnen dieses Mal noch etwas aus dem alten Jahr mitgebracht, nämlich vom San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS) im Dezember 2020. Einen Beitrag der westdeutschen Studiengruppe präsentiert in 2 Vorträgen von Prof. Dr. Nadia Harbeck, München, und Prof. Dr. Sherko Kümmel, Essen. Es geht um die ADAPT-Studie für die Hormonrezeptor-positiven, HER2neu-negativen Mammakarzinome [1,2].
Die ADAPT-Studie ist eine Studie für die adjuvante, an dynamischen Tumormarkern orientierte personalisierte Therapie bei Brustkrebs im frühen Stadium, bei der die Risikoeinschätzung und Vorhersage des Therapieansprechens optimiert wird.
Unsicherheit zur Therapie bei Intermediate-Risk-Patientinnen
Wir haben pro Jahr etwa 70.000 neu diagnostizierte Mammakarzinom-Fälle. Davon sind 44.000 Hormonrezeptor-positiv. Bisher war klar, dass die High-Risk-Patientinnen auf jeden Fall eine Chemotherapie zusätzlich zur antihormonellen Therapie haben sollten.
Die Low-Risk-Patientinnen wurden nur endokrin therapiert. Bei den Intermediate-Risk-Fällen waren wir immer unsicher bezüglich Über- oder Untertherapie. Sie machen aber etwa die Hälfte der Hormonrezeptor-positiven Mammakarzinom-Fälle aus.
Nun ging es darum, welche Frauen in dieser Gruppe von einer Chemotherapie profitieren und welche nicht profitieren. Das konnten wir bislang nicht eindeutig sagen.
Design der ADAPT-Studie
Dabei hilft uns jetzt die ADAPT-Studie. Eingeschlossen wurden Patientinnen zwischen 18 und 75 Jahren mit einem histologisch gesicherten unilateralen primär invasiven Mammakarzinom cT1 – 4c, alle N-Stadien, nicht metastasiert.
Alle waren Kandidatinnen für eine (neo-)adjuvante Chemotherapie nach konventionellen prognostischen Kriterien, also nach der ADO, nach der S3-Leitlinie und den St.-Gallen-Leitlinien. Der Hormonrezeptor- und der HER2-Status mussten bekannt sein. Außerdem musste ein Tumorblock für die zentrale pathologische Überprüfung verfügbar sein.
Alle Patientinnen mit einen Hormonrezeptor-positiven, HER2-negativen Mammakarzinom konnten an der Studie teilnehmen.
Die Untersuchung hat ein relativ komplexes Design. Die High-Risk-Patientinnen wurden direkt mit Chemotherapie behandelt. Auch hier gab es eine Randomisierung, nämlich zwischen Paclitaxel und nab-Paclitaxel. Danach erhielten die Frauen viermal Epirubicin/Cyclophosphamid, dies war also umgekehrt, wie wir es sonst machen. Dann wurden die Frauen operiert.
Die anderen Patientinnen, die bis zu 3 positive Lymphknoten hatten, wurden am Anfang biopsiert. Der Proliferationsindex Ki-67 und der Recurrence-Score (RS) mit Oncotype DX des Tumors wurden bestimmt. Dann erhielten sie über 3 Wochen eine endokrine Induktionstherapie, entweder Tamoxifen oder einen Aromatase-Inhibitor und wurden dann entweder operiert oder erneut biopsiert.
Die Patienten N0/N1 bilden die Gruppe, die uns interessiert. Hatten sie einen Ki-67-Wert unter 10% und einen RS unter 12 bekamen sie nur eine endokrine Therapie. War das Ki-67 weiterhin hoch, dann erhielten sie auch eine Chemotherapie, ebenso die Patientinnen, die einen RS über 25 hatten.
Der extrem interessante Ansatz ist also folgender: endokrine Induktionstherapie, Rebiopsie des Tumors und dann Entscheidung anhand von Ki-67 und Recurrence-Score, ob Chemotherapie oder endokrine Therapie.
