Stress, lass nach – was sich zwischen April und Juli (nicht) geändert hat: Neue Daten zur psychischen Belastung

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

10. Dezember 2020

US-weit hat sich der seelische Druck durch die SARS-CoV-2-Pandemie kaum verringert, berichten Dr. Emma E. McGinty von der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health, Baltimore, und ihre Kollegen in JAMA Network [1]. Die Prävalenz schwerwiegender psychischer Belastungen bei Erwachsenen lag im April 2020 bei 13,6% und im Juli 2020 bei 13%.

 
Eine hohe Prävalenz zu 2 Zeitpunkten lässt darauf schließen, dass die Pandemie ein Treiber für längerfristige Störungen sein könnte. Dr. Ipsit V. Vahia und Kollegen
 

„Eine hohe Prävalenz zu 2 Zeitpunkten lässt darauf schließen, dass die Pandemie ein Treiber für längerfristige Störungen sein könnte“, kommentieren Dr. Ipsit V. Vahia vom McLean Hospital, Belmont, Massachusetts, und seine Kollegen im Editorial [2]. Konsequenzen seien derzeit nicht absehbar.

Wie ändert sich die Belastung im Laufe der Pandemie?

Zum Hintergrund: 13,6% aller Erwachsenen in den USA berichteten im April 2020 von einer schweren psychischen Belastung aufgrund von SARS-CoV-2. Der Wert lag im Jahr 2018 noch bei 3,9%. Wie sich die psychische Belastung im Verlauf der Pandemie verändert hat, ist unbekannt. Hier setzen McGinty und ihre Kollegen mit ihrer neuen Studie an.

Zwischen dem 7. und 22. Juli 2020 interviewten sie 1.466 Erwachsene, die bereits an der 1. Studie im April 2020 teilgenommen hatten. Über die Kessler Psychological Distress Scale (K6) erfassten sie die psychische Belastung im letzten Monat. Eine Punktzahl von 13 oder mehr auf der Skala mit maximal 24 Punkten galt als ernste Belastung.

Von 1.466 kontaktierten Erwachsenen nahmen 1.337 (91,2%) an der 2. Runde teil. 13,0% (95% KI 10,1-16,5%) gaben im Juli 2020 eine ernsthafte Belastung zu Protokoll, verglichen mit 14,2% (95% KI 11,3-17,7%) im April 2020. Die Unterschiede waren statistisch nicht signifikant – auch nicht in Subgruppen.

Zu beiden Zeitpunkten war die Prävalenz bei Erwachsenen im Alter von 18 bis 29 Jahren am höchsten: 25,4% (95% KI 16,0-38,0%) versus 26,5% (95% KI 16,1-40,5%). Auch in der Gruppe mit Einkommen unter 35.000 US-Dollar, umgerechnet 29.400 Euro, ähnelten sich die Ergebnisse aus beiden Abfragerunden. 20,2% (95% KI 14,4-27,5%) berichteten im April und 21,2% (95% KI, 14,7-29,6%) im Juli von einer starken Belastung.

Die häufigsten Stressfaktoren in der Gruppe mit ernster Belastung (n=132) waren:

  • Sorgen, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren (65,9% [95% KI 51,8-77,7%]),

  • durch die Pandemie Probleme im Job zu haben (65,1% [95% KI 53,6-75,1%]) und

  • damit in finanzielle Not zu geraten (60,6% [95% KI 48,0-72,0%]).

Zu den Einschränkungen der Studie gehört die Stichprobengröße und die mögliche Verzerrung durch nicht überprüfbare Angaben von Teilnehmern.

Erwachsene: Weniger Resilienz als erwartet

Vahia und seine Koautoren unterstreichen im Editorial, vor allem junge Menschen seien psychisch gefährdet. „Ungefähr 8 Monate nach Beginn der Pandemie haben mehrere Studien gezeigt, dass ältere Erwachsene möglicherweise psychisch weniger negativ betroffen sind als andere Altersgruppen“, schreiben sie.

 
Mehrere Studien haben gezeigt, dass ältere Erwachsene möglicherweise psychisch weniger negativ betroffen sind als andere Altersgruppen. Dr. Ipsit V. Vahia und Kollegen
 

So berichteten die Centers for Disease Control and Prevention (CDC), dass Menschen ab 65 signifikant seltener an Angststörungen (6,2% versus 49,1%), an depressiven Störungen (5,8% versus 52,3%) oder an Trauma- oder Stress-bedingten Störungen (9,2% versus 36%) litten als Menschen zwischen 18 und 24 Jahren. Studien aus Ländern mit ähnlichem Einkommen wie die USA bestätigen den Trend.

„Die Daten aus verschiedenen Studien stehen im Gegensatz zu zahlreichen persönlichen Beobachtungen, wie schwierig die Pandemie für ältere Menschen war“, schreiben die Editorialisten. Sie erklären sich mit individuellen Unterschieden; jeder Mensch altere eben anders. „Bisher gibt es kein klares Verständnis darüber, welche Risikofaktoren und Schutzfaktoren die stärksten Determinanten der psychischen Gesundheitsergebnisse sind, obwohl diese von Person zu Person unterschiedlich sein können“, so ihre Einschätzung.

 
Die Daten aus verschiedenen Studien stehen im Gegensatz zu zahlreichen persönlichen Beobachtungen, wie schwierig die Pandemie für ältere Menschen war. Dr. Ipsit V. Vahia und Kollegen
 

Hinzu kommt: „Viele ältere Erwachsene verfügen nicht über die erforderlichen Ressourcen, um mit dem Stress von COVID-19 umzugehen“, erklären Vahia und seine Kollegen. „Dies kann materielle (z.B. mangelnder Zugang zu Technologie), soziale (z. B. wenige Familienmitglieder oder Freunde) oder kognitive oder biologische (z.B. Unfähigkeit, sich körperlich zu betätigen) Ressourcen umfassen.“ Gesundheitspolitikern, aber auch Ärzten raten sie, solche Unterschiede stärker als bisher zu berücksichtigen.

 

Kommentar

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