„Dies wird als eine der größten Errungenschaften der Wissenschaft und der medizinischen Forschung in die Geschichte eingehen. Vielleicht die beeindruckendste“, schreibt Prof. Dr. Eric Topol über die Entwicklung von SARS-CoV-2-Impfstoffen.
Auf Twitter hat der US-Kardiologe und Editor-in-Chief von Medscape, er forscht am Scripps Research Translational Institute, La Jolla, die wichtigsten Meilensteine auf diesem Weg zusammengestellt [1]. Topol will damit zeigen, „wie mehrere Jahre Arbeit auf Monate komprimiert worden sind“.
Meilensteine der Impfstoff-Entwicklung
Die wichtigsten Eckdaten im Überblick:
1. Dezember 2019: COVID-19 wird wissenschaftlich dokumentiert (der 1. Fall konnte bis zum 17. November 2019 zurückverfolgt werden).
10. Januar 2020: Der genetische Codes des SARS-CoV-2-Virus wird sequenziert.
15. Januar 2020: Die National Institutes of Health (NIH) entwickeln zusammen mit Moderna einen mRNA-Impfstoff.
16. März 2020: Moderna startet mit einer klinischen Phase-1/2-Studie.
2. Mai 2020: Pfizer und BioNTech beginnen mit einer klinischen Phase-1/2-Studie ihres mRNA-Impfstoffes.
14. Juli 2020: Moderna veröffentlicht Ergebnisse der Phase-1/2-Studie im NEJM .
27./28. Juli 2020: Moderna und Pfizer/BioNTech starten mit Phase-3-Studien.
12. August 2020: Pfizer/BioNTech publizieren Ergebnisse ihrer Phase-1/2-Studie in Nature .
22.-27. Oktober 2020: Abschluss der Aufnahme von Probanden in beide Phase-3-Studien; mehr als 75.000 Personen nehmen insgesamt teil.
9. November 2020: Pfizer/BioNTech melden nach einer Zwischenanalyse eine mehr als 90-prozentige Effektivität.
16. November 2020: Daten einer Zwischenauswertung von Moderna zeigen eine Effektivität von 90,5%.
18. November 2020: Pfizer/BioNTech geben als Endergebnis ihrer Phase-3-Studie eine 95-prozentige Effektivität an.
20. November 2020: Pfizer/BioNTech beantragen bei der US Food and Drug Administration eine Notfallzulassung (Emergency Use Authorization, EUA).
27. November 2020: United Airlines beginnt, Impfstoffe in den USA zu verteilen.
30. Novemver/1. Dezember 2020: Moderna und Pfizer/BioNTech beantragen bei der EMA die Zulassung (Conditional Marketing Authorisation (CMA)) für ihre Impfstoffe
2. Dezember 2020: Großbritannien erteilt als erstes Land der Welt die Zulassung für den Impfstpstoff von Pfizer/BioNTech. Laut dem Gesundheitsminister soll schon in der 2. Dezemberwoche mit den Impfungen begonnen werden.
10. Dezember 2020: Ein beratender Ausschuss der FDA für Impfstoffe tagt.
11. Dezember 2020: Ärzte können sich in den USA gegen SARS-CoV-2 impfen lassen. Die Centers of Disease Control and Prevention (CDC) sprechen von Phase 1a der Priorisierung, was begrifflich nicht mit klinischen Studien zu verwechseln ist. Im Anschluss soll Phase 1b mit anderen wichtigen Berufsgruppen und mit Risikogruppen folgen.
Was gut und was schlecht lief
Topol nimmt einzelne Ereignisse gründlicher unter die Lupe:
Bereits seit den 1990er-Jahren untersuchte Prof. Dr. Katalin Karikó, eine ungarische Biochemikerin, mRNAs an der University of Pennsylvania. Im Jahr 1998 traf sie den Immunologen Prof. Dr. Drew Weissman. Beide begannen, mRNAs in therapeutischem Kontext zu erforschen, scheiterten aber. Schon damals war klar, dass der Körper Ribonukleinsäuren schnell abbaut, bevor diese die Zielzellen erreichen. Bald darauf kürzte die Universität Karikós Budget und bremste damit ihre akademische Karriere.
Pioniere heute Chefs bei Impfstoff-Firmen
Doch Dr. Derrick Rossi interessierte sich damals für den neuen Ansatz. Er war später einer der Gründer von Moderna. Karikó arbeitet seit 2013 für BioNTech. Momentan ist sie Senior Vice-Presidentin.
Wie Topol berichtet, gelang es mit der neuen Technologie, innerhalb von nur 5 Tagen nach Veröffentlichung des genetischen Codes von SARS-CoV-2 mRNA-Impfstoffe zu entwickeln.
Zeitverlust für Moderna
„Moderna hatte einen Vorsprung, warum haben sie ihre Phase-3-Studie nicht als erste abgeschlossen?“, stellt der Experte als Frage in den Raum und liefert eine Erklärung dazu: „Als Teil der US-amerikanischen Initiative Operation Warp Speed (OWS) zur raschen Entwicklung von Impfstoffen wurden sie gebeten, die Registrierung [von Patienten für die Studie] zu verlangsamen, um eine bessere Vertretung von Minderheiten (in der Studienpopulation) zu erreichen.“
Operation Warp Speed ist bekanntlich eine öffentlich-private Partnerschaft der US-Regierung mit dem Ziel, die Entwicklung von Diagnostika, Therapeutika und Impfstoffen gegen COVID-19 zu beschleunigen. Dafür bekam die Firma finanzielle Zuschüsse.
Dr. Moncef Slaoui, Chief Advisor to Operation Warp Speed, sprach mit Modernas Unternehmensleitung und forderte, mehr Schwarze und Hispanics einzuschließen. Dabei unterstützte Dr. Anthony Fauci, Direktor des US National Institute of Allergy and Infectious Diseases, den Konzern.
Die New York Times schreibt: „Das Problem von Moderna schien für den Spätsommer 2020 angemessen zu sein, als die Vereinigten Staaten nicht nur von einer Pandemie, sondern auch von Unruhen über rassistische Ungerechtigkeiten heimgesucht wurden.“ Mit solchen Herausforderungen hatten Pfizer/BioNTech nicht zu kämpfen. Mittlerweile hat Moderna den Zeitverlust wettgemacht.
Medscape Nachrichten © 2020
Diesen Artikel so zitieren: Meilensteine der Entwicklung von SARS-CoV-2-Impfstoffen: Beeindruckende Leistung – doch nicht alles lief gut - Medscape - 2. Dez 2020.
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