Neuer positiv inotroper Wirkstoff bei Herzinsuffizienz: Omecamtiv-Mecarbil erreicht primären Endpunkt in Phase-3-Studie

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

12. Oktober 2020

Für Patienten mit Herzinsuffizienz und reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) gibt es vielleicht neue Perspektiven: Omecamtiv-Mecarbil, ein Wirkstoff aus der neuen Klasse der Myosin-Aktivatoren, hat in einer Phase-3-Studie den primären kombinierten Endpunkt aus kardiovaskulärer Mortalität oder Hospitalisierung bzw. dringende Behandlung aufgrund von Herzinsuffizienz im Vergleich zu Placebo signifikant reduziert.

Die Zahl der kardiovaskulären Todesfälle, ein sekundärer Endpunkt der Studie, wurde  jedoch nicht signifikant reduziert. Das berichten die Unternehmen Amgen, Cytokinetics und Servier in einer aktuellen Pressemeldung zur Phase-3-Studie GALACTIC-HF [1]. Es handelt sich um eine der bislang größten Phase-3-Studien bei Patienten mit HFrEF, die bislang durchgeführt worden sind, sie hatte international 8.256 Teilnehmer. Details zu den Ergebnissen sollen am 13. November bei der virtuellen Late Breaking Clinical Trial Session der American Heart Association (AHA) vorgestellt werden.

„GALACTIC-HF bietet neue Erkenntnisse zur Behandlung von Herzinsuffizienz-Patienten mit verminderter linksventrikulärer Funktion durch das auf die kontraktilen Mechanismen des Herzens wirkende Omecamtiv-Mecarbil“, kommentiert Dr. Fady I. Malik, Executive Vice President R&D von Cytokinetics. „Wir freuen uns auf die weitere Datenanalyse und die Präsentation der Ergebnisse dieser Phase-3-Studie bei den wissenschaftlichen Sitzungen der American Heart Association.“

Bereits im Mai hatte die US Food and Drug Administration grünes Licht für ein Fast-Track-Verfahren gegeben, um eine mögliche Zulassung des neuen Wirkstoffs zu beschleunigen.

Omecamtiv-Mecarbil – ein Arzneistoff mit neuem Wirkprinzip

Herzinsuffizienzen sind nach wie vor ein therapeutisches Problem: Weltweit leiden mehr als 64 Millionen Menschen an einer Herzmuskelschwäche, jeder 2. davon hat eine reduzierte linksventrikuläre Auswurffraktion. Bei Menschen ab 65 Jahren sind Herzinsuffizienzen die häufigste Ursache für erstmalige Krankenhausaufenthalte und für Rehospitalisierungen – und das bei schlechter Prognose: Rund 50% aller Herzinsuffizienz-Patienten sterben innerhalb von 5 Jahren nach ihrer 1. stationären Behandlung.

Zum Hintergrund des neuen Wirkansatzes: Bei systolischer Herzinsuffizienz gehen Aktin-Myosin-Kreuzbrücken in Myozyten, also Herzmuskelzellen des linken Ventrikels, verloren. Das führt zu einer verminderten Fähigkeit des Herzens, Blut durch den Körper zu pumpen. Derzeit zugelassene positiv inotrope Therapien, die die Kraft der Herzkontraktion erhöhen, sind Levosimendan, das als sogenannter Calcium-Sensitizer an ein Regulatorprotein von Troponin C bindet und dieses empfindlicher für Calcium macht, sowie Betablocker, die Beta-Adrenozeptoren modulieren.

Diese pharmakologischen Möglichkeiten haben jedoch verschiedene Nachteile. Es kann zur Desensibilisierung adrenerger Rezeptoren und zur Veränderung der intrazellulären Calciumspiegel kommen. Arrhythmien sind eine mögliche Folge. Bei Inotropika besteht damit die Gefahr, dass sie mit einer schlechteren Prognose assoziiert sind.

