„Magic Mushrooms“ gegen Depressionen: Psilocybin in 1. kontrollierter Studie erfolgreich – neue Wege in der Psychiatrie?

Dr. Jürgen Sartorius

Interessenkonflikte

20. November 2020

Psilocybin, ein Molekül aus verschiedenen Pilzarten, so genannten „Magic Mushrooms“ bessert Symptome mittelschwerer bis schwerer Depressionen zusammen mit psychologischer Unterstützung nach nur 2 Sitzungen. Das berichten Forscher um Dr. Alan K. Davis vom Center for Psychedelic and Consciousness Research, Johns Hopkins School of Medicine Baltimore, in JAMA Psychiatry [1]. Es handelt sich um die 1. kontrollierte klinische Studie zu Psilocybin.

Prof. Dr. Gerhard Gründer

Obwohl nur eine geringe Fallzahl und keine Verblindung vorliege, sei die Studie ein weiterer Baustein hin zu einer möglichen Einführung dieses psychedelischen Wirkstoffes in die psychiatrische Therapie, erläutert Prof. Dr. Gerhard Gründer vom Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim gegenüber Medscape.

Klinische Studie mit 27 Patienten

Zur Studie: Die Forscher rekrutierten 27 Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Depression, von denen zunächst 15 eine Psilocybin-gestützte Therapie erhielten. Die restlichen 12 Patienten bekamen 8 Wochen später die gleiche Intervention, bildeten zuvor aber die Wartelisten-Kontrollgruppe.

Mehrere Wochen vor und während der Intervention und während der Nachbeobachtungszeit nahmen die Teilnehmer keine antidepressive Medikation ein. Dies erfolgte durch Absprache mit den Patienten selbst und/oder den betreuenden Ärzten.

Die Intervention bestand aus Psilocybin und 2 therapeutischen Sitzungen. Zu Beginn wurde eine mittlere Dosierung (20 mg/70 kg) und 1 Woche danach eine hohe Dosierung (30 mg/70 kg) Psilocybin oral verabreicht, begleitet von einer ganztägigen psychologischen Betreuung. Die Dosen entsprachen Erfahrungen aus einer anderen Studie des Untersuchungsteams. Patienten mit Risikofaktoren wie Drogenkonsum oder Suizidgefahr wurden nicht eingeschlossen.

„Dieses Vorgehen ist bei einer solchen Proof-of-Concept-Studie normal“, urteilt Gründer. „Schließlich muss sich eine solche Studie nicht nur mit der erhofften Wirkung, sondern auch möglicherweise gegebenen unerwünschten und unerwarteten Wirkungen auseinandersetzen.“ Tatsächlich berichten die Autoren lediglich von leichten Kopfschmerzen und emotionalen Regungen der Patienten, die aber nur am Tag der Psilocybin-Gabe auftraten und durch die begleitende Betreuung aufgefangen wurde.

2 von 3 Patienten mit signifikanter Besserung nach 1 Woche

Patienten hatten zu Beginn durchschnittlich 22,8 Punkte auf der standardisierten Hamilton-Skala für Depression (GRID-HAMD), was einer mittelschweren Depression entspricht. Dieser sank in Woche 1 bzw. 4 nach der Intervention auf durchschnittlich 8,0 bzw. 8,5. Diese deutliche Verbesserung der Symptomatik blieb über 4 Wochen bestehen. Bei 16 der 24 Teilnehmer, deren Daten vollständig ausgewertet werden konnten, verringerte sich schon nach 1 Woche die depressive Symptomatik um mindestens die Hälfte.

 
Diese Ergebnisse sind überzeugend und rechtfertigen das große Interesse, das dem Wirkstoff Psilocybin momentan auch hier in Deutschland entgegengebracht wird. Prof. Dr. Gerhard Gründer
 

In der Subgruppe mit analysierbaren Ergebnissen waren die Teilnehmer durchschnittlich 40 Jahre alt, zu zwei Dritteln weiblich, und hatten seit durchschnittlich 21,5 Jahren eine depressive Symptomatik, wobei die aktuelle Depression im Schnitt bereits etwa 2 Jahre bestand. Der Mindestwert lag nach GRID-HAMD-Score bei über 17, was einer mittelschweren Depression entspricht, der Durchschnitt bei 22,8, wobei ein Wert ab 24 als schwere Depression eingestuft wird.

„Diese Ergebnisse sind überzeugend und rechtfertigen das große Interesse, das dem Wirkstoff Psilocybin momentan auch hier in Deutschland entgegengebracht wird“, so Gründer. „Allerdings ist sie offen gestaltet, bildet lediglich einen kurzen Verlauf ab und schließt nur wenige Patienten ein.“

Psilocybin-Therapie als realistische Alternative?

In einem zeitgleich veröffentlichten Editorial bezieht sich Prof. Dr. Charles F. Reynolds, Direktor des Aging Institute, University of Pittsburgh, auf die begleitende persönliche Betreuung durch psychiatrisches Fachpersonal [2]. Er nennt pro Intervention 13 Stunden: ein Wert, der statistisch durchaus im Bereich der persönlichen Therapie bei Fällen von schwerer Trauerarbeit liegt. Insofern ordnet auch er die Psilocybin-gestützte Psychotherapie als realistische Option für langwierige und festgefahrene psychiatrische Behandlungswege ein.

Dem stimmt auch Gründer zu: „Wir brauchen neue Wege in der Psychiatrie. Dazu gehört auch der psychedelische Wirkstoff Psilocybin, der seit den 1950er Jahren bekannt ist, aber wegen seiner Nähe zu LSD als Therapieoption lange Zeit nicht weiterverfolgt wurde. So ist die Studie von Davis und Kollegen crowd-sourced finanziert, was möglicherweise auch einen Grund für die geringe Fallzahl darstellt.“

 
Wir brauchen neue Wege in der Psychiatrie. Dazu gehört auch der psychedelische Wirkstoff Psilocybin … Prof. Dr. Gerhard Gründer
 

Der Experte ergänzt: „Glücklicherweise gehen aber in der letzten Zeit die Bedenken der Behörden zurück, so dass es jetzt auch in Deutschland zu einer öffentlichen Förderung kommt, die größere prospektive kontrollierte klinische Studien mit Psilocybin ermöglichen werden.“

 

Kommentar

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