Jetzt nur keine Kita- oder Schulschließung! Doch Wissenschaftler fordern weitergehenden Corona-Schutz

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

11. November 2020

Erneute Schließungen vermeiden und digitales Lernen vorantreiben – diese Strategie für die Schulen während der Corona-Pandemie hat die Bundesregierung bereits Mitte August kommuniziert. Gleichzeitig sollen private Kontakte stark eingeschränkt werden.

Doch seither sind die Infektionszahlen rapide angestiegen. Nach aktuellen Medienberichten sollen derzeit bereits mehr als 300.000 Schülerinnen und Schüler in Quarantäne sein. Ende September hatte dies Zahl noch bei 50.000 gelegen. Unter den Lehrern sollen bundesweit 30.000 in Quarantäne sein. Die Zahlen basieren auf Angaben des Deutschen Lehrerverbands und werden von Bild zitiert. Schon im Vorfeld haben Experten in Schulen strengere Regeln gefordert, die bundesweit gelten.

 
So ist es bei konsequentem Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in der Klasse möglich, die Zahl der Kontaktpersonen 1. Grades … und Quarantäne-Notwendigkeit auf die in direkter Umgebung sitzenden Schüler einzugrenzen. Dr. Folke Brinkmann
 

„Eine Umsetzung der AHA-Regeln – insbesondere das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes von Lehrern und Schülern, regelmäßiges Lüften sowie eine Trennung der Gruppen/Klassen – sind nach aktuellen Erkenntnissen sinnvoll, um Infektionsraten zu verringern“, erklärt Dr. Folke Brinkmann gegenüber dem Science Media Center. Sie ist Oberärztin für Pädiatrische Pneumologie und Allergologie, Katholisches Klinikum Bochum – Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum.

Brinkmann argumentiert: „So ist es zum Beispiel bei konsequentem Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in der Klasse möglich, die Zahl der Kontaktpersonen 1. Grades mit hohem Infektionsrisiko und Quarantäne-Notwendigkeit auf die in direkter Umgebung sitzenden Schüler einzugrenzen.“ Doch einheitliche Regelungen zur Maskenpflicht fehlen bislang.

Kritik von Elternverbänden

„Sicherheit für Bildung in der Pandemie“, ein Zusammenschluss mehrere Elterninitiativen, fordert in einem offenen Brief verstärkte Maßnahmen. Unter anderem wünscht man sich kleinere Lerngruppen, damit sich die AHA-Regel besser einhalten lässt. Für mehr Sicherheit sollen auch neu zu installierende Raumluft-Filteranlagen sorgen. Darüber hinaus sollen digitale Formate weiter ausgebaut werden – inklusive administrativer Unterstützung.

Nicht zuletzt bringt auch das Gremium eine Maskenpflicht für die Klassenräume ins Gespräch, vor allem bei steigenden Fallzahlen. „Wir fordern die Bereitstellung hochwertiger Masken (FFP2) für alle Personen mit einem erhöhten Risiko“, heißt es weiter.

Viele Forderungen decken sich mit den Empfehlungen des RKI für die Schulen. Das RKI empfiehlt zur Prävention ebenfalls Maßnahmen wie die AHA-Regel – und speziell Masken, falls der Mindestabstand von 1,5 m nicht einzuhalten ist. Pädagogisches Personal sollte generell einen Mund-Nasen-Schutz tragen. „Maßnahmen gelten innerhalb und außerhalb des Schulsettings“, so das RKI. Schulschließungen bleiben als Ultima Ratio, falls es zu Ausbrüchen kommt.

Wissenschaftliche Unterstützung kommt von der Gesellschaft für Virologie (GfV): Die Experten warnen vor Aerosolen in engen Räumen bei schlechter Lüftung und hohen Schülerzahlen.

Welche Rolle spielen Kinder bei der Pandemie?

Bleibt als Frage, welche Rolle Kinder und Jugendliche als mögliche Überträger von SARS-CoV-2 spielen. Brinkmann verweist auf mehrere Untersuchungen wie die Düsseldorfer Kita-Studie oder die Safe-Kids Studie: „Hier sind jeweils kaum Infektionen bei Kindern nachgewiesen worden.“ Dies werde auch vom RKI so dargestellt.

 
Insgesamt erschwert die wahrscheinlich große Zahl asymptomatischer Infektionen bei Kindern und Jugendlichen die Erhebung verlässlicher Daten. Dr. Folke Brinkmann
 

„In Grundschulen wird aktuell in den meisten Bundesländern im Klassenraum kein Mund-Nasen-Schutz getragen“, fasst Brinkmann zusammen. „Die Zahlen der Ausbrüche in den Grundschulen sind gestiegen, eine Auswertung der Infektionsgeschehen bei den Sechs- bis Zehnjährigen von März bis August 2020 in Deutschland zeigt jedoch im Vergleich zu den älteren Schülern eine geringere Zahl an Ausbrüchen und Infizierten.“

Die Expertin weiter: „In weiterführenden Schulen in Deutschland – aber auch in anderen Ländern wie Israel – wurden Ausbrüche beschrieben, während andere Studien aus Australien, Irland und Frankreich nur wenige Ansteckungen beschreiben.“ Ihr Resümee: „Insgesamt erschwert die wahrscheinlich große Zahl asymptomatischer Infektionen bei Kindern und Jugendlichen die Erhebung verlässlicher Daten.“

Kita- und Schulschließungen: Es gibt bessere Maßnahmen

Mehrere Bundesländer überlegen zumindest, Kitas und Schulen im schlimmsten Fall zu schließen. „Da aber gerade Kitas und Grundschulen wahrscheinlich in kleinerem Maße zur Verbreitung der Infektionen beitragen und in den weiterführenden Schulen durch Einhaltung der Hygieneregeln inklusive des Tragens eines Mund-Nasen-Schutzes das Risiko einer Infektion gesenkt werden kann, ist es wahrscheinlich gesellschaftspolitisch sinnvoller, die Öffnung der Institutionen, Größe der Gruppen und weitere Maßnahmen an dem Infektionsgeschehen in den jeweiligen Einrichtungen zu orientieren“, erklärt Brinkmann.

 
Eine komplette Schließung der Schulen hat zwar nach Metaanalysen auch einen Einfluss auf das Infektionsgeschehen, ist aber weniger effektiv als andere Interventionen. Dr. Folke Brinkmann
 

„Eine komplette Schließung der Schulen hat zwar nach Metaanalysen auch einen Einfluss auf das Infektionsgeschehen, ist aber weniger effektiv als andere Interventionen, zum Beispiel Reisebeschränkungen oder Begrenzung von Veranstaltungen“, so Brinkmann.

 

Kommentar

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