Kleinzelliger Lungenkrebs: Immunkombi hält die Progression nicht auf – aber einen Hoffnungsschimmer gibt es trotzdem

Liam Davenport

Interessenkonflikte

9. Oktober 2020

Lugano – Beim kleinzelligen Bronchialkarzinom (SCLC, small cell lung carcinoma) bieten Nivolumab (Opdivo®, Bristol-Myers Squibb) plus Ipilimumab (Yervoy®, Bristol-Myers Squibb) nach einer Radio-Chemotherapie keinen Vorteil im progressionsfreien Überleben oder Gesamtüberleben. Das zeigen Daten einer Phase-2-Studie.

Es gab jedoch Anzeichen dafür, dass eine längere Nachbeobachtungszeit und ein Fokus auf Subgruppen von Patienten, die anhand von Biomarkern identifiziert werden, Populationen aufzeigen könnte, die dennoch profitieren. Die Resultate wurden auf dem ESMO Virtual Congress 2020 vorgestellt [1].

Bei anderen malignen Erkrankungen Standard der Versorgung

Zu Beginn ihres Vortrags wies Prof. Dr. Solange Peters, Präsidentin der ESMO und Onkologin am Centre Hospitalier Universitaire Vaudois, Lausanne, Schweiz darauf hin, dass die Kombination von Nivolumab mit Ipilimumab bei einer Reihe von metastasierenden Krebsarten, darunter Nierenzellkarzinomen und nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC), zu einer „Standardbehandlung an vorderster Front“ geworden sei.

Darüber hinaus zeigte CheckMate 032, dass Patienten auf eine Nivolumab-Monotherapie dauerhaft ansprechen und diese als Drittlinienbehandlung – oder später – bei rezidivierendem SCLC gut verträglich ist.

STIMULI: SCLC-Patienten im begrenzten Stadium

Für die STIMULI-Studie wurden mehr als 150 behandlungsnaivem SCLC-Patienten im begrenzten Stadium (Tumor in einem Lungenflügel), die sich einer Radiochemotherapie unterzogen hatten, randomisiert entweder einer Gruppe mit Nivolumab-Ipilimumab-Induktionstherapie, gefolgt von einer Nivolumab-Erhaltungsmonotherapie oder einer Beobachtungsgruppe zugeordnet. Das mittlere Alter der Patienten lag bei etwa 62 Jahren. Die Mehrheit (84%) hatte eine Erkrankung im Stadium IIIA oder IIIB.

Wenn ihre Erkrankung nicht progredient war, wurden Patienten ohne weitere Behandlung 1:1 einer Immuntherapie zur Konsolidierung oder Beobachtung randomisiert. Aus einer anfänglichen Rekrutierung von 222 Patienten wurden 78 Patienten zur Immuntherapie-Konsolidierung und 75 zur Beobachtung zugewiesen.

Die Immuntherapie bestand aus 4 Zyklen Induktionsbehandlung mit Nivolumab plus Ipilimumab 3 Mal wöchentlich, gefolgt von Nivolumab 2 Mal wöchentlich für bis zu 12 Monate.

Nach einer medianen Nachbeobachtung von 22,7 Monaten befanden sich noch 51 Patienten in der Immuntherapie- und 48 in der Beobachtungsgruppe der Studie.

Kein signifikanter Unterschied mit Immuntherapie

Es gab keinen signifikanten Unterschied zwischen dem Immuntherapie und dem Beobachtungsarm in Bezug auf das PFS nach 10,7 Monaten bzw. 14,5 Monaten (Hazard Ratio: 1,02; p = 0,93).

Interessanterweise schnitten bei der Immuntherapie Patienten mit einem ECOG Performance Status von 1 besser ab als mit einem Status von 0 (HR für PFS von 0,67 vs 2,06; p für Interaktion = 0,022).

