Und sie schützen doch! Masken sind in der SARS-CoV-2-Pandemie eine wirksame Maßnahme, wie etliche Studien belegen

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

14. Oktober 2020

Der Mund-Nasen-Schutz (MNS) ist zum Symbol der Corona-Pandemie geworden, an der bis Mitte Oktober mehr als 37 Millionen Menschen erkrankt und mehr als eine Million Menschen gestorben sind. Masken können das Übertragungsrisiko von SARS-CoV-2 reduzieren. Doch welche schützen wie effektiv? Bei der Vielzahl an Möglichkeiten ist die Datenlage recht unübersichtlich.

Nicht besser wird die Situation durch Politiker wie US-Präsident Donald Trump, der Masken manchmal empfohlen hat, dann ihre Effektivität aber infrage gestellt und sich darüber lustig gemacht hat. Auch nach seiner Erkrankung, bei seiner Rückkehr ins Weiße Haus, hat er durch die demonstrative Abnahme der Maske beim Eintritt in das Gebäude gezeigt was er von ihr hält: nichts.

„Es liegt nahe, dass all das verwirrt“, stellt Prof. Dr. Baruch Fischhoff, Psychologe an der Carnegie Mellon Universität in Pittsburgh, Pennsylvania, im Gespräch mit Nature klar. Aber: „Diejenigen, die sich die Evidenz zu Masken tatsächlich anschauen, stufen ihre Wirksamkeit anders ein“, betont er.

Die Wissenschaft, so Fischhoff, befürworte die Verwendung von Masken. Neuere Studien deuteten darauf hin, dass sie auf verschiedene Weise Leben retten könnten: Sie verringern das Risiko, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren und es zu übertragen, und einige Arbeiten liefern auch Hinweise darauf, dass Masken womöglich die Schwere der Infektion abmildern können.

Anfangs gab es kaum Information – und kaum Masken

Zu Beginn der Pandemie wusste man noch nicht genug, um das Tragen von Masken explizit zu empfehlen. Standard für den Einsatz im Gesundheitswesen ist die Atemschutzmaske N95. Sie entspricht in Europa der FFP-2-Maske, die Träger schützen soll, indem sie 95% aller in der Luft schwebenden Partikel ab einer Größe von 0,3 µm herausfiltert. Als sich SARS-CoV-2 ausbreitete, wurden diese Schutzmasken schnell knapp.

Das warf die Frage auf: Sollten Bürger einfache chirurgische Masken oder Stoffmasken tragen? Und, falls ja, unter welchen Bedingungen? „Solche Fragestellungen untersuchen wir normalerweise in klinischen Studien", sagt Prof. Dr. Kate Grabowski, Epidemiologin an der Johns Hopkins School of Medicine in Baltimore, Maryland. „Doch dafür hatten wir einfach keine Zeit."

Deshalb verließen sich Wissenschaftler auf Beobachtungsdaten und Laborstudien. Es lagen auch indirekte Hinweise auf die Wirkung von Masken bei anderen Infektionskrankheiten vor. „Wenn Sie sich eine dieser Publikationen ansehen – da ist kein großer Treffer darunter. Aber nimmt man alles zusammen, dann bin ich überzeugt, dass Masken funktionieren“, sagt Grabowski.

 
Nimmt man alles zusammen, dann bin ich überzeugt, dass Masken funktionieren. Prof. Dr. Kate Grabowski
 

Das Vertrauen in die Wirksamkeit von Masken wuchs ab Juni aufgrund einer Mitteilung der Centers for Disease Control and Prevention (CDC), Atlanta. Die US-Seuchenbehörde berichtete über 2 Friseure aus Missouri, die positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden waren. Beide hatten während ihrer Arbeit, also vor der Diagnose, 2-lagige Bauwollmasken oder chirurgische Masken getragen. Und obwohl sie die Infektion an Mitglieder ihres Haushalts weitergaben, blieben ihre Kunden offenbar verschont.

