Obwohl COVID-19-Patienten mit einer Krebs-Vorgeschichte ein erhöhtes Sterberisiko im Vergleich zu anderen Corona-Patienten haben, scheint eine aktive Krebstherapie die Sterblichkeit nicht zu erhöhen. Das legen 3 Studien britischer Forscher nahe. Sie unterstreichen damit die Bedeutung einer kontinuierlichen Analyse der Auswirkungen der Pandemie auf Krebspatienten. Die Forschungsarbeiten sind am 19. September auf dem virtuellen Kongress 2020 der European Society for Medical Oncology (ESMO) vorgestellt worden [1].
Dr. Christopher Sng und Dr. Heather Shaw vom University College London Hospital untersuchten zusammen mit Kollegen mehr als 300 COVID-19-Patienten mit und ohne Krebs und stellten fest, dass eine Krebserkrankung das Risiko an der Infektion zu sterben um 57% erhöhte.
In einer zweiten Analyse ihrer Patienten stellten sie fest, dass keine der von ihnen untersuchten individuellen Krebstherapien mit einem signifikanten Anstieg des Sterblichkeitsrisikos verbunden war, obwohl alle systemischen Krebstherapien zusammen mit einer erhöhten Sterblichkeit verbunden waren.
In einer dritten Studie, die auf dem ESMO 2020 vorgestellt worden ist, stellten Dr. Anna Olsson-Brown vom Clatterbridge Cancer Center des NHS Foundation Trust in Bebington/Wirral und Kollegen das UK Coronavirus Cancer Monitoring Project (UKCCMP) vor.
Seit März 2020 wurde es rasch auf mehr als 70 Zentren ausgeweitet, die mehr als 1.200 Krebspatienten mit COVID-19 betreuen, und bereits Ergebnisse liefern, die ein Experte als „wirklich informativ" für das Management von Krebspatienten während der Pandemie bezeichnet hat.
Krebspatienten sollten Corona-Exposition sorgfältig vermeiden
Sng und Shaw sagten gegenüber Medscape, dass ihre Ergebnisse trotzdem „darauf hindeuten, dass Patienten, die eine aktive systemische Krebstherapie erhalten, vor einer übermäßigen Exposition gegenüber dem Virus geschützt werden müssen. Dazu gehört die Teilnahme an CT-Scans, Behandlungen oder anderen Routine-Nachuntersuchungen“.
„Diejenigen, die im Monitoring sind oder früher an Krebs erkrankt waren, sollten ihre Sorgen mit ihrem Arzt besprechen und eine mögliche Exposition sorgfältig vermeiden, bis weitere Daten vorliegen, die definitivere Vorgaben erlauben.“
Sie fügten hinzu, dass „im Falle eines Wiederaufflammens der Infektion, wie wir sie jetzt erleben, wirklich jeder Patient einen individuellen Plan in Absprache mit einem Onkologen braucht, der die weitere Behandlung und Nachsorge regelt“.
Erstes Poster
Shaw und Kollegen untersuchten Patienten mit RT-PCR bestätigter COVID-19-Infektion, die sich zwischen dem 1. März und dem 31. Mai 2020 in ihrer Klinik vorgestellt hatten.
Von insgesamt 680 Patienten, die sich während des Studienzeitraums vorgestellt hatten, identifizierten sie 94 (13,8%) mit einer Krebsvorgeschichte. Diese wurden dann mit 226 zufällig ausgewählten Patienten ohne Krebsvorgeschichte, die nach Alter und Geschlecht ähnlich waren, verglichen.
Das mittlere Alter der Patienten lag bei 72 Jahren, etwa ein Drittel war weiblich. Die häufigsten Komorbiditäten in beiden Patientengruppen waren Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und chronische Lungenerkrankungen.
Über eine mediane Nachbeobachtungszeit von 18 Tagen starben 41 (43,6%) der Patienten mit einer Krebsvorgeschichte gegenüber 77 (34,1%) der Patienten ohne Krebs. Signifikant war der Unterschied bei den mindestens 70-Jährigen mit 64% gegenüber 44% oder einer Odds Ratio von 2,28 (p = 0,02).
Höheres Alter war in beiden Kohorten signifikant mit einer schlechteren Überlebensrate assoziiert (p < 0,0001). Eine univariate Analyse zeigte, dass eine südasiatische Ethnie und Komorbiditäten signifikant mit der Sterblichkeit verbunden waren.
Eine multivariate Analyse ergab, dass der stärkste Prädiktor für die Sterblichkeit nach COVID-19-Infektion die südasiatische Ethnie war. Die Hazard Ratio lag bei 2,92 (p < 0,001).
Es folgten zerebrovaskuläre Erkrankungen mit einer HR von 1,93 (p < 0,01), Krebs mit einer HR von 1,57 (p = 0,03) und das Alter mit einer HR von 1,49 für jeden 10-Jahres-Schritt (p < 0,001).
Das Team sagte, dass die Ergebnisse „auf die Notwendigkeit hindeuten, Patienten mit Krebs weiterhin vor der Exposition gegenüber der Infektion abzuschirmen“. Sie fügen hinzu: „Angesichts des möglichen Wiederaufflammens der SARS-CoV-2-Infektion sollten die Behandlungspläne individuelle Risikofaktoren wie Alter, ethnische Zugehörigkeit und Komorbidität berücksichtigen.“
Zweites Poster
In einer zweiten Arbeit untersuchten die Forscher in derselben Gruppe (94 Krebspatienten mit COVID-19) den Einfluss einer systemischen Krebstherapie auf die Sterblichkeit.
