Personalräte aus fast 50 Krankenhäusern protestieren: Die Corona-Prämie wird nicht gerecht verteilt!

Christian Beneker

Interessenkonflikte

21. Oktober 2020

Knapp 50 Betriebsräte großer deutscher Krankenhäuser wollen die Corona-Prämien für die Pflegenden, die Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ihnen als Bonus für ihr Engagement bei der Versorgung von COVID-19-Patienten zugedacht hat, nicht mitverteilen. Der Grund: Nicht alle Pflegenden in Krankenhäusern werden von den insgesamt 100 Millionen Euro profitieren.

Wer am Ende die Prämie von höchstens 1.000 Euro erhält, soll in jedem der berechtigten Krankenhäuser von Betriebsrat und Hausleitung intern ausgehandelt werden. So will es das Krankenhauszukunftsgesetz, das der Bundestag am 18. September beschlossen hat. Aber da wollen die Personalräte nicht mitmachen. Sie haben Spahn ein entsprechendes Schreiben geschickt. Noch arbeitet das Bundesgesundheitsministerium (BMG) an einer Antwort auf das Schreiben der Personalräte.

 
Wir werden bei der Verteilung dieser unzureichenden Prämie nicht mitwirken. Personalräte
 

Auch nach Ansicht des Bundestagsabgeordneten Harald Weinberg von den Linken müssten alle Pflegenden der Krankenhäuser eine Prämie erhalten, und zwar in Höhe von 1.500 Euro. Und ein Gehaltsplus von 500 Euro im Monat.

Höchstens je 1.000 Euro für eine Auswahl von Pflegenden

Der Reihe nach: Im Frühjahr verabschiedete der Bundestag das zweite COVID-19-Bevölkerungsschutzgesetz. Darin wurden den Mitarbeitern in Pflegeheimen Boni zuerkannt, weil sie besonders engagiert waren in der Versorgung von Patienten, die mit dem neuartigen Coronavirus infiziert oder daran erkrankt waren. Alle Beschäftigten in der Altenpflege sollten 2020 einen gestaffelten Anspruch auf eine Corona-Prämie in Höhe von bis zu 1.000 Euro erheben dürfen.

Aber an die Pflegenden in den Krankenhäusern dachte man nicht. Das sollte nun im Krankenhauszukunftsgesetz nachgeholt werden, aber nur für Pflegende in besonders belasteten Krankenhäusern. Aber welche sollten das sein?

Eine Anfrage durch Weinberg brachte ans Licht, dass zwischen Januar und Mai 2020 nur 433 der 1.600 Krankenhäuser in Deutschland als besonders belastet gelten und die Pflegenden in den übrigen Häusern leer ausgehen.

Als besonders belastet gelten Häuser mit weniger als 500 Betten und mehr als 20 COVID-19-Fällen oder mehr als 500 Betten und mehr als 50 COVID-19-Fällen. Das schrieb der parlamentarische Staatssekretär im BMG, Dr. Thomas Gebhart, an Weinberg.

Die Rechnung rief jene Personalräte auf den Plan. „Von den Corona-Prämien soll (aber) nur ein kleiner Teil profitieren. Sie soll lediglich bis zu 100.000 von insgesamt 440.000 Pflegekräften im Krankenhaus zugutekommen“, protestieren die Unterzeichner in ihrem Schreiben. „Beschäftigte in den Laboren, in der Reinigung und vielen anderen Bereichen, die bei der Eindämmung der Pandemie ebenfalls eine zentrale Rolle spielen, sollen leer ausgehen.“

Alle Mitarbeiter sollten eine Prämie erhalten. „Wir werden bei der Verteilung dieser unzureichenden Prämie nicht mitwirken“, schließt das Schreiben denn auch. „Stattdessen fordern wir Sie auf, dafür zu sorgen, dass alle Beschäftigten der Krankenhäuser eine finanzielle Wertschätzung für ihre Arbeit während der Pandemien erhalten.“

 
Was soll das für ein Zeichen sein? Ein selektiver Bonus, der überdies in vielen Belegschaften wie ein Spaltpilz wirken dürfte. Martin Dichter
 

Außerdem kritisierten die Autoren des Briefes den Umstand, dass die Betriebsräte und die Krankenhausleitungen verhandeln müssen, welche Mitarbeiter des Hauses einen Bonus erhalten und welche nicht. Die könnte zu erheblichen Verstimmungen bei den Mitarbeitern der einzelnen Häuser führen.

„Beschämend ist das“, sagt auch Martin Dichter, Vorsitzender des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK) Nordwest e.V. „Was soll das für ein Zeichen sein? Ein selektiver Bonus, der überdies in vielen Belegschaften wie ein Spaltpilz wirken dürfte – nicht nur innerhalb der Berufsgruppe der Pflegefachpersonen, sondern zwischen allen Beschäftigten im Krankenhaus.“

800 Millionen Euro sind dem GKV-Spitzenverband zu viel

Die Kritik dürfte es schwer haben. Denn die Kriterien für die Verteilung des Geldes haben die Deutsche Krankenhausgesellschaft, beziehungsweise das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK), und der GKV-Spitzenverband gemeinsam festgelegt. Und der Gesetzgeber hat sie weitgehend übernommen.

 
Angesichts des großen Mittelbedarfs zur Sicherstellung der Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser … muss die Notwendigkeit zur Prioritätensetzung anerkennt werden. Georg Baum
 

Kein Wunder, dass nun auch Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, an die verärgerten Personalräte appelliert, „konstruktiv an der Verteilung der Mittel mitzuwirken.“ Wollte man mehr als die besonders betroffenen Pflegepersonen in den Krankenhäusern mit einem Bonus belohnen, würde dies „bis zu ca. 800 Mio. Euro ergänzender Mittel erforderlich machen“, gibt Baum zu bedenken.

Und weiter: „Angesichts des großen Mittelbedarfs zur Sicherstellung der Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser und der sehr unterschiedlichen konkreten Belastung der Kliniken in dieser Pandemie muss die Notwendigkeit zur Prioritätensetzung anerkennt werden.“

Das BMG wollte den Brief der Personalräte noch nicht kommentieren. Eine Sprecherin erklärte, das Ministerium arbeite an einer Antwort.

Nur die Krankenhausbeschäftigten in Berlin und Rheinland-Pfalz können etwas beruhigter in die Zukunft blicken. Die beiden Länder haben bereits vor dem Bundesratsbeschluss zu dem neuen Gesetz angekündigt, eine zusätzliche Prämie für die Pflegenden zu zahlen.
 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....