Die Bestimmung von Ki-67 hat präoperativ und postoperativ stattgefunden. Ist der Wert innerhalb dieser 3 Wochen unter 10% gefallen war eine Chemotherapie nicht vorgesehen.
Mehr Klarheit bei Frauen mit intermediärem Risiko
Das Ergebnis hat sich tatsächlich bestätigt. Für Frauen in der intermediären Risikogruppe mit einem Ki-67-Wert von ≤ 10% haben sich mit der Antihormon-Therapie ohne Chemotherapie dieselben Behandlungsergebnisse erzielen lassen wie bei Frauen, die direkt in die Niedrig-Risiko-Gruppe eingeordnet worden waren.
Das krankheitsfreie Überleben (DFS) und das Fernmetastasen-freie Überleben (dDFS) waren in allen Subgruppen gleich, egal ob prä- oder postmenopausal. Auch für Frauen mit keinem oder bis zu 3 befallenen Lymphknoten.
Dann gab es noch den Chemotherapie-Arm mit der Randomisierung zwischen Paclitaxel und nab-Paclitaxel, dessen Ergebnisse von Kümmel präsentiert worden sind.
Da gab es ebenfalls ein klares Statement: nab-Paclitaxel sollte in der neoadjuvanten Therapie zum Einsatz kommen. Denn die pCR-Rate war mit 20,8% wesentlich höher als mit 12,9% unter Paclitaxel – ein eindrucksvolles Ergebnis.
Weiterhin wurde zum ersten Mal gezeigt, dass Frauen aus der Hochrisiko-Gruppe mit einem Recurrence-Score über 25 besonders eindrucksvoll von nab-Paclitaxel-haltiger Chemotherapie profitiert haben.
Wenn der Tumor allerdings gleichzeitig einen niedrigen Ki-67-Wert aufweist und auf die Antihormon-Therapie gut angesprochen hatte, dann ist das Ansprechen auf die Chemotherapie eher enttäuschend.
Für die Praxis relevant
Das ist eine für uns sehr praxisrelevante Studie. Das Fazit der Autoren ist: Die Kombination einer Prüfung des genomischen Risikos mit Oncotype DX und der Testung des Ansprechens auf eine Antihormon-Therapie anhand von Ki-67 schafft Klarheit für die Frauen mit einem frühen Hormonrezeptor-positiven, HER2neu-negativen Mammakarzinom mit bis zu 3 befallenen Lymphknoten. Das hilft uns in Zukunft weiter.
Wie auch andere molekulargenetische Tests ist Oncotype DX inzwischen eine Kassenleistung.
Offene Fragen werden in weiteren Studien untersucht
Es bleiben natürlich trotzdem nach dieser Studie Fragen offen, die auch in Zukunft beantwortet werden sollen:
Unklar ist z. B. was mit jenen Frauen geschehen soll, die 4 oder mehr befallene Lymphknoten haben.
Was ist mit den Frauen, die einen hohen Recurrence-Score mit einem guten antihormonellen Ansprechen, aber mit einem schlechten Chemotherapie-Ansprechen haben.
Die Frage ist auch, ob diese Gruppen vielleicht von einer verstärkten antihormonellen Therapie profitieren könnten.
Alle diese Fragen werden derzeit in der ADAP-CYCLE-Studie untersucht und wir warten natürlich hoffnungsvoll auf die Ergebnisse.
Die ADAPT-Studie bringt uns und unsere Patientinnen hinsichtlich Über- und Untertherapie in der intermediären Risiko-Gruppe in Zukunft sehr viel weiter.
Damit danke ich Ihnen ganz herzlich fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal.
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Diesen Artikel so zitieren: Chemo bei Brustkrebs ja oder nein? Endlich, „das hilft uns weiter“ – wie die ADAPT-Studie eine zentrale Frage beantworten kann - Medscape - 25. Jan 2021.
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