Wider Erwarten eignet sich das häufige Onkogen KRAS doch als therapeutisches Target – nun gibt es Daten beim NSCLC

Neil Osterweil

Interessenkonflikte

8. Oktober 2020

KRAS, eines der am häufigsten mutierten Onkogene bei Krebserkrankungen, galt lange Zeit als ungeeignetes Target für Pharmakotherapien, doch frühe Ergebnisse einer klinischen Studie mit dem experimentellen KRAS-Inhibitor Sotorasib (Amgen) deuten darauf hin, dass mindestens eine KRAS-Mutation, die bei nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC) häufig vorkommt, sich als Zielstruktur für Therapien eignen könnte. 

In der Phase-1-Studie CodeBreaK 100 zeigte Sotorasib, ein experimenteller First-in-Class-Inhibitor der KRAS p.G12C-Mutation, eine ermutigende Aktivität gegen fortgeschrittenen NSCLC und andere solide Tumore.

Von 59 Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs hatten 19 (32,2%) eine bestätigte objektive Reaktion auf die Sotorasib-Monotherapie, und bei 52 (88,1%) führte die Therapie zur Kontrolle der der Krankheit. Das berichtete Dr. David S. Hong vom University of Texas MD Anderson Cancer Center in Houston. „Sotorasib zeigte auch eine dauerhafte Krankheitskontrolle bei stark vorbehandelten Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs.“

 
Sotorasib zeigte auch eine dauerhafte Krankheitskontrolle bei stark vorbehandelten Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs. Dr. David S. Hong
 

Hong präsentierte Ergebnisse der Wirksamkeit auf sekundäre Endpunkte der Studie in einer Online-Präsentation beim virtuellen Kongresses 2020 der European Society of Medical Oncology (ESMO) [1]. Die Studie wurde gleichzeitig auch im New England Journal of Medicine veröffentlicht [2].

Dabei wurden primäre Endpunkte zur Sicherheit erreicht. Es gab keine dosisbegrenzende Toxizität und keine tödlichen Ereignisse durch die Therapie. Schwerwiegende Nebenwirkungen (Grad 3 oder höher) traten bei weniger als 20% der Patienten auf.

 
Das Sicherheitsprofil ist günstiger als das anderer zielgerichteter Wirkstoffe. Dr. Marwan G. Fakih
 

„Das Sicherheitsprofil ist günstiger als das anderer zielgerichteter Wirkstoffe. Ich denke, der Grund liegt darin, dass Sotorasib sehr spezifisch in seiner Bindung an KRASG12C ist, und KRASG12C ist nur im Tumor vorhanden“, erklärte Dr. Marwan G. Fakih gegenüber Medscape. Der Onkologe arbeitet am City of Hope Comprehensive Cancer Center in Duarte, Kalifornien. Er ist Koautor der Veröffentlichung in NEJM.

Triumph der Arzneistoffforschung

Sotorasib sei „ein Triumph der Arzneistoffforschung“, kommentierte Dr. Colin Lindsay von der University of Manchester, einer der eingeladenen Diskussionsteilnehmer. „Wir wissen, dass KRAS über viele Jahre, über 3 Jahrzehnte hinweg, sehr schwer anzugreifen war“, sagte er.

„Die frühe Entwicklung zielgerichteter KRASG12C-Wirkstoffe ist erst der Anfang und lässt hoffen, dass die Fähigkeit, nicht nur andere KRAS-Mutationen, sondern auch andere, bisher als ungeeignet geltende Zielmoleküle ins Visier zu nehmen, in greifbare Nähe rückt“, schreiben Prof. Dr.Patricia M. LoRusso vom Yale Cancer Center in New Haven, Connecticut, und Dr. Judith S. Sebolt-Leopold vom Rogel Cancer Center der University of Michigan in Ann Arbor, in einem begleitenden Editorial [3].

Wie wirkt Sotorasib?