OP-Masken senken das relative Infektionsrisiko um 80%

Lange hieß es, einfache OP-Masken schützten nicht vor SARS-CoV-2. Erst eine Metaanalyse in The Lancet von Prof. Dr. Holger Schünemann, McMaster University in Hamilton/Ontario, Kanada, änderte diese Einschätzung.

Im Interview mit der Berliner Zeitung spricht Schünemann von einem überraschend großen Effekt der Masken. „Nach unserer Analyse senken Masken das relative Risiko, sich zu infizieren, um etwa 80 Prozent.” Ohne MSN betrug das absolute Infektionsrisiko in den Studien 17,4%, mit Mund-Nase-Schutz fiel es auf 3,1%. 

 
Nach unserer Analyse senken Masken das relative Risiko, sich zu infizieren, um etwa 80 Prozent. Prof. Dr. Holger Schünemann
 

Auch Demonstrationen lieferten Hinweise auf die Wirksamkeit von Masken. Bei den „Black Lives Matter“-Protesten trugen die meisten Teilnehmer Masken. Ihre Versammlungen schienen keine Infektionsspitzen auszulösen, wohingegen das Virus Ende Juni in einem Sommerlager in Georgia grassierte. Teilnehmende Kinder waren nicht verpflichtet, einen MNS zu tragen.

Beim Vergleich sollte allerdings bedacht werden, dass BLM-Proteste im Freien stattfanden, während sich die Camper etwa nachts mehrere Hütten teilten. Für Prof. Dr. Theo Vos, Gesundheitsökonom an der Universität von Washington in Seattle, zeichnen solche anekdotischen Beweise dennoch „ein Bild“.

Direkte Evidenz liefert eine derzeit nur als Preprint veröffentlichte Studie. Die Ergebnisse zeigen, dass der wöchentliche Anstieg der Mortalität an Orten, an denen Masken Pflicht waren, im Vergleich zu anderen Regionen 4-mal geringer war. Die Forscher hatten 200 Länder untersucht, darunter die Mongolei, die im Januar die Maskenpflicht eingeführt und bis Mai keine Todesfälle aufgrund von COVID-19 verzeichnet hatte.

In einer weiteren Studie wurden Auswirkungen der Maskenpflicht US-weit untersucht. 15 Bundesstaaten hatten im April und Mai eine Maskenpflicht eingeführt. Die Autoren schätzen, dass es so gelungen sei, die Wachstumsrate der Neuinfektionen relativ um bis zu 2 Prozentpunkte pro Tag zu verringern. Ihrer Einschätzung nach konnten durch diese Maßnahme, kombiniert mit Social Distancing, möglicherweise bis zu 450.000 SARS-CoV-2-Infektionen abgewendet werden.

Maskenpflicht reduziert SARS-CoV-2-Infektionen um ein Drittel

Dass eine Maskenpflicht die Anzahl der Corona-Infektionen in einer Region deutlich verringert, ist das Ergebnis einer aktuellen Studie von Ökonomen der Simon Fraser University im kanadischen Burnaby. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass es in den ersten Wochen nach Einfüh­rung der Maskenpflicht im Juli und August in Ontario zu einem durch­schnittlichen wöchentlichen Rückgang der neu diagnostizierten SARS-CoV-2-Infektionen um 25% bis 31% gekommen ist.

„Man muss nicht groß rechnen können, um festzustellen, dass Masken tragen offensichtlich eine gute Idee ist“, sagt Jeremy Howard, der an der Universität von San Francisco in Kalifornien forscht. Zusammen mit Kollegen überprüft er die Evidenz bei Masken und hat Resultate in einem Preprint zusammengefasst.

 
Man muss nicht groß rechnen können, um festzustellen, dass Masken tragen offensichtlich eine gute Idee ist. Jeremy Howard
 

Eine Tierstudie hatte im Mai die Schutzwirkung von Masken nachgewiesen. Forscher der Universität Hongkong hatten infizierte und gesunde Hamster in angrenzenden Käfigen untergebracht. Einige Tiere waren durch chirurgische Masken voneinander getrennt. Ohne Barriere fingen sich etwa 2/3 aller nicht infizierten Tiere SARS-CoV-2 ein, verglichen mit 25% aller durch Masken geschützten Tiere. In der Maskengruppe verlief die Erkrankung auch milder als bei den ungeschützten Nachbarn.