Eine ähnliche Verteilung zeigte sich bei Patienten, die mit 2 Strahlentherapiefraktionen pro Tag behandelt wurden, im Vergleich zu Patienten, die nur eine erhielten (HR für PFS mit Immuntherapie 0,63 bzw. 1,34; p für Interaktion = 0,096).

Das Gesamtüberleben unterschied sich wiederum nicht signifikant zwischen dem Immuntherapie- und dem Beobachtungsarm, wobei der Median in der Immuntherapie-Gruppe nicht erreicht wurde, während es in der Beobachtungsgruppe 31,6 Monate betrug (HR: 1,06, p = 0,83).

Allerdings und „sehr wichtig hinsichtlich des sekundären Endpunkts“ sei, dass sich die Kurven kreuzten, sagte Peters, was darauf hindeute, dass Überlebensvorteile der Immuntherapie im Laufe der Zeit zunehmen würden.

Tatsächlich fiel die Hazard Ratio für das Überleben unter einer Immuntherapie gegenüber der Beobachtungsgruppe von 1,91 (p = 0,14) zwischen den Monaten 0 und 12 auf 0,97 (p = 0,95) zwischen den Monaten 12 und 24 und weiter auf 0,25 (p = 0,087) ab dem 24. Monat.

Es gab bestimmte Patienten, die von einer Immuntherapie zu profitieren schienen, wobei Frauen eine Hazard Ratio für das Gesamtüberleben von 0,34 gegenüber 1,55 für Männer aufwiesen (p für Interaktion = 0,034).

Patienten mit einem ECOG-Performance-Status von 1 hatten eine Hazard Ratio für das Gesamtüberleben unter der Immuntherapie von 0,44 versus 4,62 gegenüber denen mit einem Status von 0 (p für Interaktion = 0,0009).

2 fraktionierte Strahlentherapien pro Tag waren ebenfalls mit einem Gesamtüberlebensvorteil verbunden (Hazard Ratio mit Immuntherapie von 0,41 versus 1,75 für 2 Fraktionen pro Tag, p für Interaktion = 0,015).

Die Kombinationsbehandlung habe zu einer „signifikanten Toxizität“ im Vergleich zur Beobachtungsgruppe geführt, sagte Peters, wobei jegliche Ursache von unerwünschten Ereignissen vom Grad von mindestens 3 in 62% gegenüber 25% beobachtet wurde.

Sie sagte, dass die meisten der bei der Immuntherapie erfassten unerwünschten Ereignisse „leider“ zum Abbruch der Behandlung führten, und zwar bei 55% aller unerwünschten Ereignisse.

Die häufigsten Nebenwirkungen bei der Immuntherapie waren Müdigkeit (49%), Anorexie (32%), Diarrhöe (28%) und Erbrechen (27%).

Subgruppen profitierten

Peters sagte, dass die Studie „ihren primären Endpunkt der Verbesserung des PFS nicht erreicht hat“, fügte aber hinzu, dass „ein sehr kurzer Zeitraum der in der Studie beobachteten aktiven Behandlung im Zusammenhang mit Toxizität und anschließendem Absetzen der Behandlung sicherlich die Wirksamkeitsergebnisse beeinflusst hat“.

„Eine längere Nachbeobachtungszeit ... wird die Untersuchung eines möglichen späten Effekts der Immuntherapie auf das Überleben ermöglichen, welcher trotz der kurzen Nachbeobachtungszeit bereits erkennbar ist.“

 
Eine längere Nachbeobachtungszeit ... wird die Untersuchung eines möglichen späten Effekts der Immuntherapie auf das Überleben ermöglichen Prof. Dr. Solange Peters
 

Peters wies auch auf unterschiedliche Vorteile der Immuntherapie in bestimmten Subgruppen hin, speziell bei Frauen und bei Patienten, die 2-mal täglich fraktionierte Strahlentherapien erhielten. Sie erwähnte laufende Forschungsprojekte zur Identifizierung potenzieller Biomarker für das Ansprechen.

