Cochrane-Review: Taugen E-Zigaretten zur Rauchentwöhnung? Die kurze Antwort: Es bleibt kompliziert

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

21. Oktober 2020

Sind E-Zigaretten doch zur Rauchentwöhnung geeignet? Hinweise darauf liefert jetzt ein aktualisierter Cochrane-Review [1]. Demnach eignen sich E-Zigaretten zur Rauchentwöhnung offenbar besser als Nikotinpflaster- oder Kaugummis. Der Review zeigt aber auch, dass es bei den Langzeitwirkungen des Nikotindampfens deutliche Wissenslücken gibt.

Dr. Jamie Hartmann-Boyce von der Universität Oxford und ihre Kollegen hatten 50 Studien (mit insgesamt 12.430 Teilnehmern) ausgewertet, darunter 26 randomisierte kontrollierte Studien (RCTs).

Die Cochrane-Forscher verglichen die Wirksamkeit von nikotinhaltigen E-Zigaretten mit anderen Maßnahmen zur Rauchentwöhnung – darunter Rauchstopp ohne spezielle Unterstützung, Nikotinersatzprodukte wie Kaugummis oder Pflaster, verhaltenstherapeutische Unterstützung und E-Zigaretten ohne Nikotin.

In 3 Studien (1.498 Teilnehmer) wurden E-Zigaretten mit Nikotinpflastern oder -kaugummis verglichen. Die Ergebnisse zeigen, dass mehr Menschen mit dem Rauchen aufhören, wenn sie nikotinhaltige E-Zigaretten verwendeten. Während 6 von 100 Personen mit Hilfe von Pflastern oder Kaugummis mit dem Rauchen aufhören konnten, gelang dies 10 von 100 Personen mit nikotinhaltigen E-Zigaretten. Die Evidenz weist eine moderate Vertrauenswürdigkeit auf.

Ähnliche Ergebnisse mit ebenfalls moderater Vertrauenswürdigkeit der Evidenz wurden in 3 weiteren Studien (802 Teilnehmer) gefunden, die nikotinhaltige E-Zigaretten mit nikotinfreien E-Zigaretten verglichen hatten.

4 Studien (2.312 Teilnehmer) zeigten, dass Menschen, die nikotinhaltige E-Zigaretten verwenden, häufiger mit dem Rauchen aufhörten als diejenigen, die nur verhaltenstherapeutisch unterstützt wurden oder gar keine Unterstützung erhielten. Während 4 von 100 Personen ohne Unterstützung den Rauchstopp schafften, waren das mit nikotinhaltigen E-Zigaretten 10 von 100. Allerdings weist die Evidenz dazu nur eine sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit auf.

Geringe Evidenz zu Nebenwirkungen von E-Zigaretten

Hartmann-Boyce und ihre Kollegen fanden keine gute Evidenz zu ernsthaften unerwünschten Nebenwirkungen oder Schäden durch die Nutzung von E-Zigaretten. Sie fanden auch keine Informationen darüber, wie sich der Langzeitkonsum (mehr als 2 Jahre) auswirkt. Kurz- bis mittelfristig (bis zu 2 Jahre) waren Reizungen von Rachen und Mund, Kopfschmerzen sowie Husten und Übelkeit die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen.

Keine Antworten liefern die Studien im Hinblick auf andere unerwünschte Folgen – etwa, ob E-Zigaretten den Nikotinkonsum für Nichtraucher fördern und gerade bei Jugendlichen als „Einstiegsdroge“ wirken könnten.

 
Der wissenschaftliche Konsens lautet, dass E-Zigaretten wesentlich weniger schädlich sind als traditionelle Zigaretten, risikofrei sind sie jedoch nicht. Dr. Jamie Hartmann-Boyce
 

„Seit der letzten Version dieses Reviews gibt es deutlich mehr Evidenz zur Rauchentwöhnung. Sie gibt nun eindeutigere Hinweise darauf, dass elektronische Zigaretten mit Nikotin die Chancen auf einen erfolgreichen Rauchstopp im Vergleich zu Nikotinkaugummis oder Nikotinpflastern erhöhen können“, kommentiert Studienautorin Hartmann-Boyce.