Diese Lücke könnte Omecamtiv-Mecarbil, ein experimenteller kardialer Myosin-Aktivator, schließen. Er setzt bei der Umwandlung von chemischer Energie aus Adenosin-Triphosphat (ATP) an. Das Pharmakon bindet an die katalytische Domäne einer ATPase in Myozyten, aktiviert diese und verbessert die Energienutzung.

Präklinische Untersuchungen haben gezeigt, dass sich dabei die Kontraktilität des Herzens erhöht, ohne die Calciumkonzentration der intrazellulären Myozyten oder den Sauerstoffverbrauch des Myokards zu erhöhen. Insgesamt verbessert sich die Herzleistung.

Design der GALACTIC-HF-Studie

Um diese präklinischen Daten klinisch zu evaluieren, haben Forscher Omecamtiv-Mecarbil in der GALACTIC-HF (Global Approach to Lowering Adverse Cardiac Outcomes Through Improving Contractility in Heart Failure) untersucht. Sie schlossen 8.256 Patienten aus 35 Ländern mit HFrEF ein. Voraussetzungen waren: NYHA-Klasse 2 bis 4, eine linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) von 35% oder niedriger sowie erhöhte Spiegel an natriuretischen Peptiden. Alle Teilnehmer mussten kürzlich (zumindest im vergangenen Jahr) wegen ihrer Erkrankung stationär behandelt worden sein – entweder regulär in der Kardiologie oder in der Notaufnahme.

Die Teilnehmer erhielten randomisiert entweder ein orales Placebo oder Omecamtiv-Mecarbil (50 mg, 37,5 mg oder 25 mg 2-mal täglich) zusätzlich zu ihrer Standardtherapie. Die geeignete Wirkstoffdosis wurde pharmakokinetisch anhand des QMSTM Omecamtiv-Mecarbil-Immunoassays bestimmt. Aus dem Plasmaspiegel leiteten die Forscher ab, welche Menge als Erhaltungstherapie erforderlich war.

Als primären, kombinierten Endpunkt definierten sie die Zeit bis zum kardiovaskulären Tod oder bis zu einem Ereignis in Zusammenhang mit der Herzinsuffizienz. Als „Ereignis“ zählten Hospitalisierungen und andere dringende Behandlungen wegen der Herzinsuffizienz.

Sekundäre Endpunkte waren die Zeit bis zum kardiovaskulären Tod, die von Patienten  berichteten Auswirkungen der Erkrankung auf die Lebensqualität (gemessen mit dem Kansas City Cardiomyopathy  Questionnaire [KCCQ] bzw. dem Total Symptom Score [TSS]), die Zeit bis zur 1. Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz oder die Zeit bis zum  Tod unabhängig von der Ursache.

Omecamtiv-Mecarbil erreicht den primären, kombinierten Endpunkt

Im primären, kombinierten Endpunkt schnitt Omecamtiv-Mecarbil besser ab als Placebo, berichten nun die Hersteller. Das Risiko entsprechender Ereignisse wurde signifikant verringert (HR 0,92; 95% KI 0,86-0,99, p=0,0252). Bei Ereignissen des sekundären Endpunkts seien keine signifikanten Unterschiede beobachtet worden. Unerwünschte Effekte einschließlich schwerwiegender ischämischer kardialer Ereignisse traten in beiden Studienarmen ähnlich häufig auf. Weitere Daten wurden bislang nicht veröffentlicht.

Ausblick: Phase-3-Studienprogramm

GALACTIC-HF ist Teil eines großen Studienprogramms zur Untersuchung von Omecamtiv-Mecarbil. Seit April 2019 läuft auch noch die Phase-3-Studie METEORIC-HF (Multicenter Exercise Tolerance Evaluation of Omecamtiv Mecarbil Related to Increased Contractility in Heart Failure). Dabei wird untersucht, welchen Effekt Omecamtiv-Mecarbil im Vergleich mit Placebo auf die körperliche Belastbarkeit bei HFrEF-Patienten hat. Eingeschlossen wurden 270 Teilnehmer. Die Studie soll laut Angaben in cliniclatrials.gov Ende November 2021 abgeschlossen sein.
 

Kommentar

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