Körperliche Entwicklung von Kindern weltweit: Bis zu 20 cm Unterschied bei der Größe und 25 kg beim Gewicht

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

16. November 2020

In vielen Ländern weltweit entwickeln sich Kinder bis zum Alter von 5 Jahren normal. Doch danach verlangsamt sich oft ihr Wachstum, was auf eine schlechte Ernährung hindeutet. Das berichten Forscher der NCD Risk Factor Collaboration jetzt in The Lancet [1]. Basis ihrer Analyse waren 2.181 bevölkerungsbezogene Studien mit Angaben zur Größe und zum Gewicht von 65 Millionen Teilnehmern aus 200 Ländern im Alter von 5 bis 19 Jahren.

Experte warnt: Schulkinder oft schlecht versorgt

Die Körpergröße und der Body-Mass-Index (BMI) sind Indikatoren für eine gesunde Ernährung und für gesunde Umweltbedingungen. Eine geringe Körpergröße und/oder ein zu niedriger BMI erhöhen die Morbidität bzw. die Mortalität und beeinträchtigen die kognitive Entwicklung. In ähnlicher Weise ist aber auch ein hoher BMI im Kindes- und Jugendalter mit einem höheren Risiko und einem früheren Auftreten chronischer Krankheiten wie Typ-2-Diabetes und Bluthochdruck, vorzeitigem Tod im Erwachsenenalter sowie schlechter psychischer Gesundheit und schlechten schulischen Leistungen verbunden.

 
Nationale Ernährungs- und Gesundheitsprogramme sollten auf ältere Kinder und Jugendliche ausgeweitet werden … Prof. Dr. Majid Ezzati
 

Bei der Körpergröße gab es in den ausgewerteten Ländern immense Unterschiede – mit 20 cm Differenz bei 19-Jährigen, wenn man Länder mit der maximalen und minimalen Größe vergleicht. Das entspricht einer zeitlichen Wachstumslücke von 8 Jahren für Mädchen oder 6 Jahren für Jungen. Beispielsweise waren 19-jährige Jungen in Timor-Leste und Laos genauso groß wie 13-jährige Jungen in den Niederlanden.

Ähnliche Trends fanden die Forscher beim BMI. Hier betrug der maximale Unterschied zwischen Ländern mit den niedrigsten und den höchsten Werten etwa 9-10 kg/m². 19-jährige Mädchen aus Tonga hatten im Schnitt Werte von 29 kg/m²; bei 19-jährigen Mädchen aus Timor-Leste waren es 19,6 kg/m². Das entspricht einem Gewichtsunterschied von rund 25 kg.

 
Wir müssen den Zugang zu erschwinglichen, gesunden Lebensmitteln in der Schule und in der Gemeinschaft verbessern … Prof. Dr. Majid Ezzati
 

„Diese massiven globalen Unterschiede spiegeln das Ungleichgewicht zwischen erfolgreichen Bemühungen zur Verbesserung der Ernährung und des Wachstums in den ersten Jahren im Vergleich zu Kindern und Jugendlichen im Schulalter wider, die in vielen Ländern weitgehend übersehen wurden“, kommentiert Prof. Dr. Majid Ezzati vom Imperial College London in einer Pressemitteilung des Journals. Er ist der leitende Autor der Studie.

„Nationale Ernährungs- und Gesundheitsprogramme sollten auf ältere Kinder und Jugendliche ausgeweitet werden, um ein gesundes Wachstum und eine gesunde Entwicklung zu ermöglichen“, so Ezzati. „Wir müssen den Zugang zu erschwinglichen, gesunden Lebensmitteln in der Schule und in der Gemeinschaft verbessern, sowohl durch Gutscheine für gesunde Lebensmittel und kostenlose Programme für gesunde Schulmahlzeiten für einkommensschwache Familien als auch durch Vorschriften und Steuern, um Kinder vor ungesunden Lebensmitteln zu schützen.“

Länder mit den größten und kleinsten 19-Jährigen

Zu den Details: Die größten 19-Jährigen, Stand 2019, waren vor allem in Nordwest- und Mitteleuropa zu finden, etwa in den Niederlanden (Jungen 183,8 cm, Mädchen 170,4 cm), in Montenegro (183,3 cm bzw. 170,0 cm), Island (182,1 cm bzw. 168,9 cm) und Dänemark (181,9 cm; 169,5 cm). In Großbritannien hatten 19-jährige Jungen eine durchschnittliche Größe von 178,2 cm und Mädchen von 163,9 cm. Für Deutschland geben die Forscher 180,3 cm bzw. 166,2 cm an.

Im Unterschied dazu fanden sie die kleinsten 19-jährigen Jungen vor allem in Süd- und Südostasien, Lateinamerika und Ostafrika, einschließlich Timor-Leste (160,1 cm), Laos (162,8 cm) und Papua-Neuguinea (163,1 cm). In Guatemala (150,9 cm), Bangladesch (152,4 cm) und Nepal (152,4 cm) waren die kleinsten Mädchen.

