Die positiven Ergebnisse der DAPA-CKD-Studie haben gezeigt, dass die Behandlung mit dem SGLT-2-Hemmer Dapagliflozin bei Patienten mit oder ohne Typ-2-Diabetes das Fortschreiten chronischer Nierenerkrankungen sowie Todesfälle signifikant reduziert. Doch die Studie war auch bemerkenswert im Hinblick auf ein erweitertes Patientenspektrum: Sie zeigt auch, dass selbst Patienten im oberen Bereich eines Stadiums 4 der chronischen Niereninsuffizienz (CKD) für diese Behandlung infrage kommen.
Von den 4.304 CKD-Patienten, die in die DAPA-CKD-Studie aufgenommen worden waren, wiesen nämlich 624 (14%) eine geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (GFR) von 25 bis 29 ml/min pro 1,73 m2.auf. Es handelt sich damit um eine Population, die in Studien bislang von der Gabe des SGLT-2-Hemmers ausgeschlossen war.
Die Ergebnisse lieferten den endgültigen Beweis für die Wirksamkeit und Sicherheit – auch in diesem Bereich der Nierenfunktion, sagte Prof. Dr. Hiddo Lambers Heerspink auf der virtuellen Jahrestagung der European Association for the Study of Diabetes (EASD) [1]. Bis jetzt war der allgemein akzeptierte niedrigste Wert für den Start einer Therapie mit einem SGLT2-Hemmer eine GFR von 30 ml/min/1,73 m2.
SGLT-2-Hemmer – auch wenn die GFR nur 25 beträgt
„Es ist an der Zeit, den GFR-Wert für den Beginn einer Therapie mit einem SGLT-2-Hemmer auf bis zu 25 ml/min pro 1,73 m2 zu senken“, sagte Heerspink, Klinischer Pharmakologe an der Universität Groningen in den Niederlanden.
Er räumte zwar ein, dass dies in erster Linie eine Entscheidung ist, die von den Leitlinien-Autoren und von den Aufsichtsbehörden getroffen werden müsse, erklärte jedoch, was seiner Ansicht nach durch die Ergebnisse der DAPA-CKD-Studie feststeht: „Wir haben gezeigt, dass Dapagliflozin bei diesen Patienten sicher angewendet werden kann. Es ist im gesamten Spektrum der Nierenfunktion wirksam.“ Andere Experten, die nicht an der Studie beteiligt waren, stimmten zu.
Die Studienautoren waren „mutig“, Patienten mit einer GFR von nur 25 ml/min pro 1,73 m2 aufzunehmen, aber „wir brauchen diese Wirkstoffe dringend bei Patienten mit einer so niedrigen GFR“, kommentierte Prof. Dr. Chantal Mathieu, Endokrinologin an der Katholischen Universität in Leuven, Belgien, die als Diskutantin bei dem Kongress auftrat. Insgesamt nannte sie die Ergebnisse „spektakulär“ und sprach von einer „wegweisenden Studie“.
In der Studie wurde auch ein neuer, niedrigerer Grenzwert für die Albuminurie festgelegt, bei dem noch ein Nutzen von Dapagliflozin nachweisbar ist. Aufgenommen wurden Patienten mit einem Verhältnis von Albumin zu Kreatinin im Urin von 200 mg/g; der vorherige untere Grenzwert lag bei 300 mg/g, merkte Mathieu an.
Die neuen Ergebnisse stellten die Verfasser von Leitlinien, die Aufsichtsbehörden und die Kostenträger vor die Herausforderung, rasch Änderungen vorzunehmen, um Dapagliflozin einer größeren Zahl von Patienten mit CKD zugänglich zu machen.
Sobald die vollständigen Ergebnisse der DAPA-CKD-Studie vorliegen, „wird sich die Praxis ändern und die bisherige GFR-Grenze nach unten drücken“, und zwar bis auf 25. Es wird auch die Albuminurie-Schwelle für den Einsatz von Dapagliflozin oder anderen Medikamenten dieser Klasse senken, kommentierte Dr. David Z.I. Cherney, Nephrologe an der Universität Toronto.
„Es ist nur eine einzige Studie“, räumte er ein, aber die konsistenten Vorteile für die Niere, die in mehreren Studien mit allen 4 Medikamenten aus der Klasse der SGLT-2-Hemmer festgestellt worden seien, sollten dazu beitragen, diesen Wandel – die Identifikation behandelbarer Patienten – zu beschleunigen und die Indikation für diese Medikamente auf Patienten mit CKD, aber ohne Typ-2-Diabetes, auszuweiten.