Ist der Mund-Nasen-Schutz womöglich sogar wichtiger als Social Distancing? Zu dieser Einschätzung gelangten US-Epidemiologen in ihrer Mitte Juni in PNAS veröffentlichten Studie. Sie konnten zeigen, dass sich die Kurven in Italien und in New York deutlich abgeflacht haben, seitdem ein MNS vorgeschrieben wurde. Durch diese Schutzmaßnahme sei die Zahl der Infektionen signifikant gesenkt worden: um über 78.000 in Italien vom 6. April bis 9. Mai und um über 66.000 in New York City vom 17. April bis 9. Mai.

Verringern Masken die aufgenommene Virusdosis?

Unter Wissenschaftlern zeichnet sich ein Konsens ab, dass der Gebrauch von Masken sowohl den Träger als auch andere schützt. Die Tierstudie aus Hongkong weist auch noch auf einen anderen Aspekt hin: „Masken können nicht nur vor Infektionen, sondern auch vor schwerer Erkrankung schützen“, meint Prof. Dr. Monica Gandhi, Ärztin für Infektionskrankheiten an der University of California, San Francisco. 

 
Masken können nicht nur vor Infektionen, sondern auch vor schwerer Erkrankung schützen. Prof. Dr. Monica Gandhi
 

Gandhi ist Mitautorin einer Ende Juli veröffentlichten Publikation, in der als These formuliert wird, dass Masken die aufgenommene Virusdosis reduzieren. In der Folge könnte es zu Infektionen kommen, die milder oder sogar asymptomatisch verlaufen. Eine höhere Virusdosis führt nach Ansicht der Studienautoren zu einer aggressiveren Entzündungsreaktion.

Gandhi und Kollegen analysieren derzeit die Raten an Klinikeinweisungen vor und nach Einführung der Maskenpflicht in 1.000 US-Bezirken, um festzustellen, ob die Krankheitsschwere abgenommen hat. Die Vorstellung, dass eine höhere Viren-Exposition zu einer schlimmeren Infektion führt, sei „absolut sinnvoll“, bestätigt Prof. Dr. Paul Digard, Virologe an der Universität Edinburgh, „Das ist ein weiteres Argument für Masken.“

Gandhi macht auf einen zusätzlichen Nutzen aufmerksam: Infizieren sich mehr Menschen nur leicht, könnte das dazu beitragen, die Immunität auf Bevölkerungsebene zu erhöhen – ohne, dass mehr Menschen schwer erkranken oder an COVID-19 sterben. „Und da wir auf einen Impfstoff warten, könnten mehr asymptomatische Infektionen der Immunität der Bevölkerung zugutekommen“, meint sie.

Welche Masken stoppen virushaltige Aerosole?

SARS-CoV-2 hat einen Durchmesser von nur etwa 0,1 µm. Weil Viren den Körper aber nicht von selbst verlassen, muss eine Maske keine so kleinen Partikel blockieren, um wirksam zu sein. Relevanter sind die Erreger-haltige Tröpfchen und Aerosole, die einen Durchmesser von etwa 0,2 bis zu Hunderten von Mikrometern haben. Zum Vergleich: Ein durchschnittliches menschliches Haar hat einen Durchmesser von etwa 80 µm. Neben der Tröpfchen-Übertragung gilt die Übertragung durch Aerosole als Hauptinfektionsweg von SARS-CoV-2. Welche Masken können Aerosole stoppen?

N95-Masken mit Ausatem-Ventil filtern etwa 90% der einströmenden Aerosole bis hin zu einer Größe von 0,3 µm heraus. Nach bislang unveröffentlichten Forschungsergebnissen blockieren N95-Masken ohne Ausatem-Ventil einen ähnlichen Anteil der austretenden Aerosole. Über chirurgische Masken und Stoffmasken sei viel weniger bekannt, erklärt Dr. Kevin Fennelly, Pneumologe am US National Heart, Lung, and Blood Institute in Bethesda, Maryland.

