DALLAS – Die intravenöse Gabe von Eisencarboxymaltose kann bei Patienten mit Eisenmangel, deren akute Herzinsuffizienz bei einem Krankenhausaufenthalt stabilisiert worden ist, das Risiko für eine erneute Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz signifikant um 26% im Vergleich zu Placebo verringern. Auf das Risiko eines kardiovaskulär bedingten Todes hat die Eisensubstitution allerdings keinen Einfluss.
Dies ergab die multizentrische, randomisierte, doppelblinde AFFIRM-AHF-Studie, die Prof. Dr. Piotr Ponikowski, Abteilung Kardiologie der Universitätsklinik Breslau, Polen, in einer Late-Breaker-Sitzung bei den virtuellen Scientific Sessions 2020 der American Heart Association (AHA) vorgestellt und parallel im Lancet publiziert hat [1,2].
Einschränkung der Studie: Der aus Rehospitalisierung und kardiovaskulärem Tod zusammengesetzte primäre Endpunkt erreichte keine statistische Signifikanz (p = 0,059).
Dennoch lautete Ponikowskis Fazit, dass eine intravenöse Gabe von Eisencarboxymaltose bei Patienten mit Eisenmangel (definiert als Ferritin <100 μg/l oder 100–299 μg/l mit Transferrin-Sättigung < 20%) und einer linksventrikulären Auswurffraktion von höchstens 50% (Studien-Einschlusskriterium), die wegen akuter Herzinsuffizienz hospitalisiert waren, sinnvoll sei, um weitere Krankenhauseinweisungen wegen Herzinsuffizienz zu verhindern: „Ein Eisenmangel ist durch einfache Blutuntersuchungen leicht nachweisbar. Er ist ein wichtiges Target bei Patienten mit Herzinsuffizienz.“
Prof. Dr. John McMurray, BHF Cardiovascular Research Centre, University of Glasgow und Queen Elizabeth University Hospital, Glasgow, Schottland, UK, meinte als Kommentator der Studie: „Die Millionen-Dollar-Frage ist natürlich, was die Ergebnisse dieser Studie für die Leitlinien bedeuten werden.“ Seiner Meinung nach werden sie geändert, denn vor allem in den US-amerikanischen Leitlinien wird i.v. Eisen derzeit nur mit einem niedrigen Evidenzgrad empfohlen.
Auch Prof. Dr. Mark Pfeffer, Brigham and Women's Hospital, Boston, USA, betonte in einem Statement bei einer Pressekonferenz der AHA, dass die Studie für ihn deutlich gemacht habe, dass es durch die Modifikation des Risikofaktors Eisenmangels möglich sei, die Prognose der Patienten zu verbessern.
Eisenmangel häufig bei Herzinsuffizienz
Bei bis zu 80% der Patienten mit akuter Herzinsuffizienz besteht ein Eisenmangel. Er geht mit reduzierter Belastbarkeit, schlechter Lebensqualität und erhöhtem Risiko für eine Hospitalisierung oder Tod einher.
In der FAIR-HF-, der CONFIRM-HF- und der EFFECT-HF-Studie konnte gezeigt werden, dass durch eine intravenöse Eisensubstitution Belastbarkeit, Symptome und Lebensqualität von Herzinsuffizienz-Patienten mit Eisenmangel verbessert werden konnten. Die Studien umfassten aber relativ wenig ambulante Patienten und 2 Studien liefen nur über jeweils 24 Wochen.
Unklar war bislang, wie sich die Gabe von intravenösem Eisen bei Patienten mit Eisenmangel nach Stabilisierung einer akuten Herzinsuffizienz bei der Entlassung aus dem Krankenhaus auswirkt. Dieser Frage wurde nun in der AFFIRM-AHF-Studie nachgegangen.
Patienten aus 121 Zentren
In die Studie wurden zwischen März 2017 und Juli 2019 in 121 Zentren in Europa, Südamerika und Singapur Patienten aufgenommen, die wegen einer akuten Herzinsuffizienz hospitalisiert worden waren. Sie litten an einem Eisenmangel und ihre linksventrikuläre Auswurffraktion lag unter 50%.
Nach klinischer Stabilisierung wurden sie vor der Entlassung randomisiert. 558 Patienten erhielten Eisencarboxymaltose, 550 Placebo über bis zu 24 Wochen. Die Dosierung und Applikationshäufigkeit richtete sich nach dem Hämoglobinspiegel. Die erste Eisendosis wurde bei der Entlassung verabreicht. Weitere Gaben erfolgten nach 6 Wochen sowie, falls erforderlich, nach 12 und 24 Wochen.
