Depression: Patienten erlebten massive Einschränkungen beim 1. Lockdown – digitale Tools könnten ihnen helfen

Andrea Hertlein

Interessenkonflikte

19. November 2020

Jeder 2. Patient mit Depressionen hat während des Lockdowns im Frühjahr massive Einschränkungen bei der Behandlung seiner Erkrankung erlebt. Für einen kleineren Teil der Patienten waren Telefon- und Videosprechstunden eine gute Alternative. Das geht aus dem 4. „Deutschland-Barometer Depression“ hervor [1]. Ergebnisse der repräsentativen Umfrage wurden von der Stiftung Deutsche Depressionshilfe veröffentlicht. Sie hat im Juni/Juli 2020 genau 5.178 Personen zwischen 18 und 69 Jahren interviewt.

Menschen mit Depression leiden stärker an Folgen des Lockdowns

Depressiv Erkrankte seien durch Corona-Maßnahmen besonders betroffen, schreibt die Stiftung. So wurde der Lockdown im März von Patienten mit Depressionen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung als deutlich belastender erlebt (74% versus 59%). Erkrankte hätten fast doppelt so häufig unter der fehlenden Tagesstruktur wie die Allgemeinbevölkerung gelitten (75% versus 39%). Auch blieben Menschen mit Depressionen in häuslicher Isolation deutlich häufiger tagsüber im Bett als die Allgemeinbevölkerung (48% versus 21%).

„Lange Bettzeiten können die Depression jedoch weiter verstärken. Ein Teufelskreis beginnt“, erläutert Prof. Dr. Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Inhaber der Senckenberg-Professur an der Goethe-Universität Frankfurt/Main. Während mehr als die Hälfte der Allgemeinbevölkerung (58%) angab, dem veränderten Leben in der Corona-Krise auch Positives abzugewinnen, war dies bei nur 38% aller Patienten mit Depression der Fall.

 
Lange Bettzeiten können die Depression jedoch weiter verstärken. Ein Teufelskreis beginnt. Prof. Dr. Ulrich Hegerl
 

Viele fühlten sich der Umfrage zufolge auch noch viele Wochen nach dem Lockdown belastet. So gaben Im Juli 68% der depressiv Erkrankten und nur 36 % der Allgemeinbevölkerung an, die Situation als bedrückend zu empfinden.

Versorgungslücken bei Menschen mit psychischen Erkrankungen

Die Corona-Maßnahmen führen laut Stiftung zudem zu massiven Einschnitten in der Versorgung psychisch erkrankter Menschen: Jeder 2. Betroffene (48%) berichtete von ausgefallenen Behandlungsterminen beim Facharzt oder Psychotherapeuten während des Lockdowns. Und jeder 10. befragte Patient erlebte sogar, dass ein geplanter Klinikaufenthalt nicht stattfinden konnte. 13% gaben an, von sich aus Behandlungstermine aus Angst vor Ansteckung mit SARS-CoV-2 abgesagt zu haben.

„Hochgerechnet auf die Bevölkerung in Deutschland haben mehr als 2 Millionen depressiv erkrankte Menschen eine Einschränkung ihrer medizinischen Versorgung mit entsprechenden gesundheitlichen Folgen durch die Corona-Maßnahmen erlebt“, betont Hegerl. Nur bei Beachtung dieser negativen Folgen könne „die richtige Balance gefunden werden – eine Balance zwischen Leid und Tod, die durch die Corona-Maßnahmen einerseits möglicherweise verhindert und andererseits konkret verursacht werden“.

 
Hochgerechnet auf die Bevölkerung in Deutschland haben mehr als 2 Millionen depressiv erkrankte Menschen eine Einschränkung ihrer medizinischen Versorgung mit entsprechenden gesundheitlichen Folgen durch die Corona-Maßnahmen erlebt. Prof. Dr. Ulrich Hegerl
 

Videosprechstunden finden große Akzeptanz

Digitale Angebote gewannen laut Stiftung während der Corona-Pandemie an Bedeutung: 14% aller Patienten, die aktuell an einer Depression leiden, hätten von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und in der Corona-Zeit zum 1. Mal Behandlungsangebote per Telefon oder Video genutzt.

Viele Patienten seien mit den Telefon-und Video-Sprechstunden beim Psychotherapeuten sehr zufrieden: 82% bzw. 85% bewerten diese positiv. Auch im Zeitverlauf zeigte sich eine größere Akzeptanz digitaler Angebote: Beim ersten Deutschland-Barometer Depression 2017 sahen 40% aller Menschen mit Depression Online-Programme als hilfreiche Unterstützungen, mittlerweile seien es 55%.

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de

 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....