ASH-Kongress 2020: Die 5 spannendsten Studien mit 2 schlechten und 3 positiven Nachrichten für Patienten

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

8. Dezember 2020

Im aktuellen Onko-Blog geht es diesmal um Studien vom 62. ASH Annual Meeting, dem virtuellen Jahreskongress der American Society of Hematology vom 5. bis 8. Dezember 2020 [1]. Vorgestellt wurde dort ein Register, das bestätigt, dass Patienten mit Blutkrebs schwerer an COVID-19 erkranken und häufiger sterben als Gesunde. Enttäuschend die Ergebnisse der A-TREAT-Studie, nach denen Tranexamsäure Blutungen bei thrombozytopenischen Patienten, die sich einer Krebstherapie unterziehen, nicht verhindert. Positive Nachrichten jedoch zu Ruxolitinib: Erstmals ist in der Second-Line bei Patienten mit chronischer Graft-versus-Host-Disease eine Wirkung in einer Phase-3-Studie nachgewiesen worden. Und weitere positive News: Studiendaten belegen, dass auch ältere Patienten mit myelodysplastischem Syndrom von einer Stammzell-Transplantation profitieren. Und beim multiplen Myelom lassen sich mit Daratumumab in der für Patienten bequemeren subkutanen Darreichungsform ähnlich gute Ergebnisse wie mit einer Infusion erreichen.

  • Blutkrebs: Höhere Sterblichkeit bei COVID-19-Infektion

  • Hämatologische Tumore: Tranexamsäure verhindert Blutungen nicht

  • Chronische GvH-Krankheit: Ruxolitinib erste wirksame Second-Line-Therapie

  • MDS: Stammzell-Transplantation hilft auch Älteren

  • Multiples Myelom: Daratumumab wirkt subkutan genauso gut

Blutkrebs: Höhere Sterblichkeit bei COVID-19-Infektion

Wenn Patienten mit (verschiedenen Formen von) Blutkrebs an COVID-19 erkranken, stirbt jeder 5.. Dies ergab die Analyse der Daten von 656 Patienten zwischen April und November 2020 aus dem ASH Research Collaborative COVID-19 Registry for Hematology. Von den Patienten, die im Krankenhaus oder auf der Intensivstation behandelt werden mussten, starben sogar 33%.

Das höchste Risiko zu sterben hatten Patienten, die älter waren, an schwerem COVID-19 erkrankt waren, die eine intensivere Therapie z. B. auf der Intensivstation erhalten hatten und die schon vor COVID-19 nach Einschätzung ihres Arztes eine schlechte Prognose hatten.

Patienten mit rezidivierter oder therapieresistenter Blutkrebs-Erkrankung hatten ein höheres Risiko, schwerer an einer SARS-CoV2-Infektion zu erkranken und daran zu sterben.

Die Ergebnisse der Analyse „unterstreichen die Tatsache, dass wir unsere Patienten ständig ermutigen sollten, entsprechende Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten, um sich vor einer Infektion zu schützen. Diese Patienten sollten bevorzugt getestet und dann auch bevorzugt geimpft werden, wenn ein sicherer und wirksamer Impfstoff verfügbar ist“, sagte Studienleiter Dr. Willam A. Wood, Universität von North Carolina, Chapel Hill, USA.

Andererseits habe man aber auch viele Patienten mit Blutkrebserkrankungen gesehen, die mit schwerem COVID-19 und Intensivtherapie überlebt hätten. Daher sollte man sie auf jeden Fall so gut und so intensiv wie möglich behandeln, sofern sie das wünschen.

Hämatologische Tumoren: Tranexamsäure verhindert Blutungen nicht

Die antifibrinolytisch wirkende Tranexamsäure verhindert bei prophylaktischer Gabe Blutungen bei stark thrombozytopenischen Patienten nicht, die sich einer Chemotherapie oder Stammzell-Transplantation wegen eines hämatologischen Tumors unterziehen mussten.

Dieses Ergebnis des American Trial Using Tranexamic Acid (TXA) in Thrombocytopenia (A-TREAT) erklärte Studienleiter Terry B. Gensheimer, University of Washington School of Medicine, Seattle (USA) damit, dass Patienten mit niedrigen Thrombozytenwerten und Blutkrebs andere Blutungen hätten, als Patienten mit Blutungen aufgrund einer Verletzung oder Operation: „Ihre Blutung ist wahrscheinlich auf einen Endothelschaden zurückzuführen, auf den Tranexamsäure nicht wirkt. Um diese Blutungen zu verhindern müssen wir versuchen, die Beseitigung des Endothelschadens zu beschleunigen, der mit Chemotherapie, Bestrahlung und bei Graft-versus-Host-Erkrankung nach Transplantation auftreten kann“.

In der Studie hatten 327 Patienten aus 3 US-amerikanischen Zentren, die sich einer Behandlung ihres Blutkrebserkrankung unterzogen, randomisiert prophylaktisch Tranexamsäure (1000 mg iv. oder 1300 mg oral) oder Placebo alle 8 Stunden erhalten

Die Häufigkeit von Blutungsereignissen, Erythrozyten- und Thrombozyten-Transfusionen unterschieden sich jedoch zwischen den beiden Gruppen während der Behandlungsperiode und über weitere 2 Wochen nicht. Bei den Patienten der Tranexamsäure-Gruppe kam es signifikant häufiger zu einem Verschluss des zentralen Venenkatheters.