Der kombinierte primäre Endpunkt umfasste die erneuten Krankenhausaufnahmen wegen Herzinsuffizienz und die kardiovaskulären Todesfälle nach 52 Wochen. Zu den sekundären Endpunkten gehörten u.a. die Einzelkomponenten des primären Endpunkts.
Aufgrund der Empfehlungen der European Society of Cardiology, der Europäischen Zulassungsbehörde (EMA) und der Food and Drug Administration (FDA) war eine Prä-COVID-Sensitivitätsanalyse vordefiniert worden. Die Daten der modifizierten Intention-to-Treat-Population wurden in jedem Land zusätzlich zu dem Zeitpunkt analysiert, zu dem der erste COVID-19-Fall berichtet worden war.
Die demographischen Parameter der beiden Gruppen waren gut vergleichbar und die Herzinsuffizienz aller Patienten wurde standardmäßig therapiert.
Der kombinierte Endpunkt trat bei 293 Patienten der Eisencarboxymaltose-Gruppe und bei 372 Patienten unter Placebo auf. Dies bedeutet eine Rate Ratio von 0,79. Die Risikosenkung von 21% war mit einem p-Wert von 0,059 aber knapp nicht signifikant.
Die Risikosenkung des kombinierten Endpunkts war in erster Linie auf eine Senkung der erneuten Krankenhausaufnahmen wegen einer Herzinsuffizienz zurück zu führen. Sie war bei 217 Eisen-substituierten und bei 294 Placebo-Patienten erforderlich. Dies bedeutet eine signifikante Risikosenkung von 26% (p = 0,013).
Kardiovaskulär bedingt starben mit Eisensubstitution 77 Patienten, unter Placebo 78 Patienten. Die Eisensubstitution hatte damit auf die kardiovaskuläre Sterblichkeit keinen Effekt gezeigt. Die COVID-19-Sensitivitätsanalyse führte zu den in der Tabelle dargestellten Ergebnissen.
Tabelle: Primäre und sekundäre Endpunkte in der AFFIRM-AHF-Studie
|
mITT-Population RR HR (95%-KI) |
Prä-COVID-Sensitivitätsanalyse RR oder HR (95%-KI) |
Primärer kombinierter Endpunkt (Hospitalisierung plus kardiovaskulärer Tod) |
RR: 0,79 (0,62-1,01) |
RR: 0,75 (0,59-0,96) |
Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz |
RR: 0,74 (0,58-0,94) |
RR: 0,70 (0,55-0,90) |
Kardiovaskulärer Tod |
HR: 0,96 (0,70-1,32) |
HR: 0,94 (0,68-1,29) |
Erste Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz oder kardiovaskulärem Tod |
HR: 0,80 (0,66-0,98) |
HR: 0,79 (0,65-0,97) |
Kardiovaskulär bedingte Hospitalisierungen und Todesfälle |
RR: 0,80 (0,64-1,00) |
RR: 0,77 (0,62-0,97) |
RR = Risk Ratio, HR = Hazard Ratio
Der primäre kombinierte Endpunkt war zum Zeitpunkt der COVID-Sensitivitätsanalyse signifikant. Ponikowski spekulierte, dass ein lückenhafteres Follow-up oder Hospitalisierungsartefakte den vor der COVID-19-Pandemie beobachteten Effekt zunichte gemacht haben könnten.
Für Diskutant McMurray ist die Frage, wieviel Bedeutung man der COVID-Sensitivitätsanalyse zumessen sollte, da es sich ja nicht um die primäre Analyse gehandelt hat.
Die Behandlung mit Eisencarboxymaltose war sicher. Zwischen den beiden Gruppen zeigten sich keine Unterschiede bei schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen (45% gegenüber 51%) oder bei den unerwünschten Ereignissen, die zum Abbruch der Studie führten (18% gegenüber 17%).
Zur Wirkung von intravenösem Eisen auf Mortalität und Morbidität bei ambulanten Patienten mit Herzinsuffizienz laufen derzeit noch die Studien FAIR-HF2 und HEART-FID. Außerdem werden weitere Erkenntnisse zu intravenöser Eisen-Isomaltose aus der schottischen IRON-MAN-Studie mit 1.300 Patienten im nächsten Jahr erwartet.
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Diesen Artikel so zitieren: AFFIRM-AHF-Studie: Eisenmangel bei Herzinsuffizienz auszugleichen scheint sich zu lohnen – ein Fall für die Leitlinien? - Medscape - 16. Nov 2020.
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