KRAS steht als Abkürzung für Kristen rat sarcoma viral oncogene homologue. Die Mutation p.G12C ist eine Glycin-Cystein-Substitution, die dazu führt, dass das Onkogen aktiviert wird. Die Mutation wurde bei etwa 13% der NSCLC-Tumoren, bei 1% bis 7% der Kolorektalkarzinome und bei anderen soliden Tumoren nachgewiesen.

Die Mutation wurde jedoch aufgrund der starken Bindungsaffinität von KRAS für Guanosintriphosphat (GTP), einem wesentlichen Baustein der RNA-Synthese, und aufgrund des Mangels an zugänglichen Arzneimittelbindungsstellen bislang als schlechtes Target für Pharmakotherapien bewertet.

Sotorasib ist ein niedermolekularer, spezifischer und irreversibler Inhibitor von KRAS, der mit einer „Tasche“ auf der Genoberfläche interagiert. Diese Raumstruktur ist nur bei einer inaktiven KRAS-Konformation vorhanden. Das Medikament hemme die onkogene Signalübertragung und Tumorentstehung, indem verhindere, dass die aktive Form entstehe, erklärt Fakih.

Details zur Studie

Für CodeBreaK 100 nahmen Forscher Patienten mit 13 verschiedenen lokal fortgeschrittenen oder metastasierten soliden Tumorarten auf. In allen Fällen lag die KRAS p.G12C-Mutation vor.

Die Studie begann mit einer Dosis-Eskalationsphase mit 2 bis 4 Patienten pro Kohorte. Sie erhielten täglich orales Sotorasib in Dosen von 180, 360, 720 oder 960 mg. Die Dosis von 960 mg wurde für Expansionskohorten und für geplante Phase-2-Studien ausgewählt, basierend auf dem Sicherheitsprofil und dem Fehlen dosislimitierender Toxizitäten.

Hong und seine Kollegen berichteten über Ergebnisse von 129 Patienten, die in den Dosis-Eskalations- und Expansionskohorten behandelt wurden, darunter 59 mit NSCLC, 42 mit Kolorektalkarzinom und 28 mit anderen Tumorarten. Die Forscher konzentrierten sich aber hauptsächlich auf Patienten mit NSCLC.

Nach einer medianen Nachbeobachtung von 11,7 Monaten waren 59 Patienten mit NSCLC behandelt worden, 3 mit der Dosis 180 mg, 16 mit 360 mg, 6 mit 720 mg und 34 mit 960 mg. Zum Zeitpunkt der Datenerhebung im Juni dieses Jahres befanden sich 14 Patienten noch in Behandlung. 45 hatten die Behandlung abgebrochen, entweder wegen Fortschreiten der Krankheit (35 Patienten), Tod (5), Patientenwunsch (4) oder wegen unerwünschter Ereignisse (1).

Wie bereits erwähnt, traten keine dosisbegrenzenden Toxizitäten oder behandlungsbedingten Todesfälle auf.

Unerwünschte Ereignisse des Grades 3 oder 4 traten bei 18,6% der Patienten auf. Das einzige behandlungsbezogene Ereignis des Grades 4 war ein erhöhter Alanin-Aminotransferase (ALT)-Wert bei einem Patienten (1,7%). Zu den Ereignissen des Grades 3 gehörten erhöhte Lebertransaminase-Werte bei 9 Patienten, erhöhte alkalische Phosphatase-Werte bei 2 Patienten, Anämie bei einem Patienten und erhöhte Gamma-Glutamyltransferase-Werte, verminderte Lymphozytenzahl, Hepatitis und Hyponatriämie bei jeweils einem Patienten.

Fakih sagte gegenüber Medscape, dass angesichts der hohen Spezifität von Sotorasib unklar sei, was die beobachteten unerwünschten Ereignisse verursachen könnte.

Ansprechen bei allen unterschiedlichen Dosierungen

Die bestätigte teilweise Ansprechrate betrug 32,2% bei Patienten mit NSCLC, die in allen Dosisstufen behandelt wurden, und 35,3% bei Patienten, die die Dosis von 960 mg erhielten.