Chronische Graft-versus-Host-Disease: Ruxolitinib erste wirksame Second-Line-Therapie

Der Januskinase(JAK)-1/2-Inhibitor Ruxolitinib erwies sich in einer Phase-3-Studie bei Patienten mit chronischer GvHD als deutlich wirksamer als die beste verfügbare alternative Therapie. Die REACH-3-Studie „ist die erste positive multizentrische randomisierte kontrollierte Studie bei chronischer Steroid-abhängiger oder Steroid-refraktärer GvHD“ so Studienleiter Dr. Robert Zeiser von der Universitätsklinik Freiburg im Breisgau. „Sie zeigt einen signifikanten Vorteil für Ruxolitinib und es ist wahrscheinlich, dass diese Ergebnisse zur Zulassung von Ruxolitinib für diese Indikation und zu einer Änderung der Leitlinien führen werden.“

In der offenen REACH3-Studie hatten 165 Patienten mit chronischer GvDH Ruxolinitib (6 Zyklen zu 28 Tagen) und 164 Patienten die beste verfügbare Therapie (BAT) erhalten. Die Studie erreichte den primären Endpunkt, auf die Ruxolitinib-Behandlung sprachen von der 125 ausgewerteten Patienten, die die kompletten Therapie durchlaufen hatten, 50%, auf BAT 26% komplett oder partiell an (Odds-Ratio 2,99, p = < 0,0001). Unter Ruxolitinib erreichten 7% ein komplettes Ansprechen, unter BAT 3%.

Unerwünschte Wirkungen vom Schweregrad ≥ 3 waren in beiden Gruppen mit 57% bzw. 58% vergleichbar häufig. Unter Ruxolitinib waren Anämie, Hypertonie, Fieber und Anstieg von Transaminasen häufiger als unter BAT.

Myelodysplastisches Syndrom (MDS): Stammzell-Transplantation auch bei älteren Patienten erfolgreich

Ein allogene Stammzell-Transplantation verdoppelt die Überlebensrate bei Patienten im Alter von 50 bis 75 Jahren mit myelodysplastischem Syndrom (MDSI im Vergleich zu hypomethylierender Therapie oder Best Supportive Care, so das Ergebnis der Blood and Marrow Transplant Clinical Trials Network Study 1102.

Obwohl bekannt ist, dass nur eine Stammzell-Transplantation kurativ beim MDS wirkt, wird dieses Verfahren meist nur jüngeren Patienten angeboten, weil der Nutzen bei Älteren bislang nicht nachgewiesen worden war. Diese Studie liefert nun den Nachweis, dass eine allogene Stammzell-Transplantation auch bei Älteren die Prognose verbessern kann.

„Basierend auf diesen Befunden sollten alle Patienten an ein Transplantationszentrum überwiesen werden, so dass die geeigneten Patienten, für die es einen passenden Spender gibt, transplantiert werden können und damit eine bessere Überlebenschance haben“, so Studienleiter Dr. Corey Cutler, Dana-Farber Cancer Institute, Boston.

In die offene Studie wurden 384 Patienten im medianen Alter von 67 Jahren mit MDS eingeschlossen. Für 260 Patienten wurde ein Spender identifiziert, sie unterzogen sich innerhalb von 90 Tagen einer Stammzell-Transplantation. 124 Patienten, für die kein Spender gefunden wurde, erhielten eine Standardtherapie.

Nach 3 Jahren lebten 47,9% der Patienten mit Spender und 26,6% ohne Spender (p = 0,0001). Die Überlegenheit der Stammzell-Transplantation konnte in allen Subgruppen nachgewiesen werden, auch für Patienten jünger oder älter als 65 Jahre.

Im Leukämie-freien Überlebens wurde nach 3 Jahren ein absoluter Unterschied von 15,2 Prozentpunkten beobachtet (35,8% vs. 20,6%; p = 0,003).

Die Lebensqualität unterschied sich in den beiden Studienarmen nicht.

Multiples Myelom: Daratumumab subkutan ähnlich wirksam wie bei Infusion

Subkutan appliziertes Daratumumab reduziert in der Zweitlinienbehandlung bei Patienten mit multiplem Myelom in Kombination mit Pomalidomid und Dexamethason das Risiko für Progression oder Tod um 37% im Vergleich zu Pomalidomid plus Dexamethason. Dieses Ergebnis der europäischen Phase-3-Studie APOLLO kommentierte Studienleiter Meletios A. Dimopoulos, Universität von Athen, bei einer Pressekonferenz: „Dies ist eine wirksame Kombination mit einem vorhersehbaren Sicherheitsprofil.“

Subkutan appliziertes Daratumumab sei für den Patienten viel einfacher und verkürze die Aufenthaltsdauer in der chemotherapeutischen Ambulanz erheblich. Die s.c.-Gabe dauere nur 5 Minuten, während der Patient für eine Infusion den ganzen Tag in der Ambulanz bleiben müsse.

In der APOLLO-Studie waren 304 Patienten in 12 europäischen Ländern randomisiert mit Pomalidomid und Dexamethason ohne oder mit Daratumumab s.c. behandelt worden. Die Therapie in der Daratumumab-Gruppe dauerte im Median 11,5 Monate, in der Vergleichsgruppe 6,6 Monate.

Der primäre Endpunkt wurde erreicht, die zusätzliche Gabe von Daratumumab s.c. verlängerte das progressionsfreie Überleben (PFS) signifikant (Hazard Ratio: 0,63, p = 0,0018). Das mediane PFS betrug im Daratumumab-Arm 12,4 Monate, im Vergleichsarm 6,9 Monate. Die Daten zum Gesamtüberleben sind noch nicht reif. Häufigste schwere Nebenwirkungen waren Neutropenie, Leukopenie, Lymphopenie, febrile Neutropenie und Pneumonie.

 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....