Viel getan hat sich in Schwellenländern. Beispielsweise waren 19-jährige Jungen in China im Jahr 2019 rund 8 cm größer als in 1985. Im Gegensatz dazu ist die durchschnittliche Größe der Kinder in vielen afrikanischen Ländern südlich der Sahara seit 1985 unverändert geblieben oder sogar gesunken.

Länder mit den höchsten und niedrigsten BMI-Werten

Im weltweiten Vergleich unterschieden sich die höchsten und niedrigsten BMI-Werte um 9-10 kg/m², was in etwa einer Gewichtsdifferenz von 25 kg entspricht.

19-Jährige mit dem höchsten durchschnittlichen BMI lebten u.a. auf den Pazifikinseln (rund 29 kg/m² bei Jungen und Mädchen), in den USA (25,4 kg/m² bei Jungen und Mädchen) und in Neuseeland (Jungen 24,7 kg/m², Mädchen 25,0 kg/m²). Für Deutschland geben die Wissenschaftler 23,3 kg/m² bei Jungen und 22,6 kg/m² bei Mädchen an.

Am anderen Ende der Skala waren 19-Jährige aus Südasien (z.B. Indien, Bangladesch), Ost- und Zentralafrika (z.B. Äthiopien und Tschad) mit Werten von 21 kg/m² oder weniger zu finden.

Schlechte Versorgung während der Schulzeit

Die weltweite Studie zeigt, dass Kinder in vielen Ländern bis zum Alter von 5 Jahren gesund heranwachsen. Ihre Größe und ihr Gewicht liegen laut WHO-Definition innerhalb der Normalwerte. Ab Beginn der Schulzeit weichen sie aber oft davon ab, etwa durch ein zu langsames Wachstum oder durch einen zu hohen BMI.

Dies traf insbesondere auf Länder mit mittlerem Einkommen in Lateinamerika und der Karibik (z.B. Chile und Uruguay), im Nahen Osten und in Nordafrika (z.B. Vereinigte Arabische Emirate) sowie in Afrika südlich der Sahara (z.B. Mauritius und Südafrika) zu. Dort hatten Kinder im Alter von 5 Jahren die optimale Größe, waren im Alter von 19 Jahren jedoch mehr als 2 cm kleiner als die jeweiligen WHO-Referenzwerte. In ähnlicher Weise hatten Mädchen in Südafrika und Jungen bzw. Mädchen in Kanada im Alter von 5 Jahren einen normalen BMI, überschritten aber mit zunehmendem Alter den Referenzwert.

„Diese sehr variablen Größen- und BMI-Verläufe über Alter und Zeit in verschiedenen Ländern sind ein deutlicher Hinweis darauf, wie wichtig die Ernährungsqualität und die Bedingungen zu Hause und in der Schule für ältere Kinder und Jugendliche sind“, kommentiert die Hauptautorin Dr. Andrea Rodriguez Martinez in einer Pressemitteilung des Journals. Sie forscht am Imperial College London. Martinez: „Investitionen in Gesundheit und Ernährung in diesen Altersgruppen werden der Gesundheit und dem Wohlbefinden eines Kindes ein Leben lang zugutekommen.“

Das betont auch Prof. Dr. Susan Sawyer von der University of Melbourne in einem begleitenden Kommentar [2]: „Investitionen in schulpflichtige Kinder, um die gesunde Ernährung und körperliche Bewegung, den Zugang zu hochwertigen Lernumgebungen, die Gleichstellung der Geschlechter und ein höheres Alter bei der 1. Schwangerschaft fördern, kommen nicht nur dem Wachstum und der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zugute, sondern können auch als Investitionen in das gesunde Wachstum und die Entwicklung der nächsten Generation von Kleinkindern betrachtet werden.“

Limitationen der Studie

Die Forscher weisen darauf hin, dass ihre Studie die ersten vergleichbaren Schätzungen der Körpergröße von Kindern und Jugendlichen im Schulalter für alle Länder der Welt liefert. Sie betonen jedoch, dass ihre Resultate möglicherweise durch einen Mangel an Daten beeinträchtigt worden seien. Sie fanden nur in 177 aller 200 untersuchten Länder mindestens 2 unabhängige Datenquellen. Methodische Einschränkungen betreffen vor allem die Karibik in Polynesien und Mikronesien, Melanesien und Afrika südlich der Sahara.

Darüber hinaus waren in weniger als die Hälfte aller analysierten Studien Informationen zu Kindern zwischen 5 und 9 Jahren zu finden. Fast 90% der Quellen enthielten jedoch Angaben zum Altersbereich von 10 bis 19 Jahren.
 

Kommentar

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