NSAR: FDA warnt vor der Einnahme ab der 20. Schwangerschaftswoche – kurze Anwendung wohl unproblematisch

Dr. Jürgen Sartorius

Interessenkonflikte

30. Oktober 2020

Die US-amerikanische Food and Drug Agency (FDA) warnt aufgrund von 35 Fällen mit renaler Dysfunktion bei Ungeborenen vor der Verwendung nichtsteroidaler Antirheumatika (NSAR) ab der 20. Schwangerschaftswoche [1]. Entsprechende Hinweise sollen in den USA auch in Fachinformationen und Beipackzettel von freiverkäuflichen NSAR aufgenommen werden.

 
Diese Warnung kommt eigentlich nicht ganz überraschend. Trotzdem sollten wir unsere Patientinnen nicht vorschnell verunsichern (…). PD Dr. Rebecca Fischer-Betz
 

Die FDA weiß von 35 Fällen, in denen es bei ungeborenen Babys im Zusammenhang mit der Einnahme von NSARs bereits in der 20. bis 30. Schwangerschaftswoche zu ernsten Nierenproblemen mit Verringerung des Fruchtwassers kam. Ein solches Oligohydramnion wird mit Komplikationen bei der Entwicklung von Gliedmaßen und der Lunge in Verbindung gebracht. Genaue Daten zu diesen Fällen veröffentlichte die Behörde bisher nicht.

„Diese Warnung kommt eigentlich nicht ganz überraschend“, bewertet PD Dr. Rebecca Fischer-Betz, stellvertretende Leiterin der Klinik für Rheumatologie der Universität Düsseldorf und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) diese FDA-Warnung, denn solche Auswirkungen kenne man für die Zeit ab der 30. Woche schon lange. „Trotzdem sollten wir unsere Patientinnen nicht vorschnell verunsichern, solange die näheren Umstände der 35 Fälle nicht bekannt sind, anhand derer die FDA diese Warnung ausgesprochen hat.“

FDA publiziert bislang keine Details

In der Tat ist in der Warnung der FDA nicht erwähnt, wie viele Schwangerschaften dokumentiert wurden, um die 35 Fälle fetaler Nierenschäden zu beschreiben. Weiterhin sind auch keine Daten zu Komedikationen, zum allgemeinen Gesundheitszustand, zu Lebensumständen der Mütter sowie zur Dosierung der NSAR veröffentlicht worden.

Explizit verbietet die FDA-Warnung NSAR ab der 30. Schwangerschaftswoche komplett, während sie empfiehlt, in Woche 20 bis 30 lediglich die Anwendung von NSAR auf 48 Stunden zu beschränken. Sie nennt in diesem Zusammenhang die Wirkstoffe ASS, Ibuprofen, Naproxen, Diclofenac und Celecoxib.

 
Insbesondere auch für die freiverkäuflichen NSARs ist eine zusätzliche Aufklärung der Frauen sicherlich sinnvoll, da viele werdende gesunde Mütter diese etwa bei Kopfschmerzen einnehmen. PD Dr. Rebecca Fischer-Betz
 

„Insbesondere auch für die freiverkäuflichen NSARs ist eine zusätzliche Aufklärung der Frauen sicherlich sinnvoll, da viele werdende gesunde Mütter diese etwa bei Kopfschmerzen einnehmen“, meint Fischer-Betz dazu. „Unsere Patientinnen mit Rheuma sollten wir in ihrer Schwangerschaft medikamentös mit akzeptablen Basistherapien so einstellen, dass sie überhaupt keine NSAR benötigen. Als Alternative zum kurzfristigen Einsatz bei rheumatischen Schmerzen empfehle ich entweder niedrig dosiertes Kortison oder Paracetamol-Präparate, obwohl diesen leider die antientzündliche Wirkung fehlt.“

EU: Warnung vor NSAR in der 20. bis 30. Woche noch unklar

Fachinformationen gängiger NSAR wie Ibuprofen und Diclofenac enthalten bereits heute Warnungen, diese nicht im letzten Trimenon oder während der Stillphase einzunehmen. Ob die Europäische Arzneimittelagentur EMA entsprechende Warnungen für die 20. bis 30. Schwangerschaftswoche in Fachinformationen und Beipackzettel aufnehmen wird, ist noch offen.

Fischer-Betz jedenfalls rät zu einer Ultraschall-Untersuchung, falls eine werdende Mutter berichtet, NSARs eingenommen zu haben. Auch wenn bei einer Routineuntersuchung ein Oligohydramnion festgestellt wird, sollten Ärzte immer nach einer NSAR-Einnahme fragen.

NSAR: Reversible Effekte bei kürzerer Anwendung

In den meisten Fällen hatte sich gezeigt, dass ein Oligohydramnion durch das Absetzen von NSAR reversibel ist. Nur manchmal sei eine Transfusion oder Dialyse des Fruchtwassers notwendig gewesen, berichtet die FDA in ihrer Stellungnahme. Kein Oligohydramnion wurde bei der Anwendung von NSAR für weniger als 48 Stunden gefunden. Von der Warnung ausgenommen wurden niedrige Dosierungen von bis zu 81 mg ASS.

 
Kurze Anwendungen und geringe Dosierungen von NSAR scheinen keine Probleme zu verursachen. PD Dr. Rebecca Fischer-Betz
 

„Die Warnung der FDA sollten wir ernst nehmen, aber deshalb nicht in Panik verfallen“, resümiert Fischer-Betz, „denn kurze Anwendungen und geringe Dosierungen von NSAR scheinen keine Probleme zu verursachen. Wir sollten uns aber der möglichen Verbindung zwischen einem Oligohydramnion und NSAR-Einnahme ab der 20. Schwangerschaftswoche bewusst sein und auf weitere Veröffentlichungen zu diesem Themenkreis achten.“
 

Kommentar

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