„Ich glaube nicht, dass wir jemals stärkere Evidenz“ für Medikamente hatten, die sowohl die Herz- als auch die Nierenfunktion verbessern können. Außerdem ist die Medikamentenklasse „sehr sicher und der Einstieg wirklich einfach“, sagte Cherney in einem Interview. „Es ist wunderbar für diese Patienten, dass wir jetzt etwas Neues für die Behandlung haben“, ein Medikament mit einem „sehr günstigen Nutzen-Risiko-Verhältnis“.
Ergebnisse zeigen viele Vorteile von Dapagliflozin
Während diese Erweiterung des Kreises der Patienten, die nachweislich einen SGLT-2-Hemmer vertragen und von ihm profitieren, eine wichtige Konsequenz von DAPA-CKD war, wird die primäre Erkenntnis der Studie – dass Dapagliflozin bei Patienten, unabhängig davon, ob sie an Diabetes leiden oder nicht, ebenso sicher und wirksam die CKD-Progression verlangsamen kann – einen noch größeren Einfluss auf die Erweiterung des Patientenspektrums haben.
Die Wirksamkeit bei Patienten mit CKD, aber ohne Typ-2-Diabetes (dies waren etwa ein Drittel der eingeschriebenen 4.304 Patienten), mache diese Behandlung zu einer Option für „Millionen“ zusätzlicher Patienten weltweit, sagte Heerspink. „Das sind die Patienten, die Nephrologen am häufigsten sehen.“ Eine große Herausforderung werde nun sein, besser die Patienten mit CKD zu finden, die von Dapagliflozin profitieren könnten.
In die DAPA-CKD-Studie wurden CKD-Patienten auf der Grundlage vordefinierter Albuminurie- und GFR-Werte in mehr als 300 Zentren in 34 Ländern aufgenommen, darunter in den USA. Praktisch alle Patienten (97%) erhielten die einzige heute verfügbare Behandlung, die nachweislich eine CKD verlangsamt: entweder einen ACE-Hemmer oder einen Angiotensin-Rezeptorblocker (ARB). Eine geringe Anzahl von Patienten nahm – weil sie es nicht vertrugen – diese Medikamente nicht ein.
Der primäre Endpunkt der Studie war die kombinierte Rate an kardiovaskulären Todesfällen, Todesfällen durch Nierenversagen, Nierenerkrankung im Endstadium oder ein Rückgang der GFR um mindestens 50% im Vergleich zum Ausgangswert. Dies trat bei 14,5% der Patienten unter Placebo auf und bei 9,2% der Patienten, die während der medianen Nachbeobachtungszeit von 2,4 Jahren Dapagliflozin erhalten hatten – eine hochsignifikante Verringerung des relativen Risikos um 39%.
Zeitgleich mit der Vorstellung auf der virtuellen Tagung erschienen die Ergebnisse auch online im New England Journal of Medicine[2]. Die Senkung der absoluten Rate der kombinierten unerwünschten Ereignisse um 5,3% entspricht einer Number Needed to Treat (NNT) von 19, um innerhalb von 2,4 Jahren ein Ereignis zu verhindern; das ist eine „viel niedrigere" Zahl als bei der Behandlung mit Inhibitoren des Renin-Angiotensin-Systems bei diesen Patienten, sagte Heerspink.
Zu den bemerkenswerten positiven sekundären Ergebnissen gehörte eine signifikante relative Senkung der Gesamtmortalität um 31% (ein absoluter Rückgang um 2%), „ein wichtiger Aspekt“ der Ergebnisse, sagte Heerspink. Die Dapagliflozin-Behandlung ging auch mit einer signifikanten relativen Senkung der Inzidenz von kardiovaskulären Todesfällen oder Klinikaufenthalten aufgrund von Herzinsuffizienz um 29% einher.
„Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die häufigste Todesursache bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung“, erklärte Prof. Dr. David C. Wheeler, ein Mitautor der Studie und Nephrologe am University College London. „Herz und Niere sind miteinander verflochten. Hier geht es um kardiorenale Erkrankungen.“
Dieser Artikel wurde von Ute Eppinger aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
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Diesen Artikel so zitieren: DAPA-CKD-Studie zu Dapagliflozin: SGLT2-Hemmer ist wirksam und sicher – selbst bei einer GFR unter bisherigem Grenzwert - Medscape - 20. Okt 2020.
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