Der experimentelle Kinase-Hemmer Ipatasertib (Roche), der auf einen wichtigen Stoffwechselweg bei Krebs abzielt, hat in Kombination mit Abirateron (Zytiga®, Janssen-Cilag) bei Männern mit asymptomatischem oder schwach symptomatischem metastasierendem, kastrationsresistentem Prostatakrebs (mCRPC) vielversprechende Effekte gezeigt.
Neue Ergebnisse der Kombinationstherapie wurden online während des virtuellen Kongresses 2020 der European Society of Medical Oncology (ESMO) präsentiert [1].
Die Kombination sei vielversprechend, aber noch nicht ganz reif für die Praxis, kommentierte der eingeladene Diskussionsteilnehmer Dr. Henrik Grönberg vom Karolinska Institutet in Stockholm.
Die neuen Ergebnisse stammen aus der Phase-3-Studie IPATential 150, die nur einen ihrer beiden primären Endpunkte erreicht habe, so die Forscher.
Die Kombination von Ipatasertib und Abirateron verbesserte das radiologisch bestätigte progressionsfreie Überleben (rPFS) von Patienten mit mCRPC und mit PTEN-Verlust im Vergleich zu Abirateron allein. PTEN codiert für eine Phosphatase, die als Tumorsuppressor wirkt und hemmend auf die Zellproliferation wirkt. Der PTEN-Verlust wurde per Immunhistochemie (IHC) nachgewiesen.
„In der primären Analyse führte die Kombination von Ipatasertib plus Abirateron als Erstlinienbehandlung für mCRPC bei Patienten mit PTEN-Verlust zu einem signifikant besseren radiologischen progressionsfreien Überleben und einer signifikant höheren Antitumoraktivität im Vergleich zu Placebo plus Abirateron“, sagte Prof. Dr. Johann De Bono vom Institute of Cancer Research am Royal Marsden Hospital London.
Die Studie habe jedoch ihren anderen primären Endpunkt verfehlt, nämlich das rPFS auch in der Intention-to-treat-Population (ITT) zu verlängern, zu der Patienten ohne IHC-Nachweis eines PTEN-Verlusts gehörten, berichtete De Bono.
Ein PTEN-Verlust tritt bei etwa 40% bis 50% der mCRPC-Fälle auf. Der Verlust des Gens führt zur Aktivierung des PI3K/AKT-Signalwegs und ist mit einer schlechteren Prognose und einem geringeren Nutzen der Androgenrezeptor-Blockade (AR-Blockade) verbunden.
Interessanterweise zeigte sich bei Patienten mit PTEN-Verlust bei der Beurteilung des rPFS mittels Next-Generation-Sequencing (NGS) statt mittels IHC eine breitere Trennung der Überlebenskurven zugunsten der Kombination.
„Ich halte dies für sehr vielversprechende Daten zur AKT-Hemmung bei Prostatakrebs, insbesondere in der NGS-definierten Gruppe mit PTEN-Verlust“, kommentierte Grönberg bei einer Diskussion der Studie. „Aber ich denke, es ist noch zu früh; die Subgruppe, die von dieser Behandlung profitiert, muss besser definiert werden, und wir müssen auch ausgereiftere Daten aus dieser sehr wichtigen Studie sehen“, fügte er hinzu.
Die AKT-Hemmung, ein neuer Ansatz
Ipatasertib ist ein kleines Molekül, das in Tablettenform eingenommen wird. Es bindet an die Adenosin-Triphosphat (ATP)-Bindungstasche aller 3 Isoformen von AKT. Das Medikament hemmt die Serin-Threonin-Kinase-Aktivität der AKT. Es habe sich gezeigt, dass es dabei die Antitumorwirkungen der AR-Blockade in Prostatakrebs-Modellen verbessere, so De Bono.
„Überschneidungen zwischen dem AR- und dem PI3K/AKT-Signalweg sind gezeigt worden; das ermöglicht Prostatakrebszellen, zu überleben, während die duale Blockade überlegene Anti-Tumoraktivität hat“, sagte er.
Details zur Studie
Für die IPATential 150-Studie rekrutierten Forscher 1.101 Patienten mit asymptomatischem oder nur leicht symptomatischem mCRPC, die keine Therapie aufgrund einer Progression erhalten hatten. In der Kohorte waren 521 Patienten mit PTEN-Verlust und 580, bei denen es keine Anzeichen für einen PTEN-Verlust gab.
Alle Patienten wurden nach PTEN-Verlust (per IHC analysiert), nach vorheriger Taxan-Therapie, nach Progression (nur anhand des prostataspezifischen Antigens, PSA, nachgewiesen), nach Vorhandensein von Leber- und/oder Lungenmetastasen und nach geografischen Regionen stratifiziert. Sie erhielten randomisiert Abirateron 1.000 mg täglich plus Ipatasertib 400 mg täglich (547 Patienten) oder Abirateron 1.000 mg täglich plus Placebo (554 Patienten).
Nach einer medianen Nachbeobachtung von 19 Monaten betrug das mediane rPFS für Patienten mit PTEN-Verlust, die sich der Behandlung mit der Kombination unterzogen, 18,5 Monate, verglichen mit 16,5 Monaten für Patienten, die nur mit Abirateron behandelt worden waren.
