Das Coronavirus hinterlässt auch nach überstandener Infektion oftmals Spuren im Körper, selbst dann, wenn die Infektion symptomlos verlaufen ist. Da die Schwere der Symptomatik der vorausgegangenen Infektion bisher keine Vorhersagen hinsichtlich dieser Veränderungen zulässt, diskutieren Experten, wann und unter welchen Bedingungen es verantwortbar ist, Patienten nach überstandener Infektion wieder an ihre physischen Belastungsgrenzen heranzuführen. 2 Studien haben jetzt Algorithmen dazu veröffentlicht.
Da eine COVID-19-Infektion bei aktiven Sportlern, also mehrheitlich jüngeren und gesunden Menschen, meistens einen milden oder komplett symptomlosen Verlauf nimmt, wollen diese in der Regel bereits nach kurzer Zeit ihr unterbrochenes Training wiederaufnehmen. Bei Leistungssportlern kommt oft noch der Druck durch Trainer und Umfeld hinzu.
Kardiale MRT-Bilder zeigen Veränderungen nach COVID-19-Infektion
Eine Studie der Gruppe um Prof. Dr. Eike Nagel, Leiter des Instituts für Experimentelle und Translationale Kardiovaskuläre Bildgebung der Universität Frankfurt, zeigte im Sommer 2020 allerdings, dass 78% von 100 Patienten im Alter von 45 bis 53 Jahren ohne oder nur mit milden Vorerkrankungen nach überstandener COVID-19-Infektion Veränderungen im kardialen MRT aufwiesen [1]. Bei 60% von ihnen wurde ein myokardiales Entzündungsgeschehen und bei 71% erhöhte Troponinwerte dokumentiert.
Dabei standen weder die Zeit noch die Schwere des Krankheitsverlaufes in einem Zusammenhang mit der Schwere der kardialen Untersuchungsergebnisse. Lediglich 33% der Patienten waren zuvor hospitalisiert und es gab unter ihnen keine Leistungssportler.
Als Kontrolle verwendeten die Spezialisten für kardiale MRT entsprechende Werte von 107 statistischen Zwillingen aus ihrer Datenbank. Die 100 Teilnehmer werden weiter beobachtet und weitere Verlaufsdaten wahrscheinlich im 1.Quartal 2021 publiziert, wie Nagel mitteilt.
Studie zur frühzeitigen Detektion von Folgeschäden einer Corona-Infektion
Diese und andere Ergebnisse haben eine Debatte angestoßen, inwieweit aktive Sportler nach einer COVID-19-Infektion nicht nur mit Leistungseinbußen, sondern auch gesundheitlichen Risiken rechnen müssen. „Leider können wir dazu noch keine wirklich evidenzbasierten Empfehlungen für die Praxis ableiten“, beurteilt Prof. Dr. Hans-Georg Predel, Leiter des Instituts für Kreislaufforschung und Sportmedizin der Sporthochschule Köln, die Sachlage. „Momentan fehlen uns einfach noch belastbare Daten.“
Allerdings ist er dabei, zusammen mit anderen universitären sportmedizinischen Institutionen sowie den Olympiastützpunkten eine vom Bundesinstitut für Sportwissenschaften geförderte multizentrische prospektive Studie mit mehreren tausend Athleten, aber auch anderen sportlich aktiven Patienten zu initiieren.
„Hier geht es um die frühzeitige Detektion möglicher Folgeschäden einer überstandenen akuten Corona-Infektion und es ist klar, dass wir unser Augenmerk neben der Lunge auch in besonderem Masse auf das Herz richten werden.“
Diese geplante Studie wird – neben einer differenzierten Leistungsdiagnostik – Echokardiographien, Langzeit-Elektrokardiogramme (24-h-EKGs), kardiale MRT-Untersuchungen, hochsensitive Troponin-Tests, pulmonale Leistungstestungen sowie andere Biomarker umfassen. Darüber hinaus wird eine Kontrollgruppe aus statistischen Zwillingen rekrutiert, bei denen keine COVID-19-Diagnose gestellt wurde.