Bei diesen Krebspatienten war die südasiatische Ethnie in einer multivariaten Analyse wiederum signifikant mit der Mortalität assoziiert, bei einer HR von 6,44 (p < 0,01), gefolgt von zerebrovaskulärer Erkrankung (HR: 3,52; p < 0,01), Bluthochdruck (HR: 2,73; p = 0,01) und Alter (HR: 1,40; pro 10-Jahres-Schritt, p = 0,04).
Während die systemische Krebstherapie im Allgemeinen mit einem signifikanten Anstieg der Mortalität unter Krebspatienten mit COVID-19-Infektion assoziiert war (HR: 2,46; p = 0,03), erhöhte keine der Einzeltherapien in ihrer Analyse das Sterblichkeitsrisiko signifikant, wenn sie separat beurteilt wurde. Dazu gehörten Chemotherapie, endokrine Therapie, gezielte Krebstherapie und Immuntherapie.
Drittes Poster
Zum dritten Poster erklärten Olsson-Brown und Kollegen, dass das UKCCMP eine Antwort auf die Notwendigkeit einer schnellen Reaktion auf die COVID-19-Pandemie sei, um Real World-Daten von Krebspatienten zur Verfügung zu stellen.
Ab März 2020 entwickelten sie ein nationales Netzwerk zur Berichterstattung über Krebs in 4 iterativen Phasen, beginnend mit einem Projektprotokoll, das die wichtigsten Anforderungen an die Daten und Zeitvorgaben festlegt.
Unterstützt wurde dies durch eine technische Infrastruktur, die Klinikern eine anonymisierte Dateneingabe in eine REDCap-Datenbank (Research Electronic Data) erlaubt und so die schnelle Verbreitung der Ergebnisse ermöglicht.
Sie identifizierten Gruppen, um ein erstes Netzwerk aufzubauen, unterstützt durch die Berufsverbände. Nachdem die Forscher weitere Zentren eingeladen hatten, sich dem Netzwerk anzuschließen, entwickelten sie eine Website und eine Strategie für soziale Medien, um das Projekt weiter auszubauen.
Innerhalb der ersten 4 Wochen schlossen sich mehr als 50 Zentren aus ganz Großbritannien dem Projekt an, das innerhalb von 6 Wochen auf mehr als 70 Zentren anwuchs und über 1.200 Krebspatienten mit COVID-19 einschließt.
Das Team sagte, dass ihre schnelle Reaktion auf die COVID-19-Pandemie beweist, dass „ähnliche Meldenetzwerke schnell und stabil eingerichtet werden können, um auf das Bedürfnis nach Evidenz in der onkologischen Gemeinschaft in ihrem Bemühen nach ... Anpassungen zu reagieren“.
„Phantastisch erfolgreich“
Um eine Stellungnahme gebeten, sagte Prof. Dr. Kevin Harrington vom Institute of Cancer Research, London, und Mitglied des Steuerungs-Komitees des ESMO CoCARE-Registers, das UKCCMP sei „fantastisch erfolgreich“ gewesen.
Er sagte gegenüber Medscape, dass das Team bereits „sehr einflussreiche Arbeiten in The Lancet und in Lancet Oncology “ veröffentlicht habe und dass ihre Erkenntnisse über Krebspatienten, die von COVID-19 betroffen sind, „wirklich hilfreich und sehr informativ“ gewesen seien.
Harrington berichtete, dass der bisher im UKCCMP beobachtete Anstieg der Mortalität unter Krebspatienten, die von COVID-19 betroffen sind, „etwa 30%“ beträgt. Das ist geringer als der 57%ige Anstieg, der in der Studie von Shaw und Kollegen beobachtet wurde und spiegelt möglicherweise die höheren Patientenzahlen im UKCCMP wider.
„Dennoch ist die Gruppe der Krebspatienten in Bezug auf Ältere stark überrepräsentiert“, fuhr er fort. „Männliche Patienten haben ein schlechteres Ergebnis ... und viele der Patienten haben Komorbiditäten. Es ist also schwierig, das voneinander zu trennen. Ist es der Krebs an sich, der zu dem schlechten Ergebnis führt, oder sind es die gleichzeitig vorhandenen Hochrisikomerkmale wie Alter und Komorbiditäten, die damit verbunden sind?“
Harrington hob hervor, dass das UKCCMP auch gezeigt hat, dass Krebspatienten, die mit COVID-19 infiziert sind, kein schlechteres Ergebnis erzielen, wenn sie eine Krebstherapie durchlaufen. „Und das ist wirklich wichtig, weil es uns sagt, was wir bei der Behandlung von Patienten mit aktiven Krebserkrankungen tun sollten: Wir sollten mit ziemlicher Sicherheit ihre Krebstherapien fortsetzen.“
Dieser Artikel wurde von Ute Eppinger aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
Medscape Nachrichten © 2020 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Daten zu COVID-19 und Krebs: „Es sagt uns, dass wir bei Patienten mit aktiver Erkrankung die Therapie fortsetzen sollten“ - Medscape - 9. Okt 2020.
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