Die ereignisfreie 1-Jahres-Rate betrug 64,4% unter der Kombination, verglichen mit 63,3% unter Abirateron allein, was einer stratifizierten Hazard-Ratio (HR) für die Progression mit Ipatasertib plus Abirateron von 0,77 (p=0,0335) entspricht.
In der ITT-Population betrug das mediane rPFS mit Ipatasertib/Abirateron 19,2 Monate, verglichen mit 16,6 Monaten unter Abirateron/Placebo. Die ereignisfreien 1-Jahres-Raten betrugen 65,3% und 63,0%, was einer HR von 0,84 für die Kombination entspricht. Das Ergebnis (p=0,0431) erreichte jedoch nicht den für die statistische Signifikanz vordefinierten p-Wert von 0,01, was bedeutet, dass dieser koprimäre Endpunkt nicht erreicht worden ist.
Wie bereits erwähnt, war das rPFS in der Population mit PTEN-Verlust ein sekundärer Endpunkt. Er betrug 19,1 Monate bei der Kombination im Vergleich zu 14,2 Monaten bei Abirateron/Placebo, was sich in einer HR zugunsten der Kombination von 0,65 (p=0,0206) niederschlug.
Objektive Ansprechraten
Die Ansprechraten mit der Kombination waren viel höher als mit Abirateron allein.
In der Gruppe mit PTEN-Verlust betrugen die objektiven Ansprechraten, die in Übereinstimmung mit den Response Evaluation Criteria in Solid Tumors (RECIST) Version 1.1 ermittelt wurden, 61% für Patienten, die Ipatasertib plus Abirateron erhielten, verglichen mit 39% für Patienten, die nur Abirateron erhielten. Die entsprechenden Raten in der ITT-Population betrugen 61% bzw. 44%.
Die biochemischen PSA-Ansprechraten in der Gruppe mit PTEN-Verlust betrugen 84% gegenüber 72%. In der ITT-Gruppe lagen sie bei 81% gegenüber 76%.
Auch die Zeit bis zum Fortschreiten des PSA-Wertes war im Kombinationsarm in beiden Analysen signifikant besser. Die HR betrug 0,69 (P=0,0013) in der Population mit PTEN-Verlust und 0,73 (p<0,0001) in der ITT-Population.
Es gab jedoch keine signifikanten Unterschiede je nach Behandlungsarm oder Population in der Zeit bis zur notwendigen Einleitung einer zytotoxischen Chemotherapie.
Die Daten zum Gesamtüberleben waren zum Zeitpunkt des Daten-Cut-offs noch nicht ausgereift. In der aktuellen Analyse habe es keinen Unterschied in der Gesamtüberlebenszeit zwischen den Behandlungsarmen gegeben, sagte De Bono.
Höhere Toxizitäten unter Ipatasertib
Unerwünschte Ereignisse des Grades 3 oder 4 wurden bei 70,1% der mit Ipatasertib/Abirateron behandelten Patienten registriert, gegenüber 39% bei den mit Abirateron/Placebo behandelten Patienten. 24 (4,4%) versus 20 Patienten (3,7%) starben.
Unerwünschte Ereignisse, die zum Abbruch der Therapie führten, traten bei 21,1% versus 5,1% der Patienten auf. Unerwünschte Ereignisse, die zu Dosisreduktionen führten, wurden von bei 39,9% versus 6,2% der Patienten berichtet.
Zu den unerwünschten Ereignissen, die mit einem Unterschied von 2% oder mehr unter der Kombinationsbehandlung auftraten, zählten Hautausschlag bzw. ein makulopapulöser Hautausschlag, Diarrhö, Hyperglykämie, erhöhte Lebertransaminase-Werte und eine Dehydratation.
De Bono merkte an, dass ein Absetzen der Medikamente durch den Einsatz von prophylaktischem Loperamid bei Diarrhö sowie von Antihistaminika zur Verhinderung oder Linderung kutaner unerwünschter Ereignisse vermieden werden könne.
Bei der Diskussion wies Grönberg darauf hin, dass nur etwa 18% der Patienten in jedem Arm zuvor Taxane erhalten hatten: ein geringerer Prozentsatz als in der Praxis üblich. Ob das wirklich eine Rolle spielt, ist fraglich. Dem Experten zufolge habe es beim PFS keine Unterschiede in den Gruppen mit oder ohne Taxan-Vorbehandlung gegeben.
Dieses Ergebnis werfe die Möglichkeit auf, dass eine vorherige Taxan-Therapie Patienten weniger empfindlich auf AKT-Inhibitoren reagieren lasse, was weiter erforscht werden sollte, fügte er hinzu. Außerdem sei nur bei 205 von 1.101 Patienten eine rPFS-Analyse per Next-Generation-Sequencing (NGS) durchgeführt worden.
„Meiner Ansicht nach ist NGS höchstwahrscheinlich ein besserer Weg, um den PTEN-Verlust zu definieren, und ich fordere die Autoren und das Unternehmen dringend auf, zu versuchen, [NGS-Daten für] die anderen 900 Patienten zu sammeln, um diese Analyse durchzuführen“, erklärte Grönberg.
Der Artikel wurde von Michael van den Heuvel aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
Diesen Artikel so zitieren: Prostatakrebs: Länger progressionsfrei unter AKT-Hemmung plus Abirateron – aber einige Fragen bleiben offen - Medscape - 9. Okt 2020.
Kommentar