„Aber bis die Ergebnisse vorliegen, brauchen wir natürlich schon jetzt Algorithmen, um das Risiko von Sportlern einzuschätzen, die nach einer überstandenen COVID-19 Infektion wieder an ihre Leistungen anknüpfen wollen, egal ob im Leistungs- oder im Freizeitbereich“, stellt Predel fest.
Erste Algorithmen zur Entscheidungsfindung
Die 2 jetzt dazu im Journal of American Medical Association (JAMA) Cardiology erschienen Publikationen stützen sich beide auf retrospektive Daten von Leistungssportlern. Die eine von Dr. Jonathan Kim, Emory Clinical Cardiovascular Research Institute, Atlanta, USA, und betreuender Kardiologe eines Football-Teams, bezieht keine MRT-Daten ein, wenn ansonsten keine Hinweise auf eine kardiale Symptomatik vorliegen [2].
Die andere von Prof. Dr. Mathew G Wilson, Institute of Sport Exercise and Health, London, UK, empfiehlt dagegen routinemäßige Untersuchungen der Herzfunktion durch EKG und Echokardiographie und auch MRT, wenn es in der Anamnese der Athleten bereits zu irgendwelchen kardialen Abnormitäten gekommen war [3].
„Diese beiden unterschiedlichen diagnostischen Strategien spiegeln nicht nur eine unterschiedliche Sichtweise beiderseits des Atlantiks wider“, meint Predel dazu, „sondern auch die momentan noch unklare Situation und Datenlage. Dazu gehört leider auch, dass wir über die Situation bei jugendlichen Sportlern, die in Vereinen oder sogar nur im privaten Bereich trainieren, noch viel zu wenig wissen.“
Allerdings bietet die US-amerikanische Gruppe einen komplexen Algorithmus an, der spezielle Vorgehensweisen für Kinder und Jugendliche (unter und über 15 Jahren), Freizeit- und Leistungssportler beinhaltet. Kardiologische MRTs werden dort allerdings nur bei entsprechenden Verdachtsmomenten, aber nicht als Routine empfohlen.
Gründliche Untersuchung vor Wiederaufnahme des Sports empfohlen
„Kardiale MRT-Diagnostik, wie wir sie unserem Haus betreiben, steht in Deutschland allein schon wegen der Vergütungssituation nicht ad hoc flächendeckend zur Verfügung“, meint Nagel dazu. „Aber auch radiologische Praxen könnten mit weniger speziellen Methoden und rasch geschaffenen vorübergehenden Abrechnungsmöglichkeiten viel zur Abklärung möglicher kardialer Problematik beitragen. Das sind wir insbesondere auch jungen Patienten schuldig, die sich schneller von einer COVID-19-Infektion erholen, aber vielleicht ihre subjektive Symptomatik selber weniger gut einschätzen können.“
„Bisher ist zum Glück noch kein fataler kardialer Vorfall nach einer überstandenen COVID-19 Infektion beim Sport bekannt geworden“, resümiert Predel. „Ich empfehle aber jedem, der nach einer überstandenen COVID-19-Infektion wieder Sport treiben möchte, – was ja unbedingt zu empfehlen ist – eine gründliche ärztliche Untersuchung, die auch das Herz-Kreislaufsystem umfasst.
Das gilt natürlich in besonderem Maße bei Beschwerden wie etwa Herzrhythmusstörungen. Neben allen sportlich Aktiven sollten wir auch Allgemeinmediziner und Trainer hierfür sensibilisieren und anraten, im Zweifel auch eine Trainings- und Wettkampfpause einzuhalten.“
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Diesen Artikel so zitieren: Sport nach überstandener Corona-Infektion: Welche Sicherheits-Checks Experten für angebracht halten - Medscape - 9. Nov 2020.
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