Wie immer haben wir die 5 interessantesten Krebsstudien dieser Woche für Sie ausgewählt. Lesen Sie, wie im Blut zirkulierende Tumor-DNA bei Brustkrebs als früher Hinweis auf ein Rezidiv genutzt werden kann, MS-Patienten wohl doch kein erhöhtes Brust- und Darmkrebsrisiko haben, aber mehr Blasenkarzinome, welche häufigen Medikamente wahrscheinlich die Wirkung einer Krebstherapie mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren beeinträchtigen, wie ein „molekularer Kleber“ als neuer Wirkansatz gegen krebsauslösende Proteine wirkt und dass zirkuläre RNA als Prognosefaktor beim Magenkarzinom taugt.
Brustkrebs: Zirkulierende Tumor-DNA als früher Hinweis auf Rückfall
Doch kein erhöhtes Brust- und Darmkrebsrisiko bei MS, aber mehr Blasenkarzinome
Checkpoint-Inhibitoren: Welche Medikamente die Wirkung beeinträchtigen
„Molekularer Kleber“ ermöglicht bessere Entsorgung krebsauslösender Proteine
Magenkarzinom: Zirkuläre RNA als Prognosefaktor?
Brustkrebs: Zirkulierende Tumor-DNA als früher Hinweis auf Rückfall
Die Messung von zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA) kann helfen, bei Frauen mit Mammakarzinom das Ansprechen auf eine Therapie zu beurteilen sowie ein Fortschreiten der Erkrankung oder ein Rezidiv früher zu erkennen.
Zirkulierende Tumor-DNA wird von nekrotischen und abgestorbenen Krebszellen freigesetzt und kann bei Krebspatienten im Blut nachgewiesen werden. Ihre Menge wird durch die Tumorgröße und Tumorlast beeinflusst. Serielle Messungen der ctDNA können sich deshalb als nichtinvasives Monitoring des Ansprechens auf die Therapie und zum frühen Nachweis eines Rückfalls eignen.
Wie eine irische Arbeitsgruppe nun in JAMA Netw. Open berichtet, ergab eine systematische Übersicht mit Metaanalyse, dass bei Frauen der positive Nachweis von ctDNA bei frühem und bei metastasiertem oder fortgeschrittenem Brustkrebs signifikant mit einem kürzeren krankheitsfreien Überleben assoziiert war.
Mit Hilfe von ctDNA als klinischem Biomarker kann man das Wiederauftreten einer Erkrankung bei Patienten nach einer Brustkrebsbehandlung früh erkennen. In der personalisierten Medizin könnte sich ctDNA möglicherweise als Instrument zur Steuerung einer gezielten Therapie eignen.
Doch kein erhöhtes Brust- und Darmkrebsrisiko bei MS, aber mehr Blasenkarzinome
Patienten mit Multipler Sklerose (MS) haben im Vergleich zu Personen ohne MS eine erhöhte Inzidenz an Blasenkrebs. Die Inzidenz von Mamma- und Kolorektalkarzinom ist jedoch nicht erhöht.
Die ergab eine retrospektive Kohortenstudie in Manitoba und Ontario, Kanada, die in Neurology publiziert worden ist. Die kanadischen Forscher analysierten die Daten von 53.984 MS-Patienten und 266.920 Kontrollpersonen, die nach Geburtsdatum, Geschlecht und Region gematcht waren. Multivariable Analysen ergaben keine Unterschiede beim Risiko für Brustkrebs (HR: 0,92) oder Darmkrebs (HR: 0,83) zwischen den beiden Kohorten. „Das sind gute Nachrichten für Patienten mit MS, weil frühere Studien einen Zusammenhang von MS mit Brust- und Darmkrebs ergeben hatten“, so Dr. Ruth Ann Marrie, University von Manitoba, Winnipeg, Kanada, in einer Pressemitteilung der American Academy of Neurology.
Allerdings zeigte die Analyse, dass MS-Patienten ein 72% höheres Risiko für die Entwicklung eines Blasenkarzinoms hatten. Die Inzidenz lag bei MS-Patienten bei 25 Fällen/100.000 Personenjahren, in der Vergleichsgruppe bei 15 Fällen/100.000 Personenjahren.
„Das erhöhte Risiko für Blasenkrebs bei MS-Patienten könnte damit zusammen hängen, dass sie häufiger unter Harnwegsinfektionen leiden und Katheter verwenden“, meinte Marrie. „Weitere Forschungen sind erforderlich, um unsere Befunde zu bestätigen.“
Die Aussagekraft der Studie ist dadurch limitiert, dass die Ergebnisse zwar für Menschen mit mehreren Erkrankungen adjustiert wurden, Unterschiede im Verhalten wie Rauchen, Ernährung und körperliche Aktivität aber nicht berücksichtigt werden konnten. Zudem wurde der mögliche Einfluss der spezifischen MS-Therapien nicht berücksichtigt.
Checkpoint-Inhibitoren: Welche Medikamente die Wirkung beeinträchtigen können
Eine gleichzeitige Behandlung mit Glukokortikoiden, Antibiotika und Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI) kann das Ergebnis einer gegen Checkpoints gerichteten Immuntherapie bei Patienten mit nichtkleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC), Melanom, Nierenkarzinom und anderen Tumoren verschlechtern.