E-Zigaretten entwickelten sich technologisch stetig weiter. „Moderne elektronische Zigaretten haben eine bessere Nikotinabgabe als die frühen Geräte, die in den von uns gefundenen Studien getestet wurden. Deshalb sind mehr Studien erforderlich, um zu erfahren, ob die Raten des Rauchstopps durch die Art der verwendeten elektronischen Zigaretten beeinflusst werden können.“

Zwar gebe es derzeit keine eindeutige Evidenz für schwerwiegende Nebenwirkungen, doch es bestehe eine beträchtliche Unsicherheit im Hinblick auf die Nebenwirkungen von E-Zigaretten, vor allem bei längerfristiger Nutzung, betonte Hartmann-Boyce. „Der wissenschaftliche Konsens lautet, dass E-Zigaretten wesentlich weniger schädlich sind als traditionelle Zigaretten, risikofrei sind sie jedoch nicht“, so Hartmann-Boyce.

Sie berichtete, dass bereits weitere 20 Studien laufen und es geplant sei, den Review regelmäßig zu aktualisieren, umso Informationen zum potenziellen Nutzen sowie zu potenziellen Schäden liefern zu können.

Pneumologen warnen: E-Zigaretten zur Tabakentwöhnung nicht geeignet

Wie die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie (DGP) mittteilt, geht zwar der Anteil der jugendlichen Tabakraucher in Deutschland zurück, doch der Konsum der Nikotin-Verdampfer nehme – vor allem bei jungen Erwachsenen – kontinuierlich zu. E-Zigaretten sind keine Alternative für Menschen, die mit dem Rauchen aufhören möchten, betonen die DGP und die Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie (GPP) in einer gemeinsamen Stellungnahme.

 
Wer E-Zigaretten raucht, ist keineswegs abstinent, sondern ersetzt lediglich ein schädliches Produkt gegen ein anderes. Prof. Dr. Michael Pfeifer
 

E-Zigaretten, so die DGP, stünden fälschlicherweise im Ruf, deutlich weniger gesundheitsschädlich zu sein als herkömmliche Tabakzigaretten. Je nach Typ und Zusammensetzung des Liquids enthalten die elektronischen Verdampfer aber atemwegsreizende Substanzen wie Propylenglykol, krebserregende Substanzen wie Formaldehyd und teilweise gesundheitsschädigende Metalle wie Blei, Chrom und Nickel.

„Die Langzeitfolgen des Konsums lassen sich zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht umfassend abschätzen“, sagt Prof. Dr. Dr. Robert Bals, Direktor der Klinik für Innere Medizin V am Universitätsklinikums des Saarlandes in Homburg.

Und auch Prof. Dr. Michael Pfeifer, Präsident der DGP, betont, dass E-Zigaretten zur Tabakentwöhnung nicht geeignet sind: „Wer E-Zigaretten raucht, ist keineswegs abstinent, sondern ersetzt lediglich ein schädliches Produkt gegen ein anderes, von dem wir annehmen dürfen, dass es ebenfalls schädlich und hochgradig suchterzeugend ist.“

Zwar zeige eine Studie, dass E-Zigaretten unter kontrollierten klinischen Bedingungen einen kurzfristigen positiven Entwöhnungseffekt haben, langfristig und unter realen Bedingungen erschwerten sie aber die Rauchabstinenz. „Als Entwöhnungshilfe sind E-Zigaretten daher aus unserer Sicht sehr kritisch zu sehen und nicht geeignet für eine Abstinenzbehandlung“, sagt Pfeifer, Chefarzt der Klinik für Pneumologie und konservativen Intensivmedizin am Krankenhaus Barmherzige Brüder in Regensburg.

Wie Bals betont, setzt sich eine erfolgreiche Tabakentwöhnung aus vielen Einzelbausteinen zusammen, dazu gehören eine individuelle Beratung, Gruppentherapien, Nikotinersatzpräparate und Medikamente.

 
Als Entwöhnungshilfe sind E-Zigaretten daher aus unserer Sicht sehr kritisch zu sehen und nicht geeignet für eine Abstinenzbehandlung. Prof. Dr. Michael Pfeifer
 

„Ein Problem in Deutschland ist jedoch die Finanzierung solcher Entwöhnungsprogramme. Denn die Erstattung der Kosten für Betroffene und für Anbieter ist nicht einheitlich geregelt“, berichtet Pfeifer. Die DGP und die GPP fordern daher professionelle Entwöhnungsprogramme, die Rauchern kostenfrei und flächendeckend zur Verfügung stehen. „Davon gibt es in Deutschland nämlich viel zu wenige“, sagt Pfeifer.

 

Kommentar

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