In ihrer noch unveröffentlichten Arbeit stellten Prof. Dr. Linsey Marr, Umweltingenieurin an der Virginia Tech in Blacksburg, und ihre Kollegen fest, dass selbst ein Baumwoll-T-Shirt die Hälfte der eingeatmeten Aerosole und fast 80% der ausgeatmeten Aerosole mit einem Durchmesser von 2 µm blockieren kann. Aerosole mit einem Durchmesser von 4-5 µm könne fast jeder Stoff zu mehr als 80% blockieren, sagt die Forscherin.

Masken aus Stoff: möglichst mehrere Lagen Gewebe

Mehrere Gewebelagen seien wirksamer, und je dichter das Gewebe, desto besser, meint Marr. Eine andere Studie ergab, dass Masken mit Lagen aus verschiedenen Materialien wie Baumwolle und Seide Aerosole effizienter stoppen als solche aus einem einzigen Material.

In einer im August erschienenen Studie setzten Prof. Dr. Eric Westman von der Duke University School of Medicine in Durham, North Carolina, zusammen mit Kollegen Laser und Smartphone-Kameras ein, um zu vergleichen, wie gut 14 verschiedene Tücher und chirurgische Masken Tröpfchen, die beim Sprechen entstehen, aufhielten. Sie stellten fest, dass einige Stoffmasken so effektiv waren wie chirurgische Standardmasken. Dünne Schals oder Bandanas hingegen boten nur sehr wenig Schutz. Westman sagt, dass das Tragen solcher Schals Personen womöglich zu falscher Sicherheit führe. „Das könnte schlimmer sein, als gar nichts zu tragen.“

„Es liegen eine ganze Menge Informationen vor, aber es ist schwierig, alle Fakten zu bündeln“, erklärt Prof. Dr. Angela Rasmussen, Virologin an der Mailman School of Public Health der Columbia University in New York City. „Letzten Endes wissen wir immer noch nicht viel.“

Auch Vos betont: „Wir wüssten gerne noch viel mehr über Masken.“ Er sagt aber auch: „Angesichts der Tatsache, dass es eine so einfache, kostengünstige Intervention mit potenziell so großer Wirkung ist – wer würde sie nicht nutzen wollen?“ 

 
Angesichts der Tatsache, dass es eine so einfache, kostengünstige Intervention mit potenziell so großer Wirkung ist – wer würde sie nicht nutzen wollen? Prof. Dr. Theo Vos
 

Doch nicht nur die Menge an Informationen verwirrt, auch Publikationen tragen manchmal ihren Teil dazu bei. So hatte eine Studie vom April zunächst ergeben, dass Masken unwirksam sind, im Juli wurde sie jedoch zurückgezogen. Die Ende Juni veröffentlichte Arbeit von Zhang wiederum, in der das Masken tragen befürwortet wird, wurde von Dutzenden von Wissenschaftlern kritisiert, die in einem offenen Brief für eine Rücknahme der Veröffentlichung plädierten. Zhang und Kollegen wiederum wehren sich dagegen.

Hatten große Organisationen lange Zeit davon abgesehen, das Tragen von Masken zu empfehlen, zum Teil auch, weil Masken kaum verfügbar waren, raten die CDC seit April dazu, und die WHO folgte im Juni. Masken seien sicher nicht die einzige Lösung, resümiert Gandhi, „aber ich denke, sie sind eine wirklich wichtige Säule der Pandemiebekämpfung". Oder wie es Digard formuliert: „Masken funktionieren, aber sie sind nicht unfehlbar. Und deshalb sollten Sie Abstand halten.“ 

 
Masken funktionieren, aber sie sind nicht unfehlbar. Und deshalb sollten Sie Abstand halten. Dr. Paul Digard
 

 

Kommentar

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