Schon länger ist bekannt, dass eine hoch dosierte Glukokortikoid-Gabe den Effekt einer Immuntherapie bei Krebspatienten beeinträchtigen kann. Eine italienische Arbeitsgruppe untersuchte nun in einer retrospektiven Studie mit Krebspatienten der Universitätsklinik Parma die Auswirkungen einer Behandlung mit Glukokortikoiden, systemischen Antibiotika, PPIs, Statinen, Acetylsalicylsäure, Metformin und ACE-Hemmern bei Beginn einer Behandlung mit einem Checkpoint-Inhibitor auf die Ansprechraten (ORR), das progressionsfreie Überleben (PFF) und das Gesamtüberleben (OS).
Die gleichzeitige Gabe von Glukokortikoiden (HR: 2,3; p < 0,0001), systemischen Antibiotika (HR: 2,07; p = 0,0016) und PPI (HR: 1,57; p = 0,0071) war signifikant mit einem erhöhten Sterberisiko assoziiert, wie die Forscher im European Journal of Cancer berichten.
Hierzu passen Ergebnisse, die eine US-amerikanische Arbeitsgruppe aus Boston in Clinical Cancer Research berichtet: Bei Glioblastom-Patienten, die mit einem Checkpoint-Inhibitor behandelt wurden und zu Therapiebeginn wegen zerebraler Ödeme Dexamethason erhalten hatten, war das Risiko zu sterben zweifach höher als bei den Patienten ohne Dexamethason-Behandlung.
Als eine Ursache für die Wechselwirkung vermuten die italienischen Autoren einen Einfluss dieser Substanzgruppen auf das Mikrobiom im Magen-Darm-Trakt. Nach ihrer Meinung sollte bei Patienten, die sich einer Immuntherapie unterziehen müssen, die gleichzeitige Gabe anderer Medikamente, die das Mikrobiom im Magen-Darm-Trakt verändern können, sorgfältig abgewogen werden.
„Molekulare Kleber“ ermöglichen Entsorgung krebsauslösender Proteine
So genannte „molekulare Kleber“ sind eine neue Klasse von zielgerichtet wirkenden Krebsmedikamenten. Sie induzieren Wechselwirkungen zwischen einem Protein und Komponenten des zellulären Systems, das dann nicht benötigte oder krebsfördernde Zellbestandteile entsorgt.
Forscher des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg, des Broad Institute vom MIT und der Harvard Universität in Cambridge sowie dem Dana-Farber Cancer Institute in Boston haben nun einen weiteren Mechanismus eines Wirkstoffmoleküls aus der Gruppe der „molekularen Kleber" aufgedeckt, nämlich von BI-3802, das am Protein BCL-6 angreift.
Das vermehrte Auftreten von BCL-6 in einer Zelle begünstigt die Entwicklung von B-Zell-Lymphomen. Bei Bindung von BI-3802 an BCL-6 sterben Lymphomzellen in vitro ab.
Untersuchungen der deutsch-amerikanischen Arbeitsgruppe zeigten nun, dass BCL-6 bei Behandlung mit BI-3802 lange Fasern bildet. BI-3802 „klebt“ einzelne BCL-6-Molekule zusammen, es begünstigt also deren Polymerisation.
„Dies ist die erste Studie, die zeigt, wie ein kleines Molekül krebsauslösende Proteine inaktivieren kann, indem es eine Polymerisation und die anschließende Entsorgung durch die Zelle induziert“, so Mikołaj Słabicki, Erstautor der in Nature publizierten Studie in einer Pressemitteilung. „Unser Ziel ist es, noch mehr solcher kleinen Moleküle zu identifizieren, die über einen ähnlichen Mechanismus arbeiten und krebstreibende Proteine unterschiedlicher Krebsarten vernichten können.“
Magenkarzinom: Zirkuläre RNA als Prognosefaktor?
Eine starke Expression von zirkulärer RNA (circRNA) korreliert bei Patienten mit Magenkarzinom mit einer negativen Prognose, während eine geringe Expression mit einem verbesserten Überleben assoziiert ist. Dies berichten chinesische Forscher in Cancer Medicine als Ergebnis eines systematischen Reviews mit Metaanalyse. Insgesamt hatten sie 35 Studien aus China aus den Jahren 2016 bis 2019 mit 3.135 Magenkarzinompatienten analysiert.
In 22 Studien wurde berichtet, dass eine hohe Expression von zirkulärer RNA auf eine schlechte Prognose hinwies, die Hazard Ratio lag im Vergleich zu niedriger Expression bei 1,83 (p < 0,001). Weitere 13 Studien ergaben, dass eine niedrige Expression von zirkulärer RNA mit der Prognose positiv korreliert war.
Außerdem fanden die Forscher, dass 2 Panels mit je 5 circRNA besonders aussagekräftige Ergebnisse liefern können. Weitere Untersuchungen sind erforderlich, um das optimale Panel zu definieren und um den prognostischen Nutzen zu bestätigen.
Medscape Nachrichten © 2020 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: 5 spannende Krebs-Studien zur Prognose bei Brustkrebs, dem Krebsrisiko bei MS und Arzneien, die die Immuntherapie stören - Medscape - 1. Dez 2020.
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