Bei allen NSCLC-Patienten und bei allen, die mit der höchsten Dosis von 960 mg therapiert wurden, blieb die Erkrankung stabil (insgesamt bei 55,9%). Eine Kontrolle der Krankheit wurde bei 88,1% bzw. 91,2% erzielt.

Bei Patienten mit NSCLC kam es über alle Dosisstufen hinweg zu Tumorreduktionen. Das mediane progressionsfreie Überleben betrug 6,3 Monate. Die mediane Dauer des Ansprechens in der Kohorte betrug 10,9 Monate bei Patienten mit partiellem Ansprechen und 4 Monate bei Patienten mit stabiler Erkrankung.

Hong merkte an, dass das Ansprechen auf Sotorasib über eine Reihe von Komutationen beobachtet worden sei, darunter mehrere Patienten mit 4 Mutationen zusätzlich zu KRAS p.G12C.

Erfolg bei einem 59-jährigen Patienten

Hong berichtete speziell über Ergebnisse bei einem 59-jährigen Mann mit der Mutation und mit Krankheitsprogression trotz 5 unterschiedlicher Therapien in der Vorgeschichte, darunter zielgerichtete Wirkstoffe, Chemotherapie und ein Checkpoint-Inhibitor. Aufgrund von Läsionen im Gehirn wurde er mit dem Gamma-Knife operiert, einem Strahlentherapiegerät zur stereotaktischen Radiochirurgie.

Dieser Patient zeigte ein vollständiges Ansprechen beim Primärtumor und ein partielles Ansprechen insgesamt, das eine Schrumpfung von Metastasen des Zentralnervensystems einschloss. Er werde Hong zufolge mittlerweile 1,5 Jahre erfolgreich behandelt.

Andere Tumore, mögliche Kombinationen

Von 42 Patienten mit Kolorektalkarzinom und KRAS p.G12C-Mutation sprachen 3 (7,1%) teilweise auf den Wirkstoff an. Auch bei je einer Patientin mit Melanom sowie mit Appendix-, Endometrium- und Bauchspeicheldrüsentumoren kam es zum teilweisen Ansprechen.

Insgesamt seien die Ergebnisse dieser Studie sehr ermutigend; sie zeigten den 1. Schritt, um ein bislang als ungeeignetes Target zu nutzen, schreiben LoRusso und Sebolt-Leopold in ihrem Editorial.

Sie schlugen vor, dass die Therapie mit Sotorasib durch die Kombination mit anderen Wirkstoffen, die auf eine Resistenz gegen die KRAS-Inhibition abzielen, verbessert werden könnte.

 
Ich glaube, dass dieses Medikament nicht nur bei refraktären Erkrankungen eingesetzt werden könnte, sondern wir hoffen, dass es bei nicht-kleinzelligem Lungenkrebs eine Vorreiterrolle spielen wird. Dr. Marwan G. Fakih
 

„Eine kürzlich durchgeführte Studie zeigte, dass Zellen eines kolorektalen Karzinoms mit KRAS G12C-Mutation eine höhere Aktivität des epidermalen Wachstumsfaktorrezeptors (EGFR) aufweisen als NSCLC-Zellen, was zu einem raschen Wiederanstieg des Mitogen-aktivierten Protein-(MAP)-Kinase-Signalwegs und zu einer Resistenz gegen KRAS G12C-Inhibition führt“, schreiben die Editorialisten. „Diese Beobachtung steht im Einklang mit der schwächer beobachteten klinischen Aktivität von Sotorasib bei Patienten mit Darmkrebs: ein Problem, das durch die Kombination mit einem EGFR-Inhibitor (z.B. Cetuximab) angegangen werden kann, wie präklinisch gesehen.“

„Ich glaube, dass dieses Medikament nicht nur bei refraktären Erkrankungen eingesetzt werden könnte, sondern wir hoffen, dass es bei nicht-kleinzelligem Lungenkrebs eine Vorreiterrolle spielen wird. Und wir hoffen, seine Wirksamkeit bei Darmkrebs verbessern zu können“, so Studienautor Fakih gegenüber Medscape.

Dieser Artikel wurde von Michael van den Heuvel aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

 

Kommentar

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