Der Co-Autor der Studie, Prof. Dr. Sanjay Popat vom NHS Foundation Trust des Royal Marsden Hospital in London, UK, sagte gegenüber Medscape, dass man „natürlich“ enttäuscht sei, keine Verbesserung des Überlebens zu sehen. „Dennoch ist dies ein Fortschritt auf dem Gebiet der Immuntherapie, denn wir haben bereits gezeigt, dass dies vielleicht nicht der beste Plan für die Immuntherapie ist, da die Rate an unerwünschten Ereignissen des Grades 3 und mehr relativ hoch ist.“

Aber mit einem besseren Verständnis der Subgruppen, die eine Nutzen zeigten, Biomarker-Evaluation und mehreren anderen laufenden Studien gebe es „keinen Zweifel daran, dass wir in Zukunft zeigen werden, dass Checkpoint-Inhibitoren in begrenztem Umfang bei SCLC nützlich sind“. Popat fügte hinzu: „Wir müssen diesen Nutzen nur noch beweisen, und deshalb ist es absolut wichtig, Evidenz zu generieren und Patienten Zugang zu klinischen Studien zu geben.“

ESMO-Teilnehmer bewerten Ergebnisse als enttäuschend

Die vorgestellten Ergebnisse wurden von vielen ESMO-Teilnehmern auf Twitter als „enttäuschend“ beschrieben. Prof. Dr. Stephen V. Liu, Direktor der thorakalen Onkologie an der Georgetown University, Washington DC, USA, sagte: STIMULI zeige zwar, dass die Immuntherapie-Kombination das Überleben „nicht verbesserte“. Das Kreuzen der Kurven deute jedoch auf „statistischen Herausforderungen“ der Studie hin.

https://twitter.com/stephenvliu/status/1307289636805513216?s=21

Dr. Jonathan Lim vom Francis Crick Institute, London, UK, hob den „interessanten Unterschied“ beim PFS zwischen Patienten, die 2-mal Mal oder einmal täglich bestrahlt werden, hervor. „Sehen wir möglicherweise die Wirkung einer immunogenen Strahlentherapie?“, fragte er.

https://twitter.com/drjonlim/status/1307281921941135360?s=21

Kombinationstherapie „zu toxisch“

Peters bemerkte, negative Ergebnisse in der Beobachtungsgruppe seien auf das Fortschreiten der Krankheit zurückzuführen, „während wichtig ist, dass es im Nivolumab- und Ipilimumab-Arm nicht mit dem Fortschreiten der Krankheit, sondern mit der Toxizität oder mit der Entscheidung des Patienten oder des Prüfarztes zusammenhing“.

Prof. Dr. Corinne Faivre-Finn, Expertin für Thorax-Strahlentherapien der University of Manchester, war als Diskussionsteilnehmerin eingeladen. Sie sagte, die Kombination von Nivolumab und Ipilimumab müsse aufgrund der aktuellen Ergebnisse als „zu toxisch“ bewertet werden. Darüber hinaus könnten die Ergebnisse von Phase-2-Studien mit weniger als 200 Patienten „nicht als endgültig und praxisverändernd angesehen werden“.

In Ermangelung weiterer Details zu den in der Studie verwendeten Strahlentherapie-Schemata und fehlender Biomarker-Daten zur Vorhersage des Ansprechens auf die Immuntherapie sagte sie, dass die Standardversorgung bei SCLC-Patienten in begrenztem Stadium weiterhin die Strahlentherapie mit 45 Gy 2 Mal täglich sei.

Faivre-Finn ergänzte, dass die Botschaft angesichts der Tatsache, dass derzeit andere Studien mit Immuntherapie- und Chemoradiotherapie-Kombinationen rekrutiert würden, laute: „Beobachten Sie dieses Gebiet!“

Dieser Artikel wurde von Michael van den Heuvel aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
 

Kommentar

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