Metastasiertes Mammakarzinom: Längeres Überleben durch Antikörper-Wirkstoff-Konjugat – in einer Studie mit Schwächen

Liam Davenport

Interessenkonflikte

8. Oktober 2020

Das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Sacituzumab-Govitecan (Trodelvy® von Immunomedics) verlängert signifikant sowohl das progressionsfreie Überleben (PFS) als auch das Gesamtüberleben (OS) von Patientinnen mit metastasiertem, triple-negativem Brustkrebs, der nach mehreren vorausgegangenen Therapien progrediert. Das zeigen Daten einer Phase-3-Studie.

Das First-in-Class-Medikament richtet sich gegen das Trophoblasten-Zelloberflächenantigen 2, das bei Brustkrebs stark exprimiert wird. Alle Forschungsergebnisse wurden auf dem virtuellen Kongress 2020 der European Society of Medical Oncology (ESMO) vorgestellt [1].

Im Rahmen der Studie ASCENT haben Forscher nach dem Zufallsprinzip mehr als 500 Patientinnen mit metastasierendem, triple-negativem Mammakarzinom, bei denen die Krankheit nach 4 Therapien fortgeschritten war, entweder dem Antikörper-Wirkstoff-Konjugat oder eine Chemotherapie nach Wahl des Arztes zugeordnet. Unter Sacituzumab-Govitecan zeigte sich ein besseres PFS (im Median 5,6 versus 1,7 Monate; Hazard Ratio [HR] 0,41, p<0,0001) und OS (12,1 versus 6,7 Monate, HR 0,48, p<0,0001).

Die Ansprechrate betrug 35% für Sacituzumab-Govitecan gegenüber 5% für Chemotherapie (p<0,0001).

Die Studie wurde von Dr. Aditya Bardia, einem Onkologen am Massachusetts General Hospital, Boston, vorgestellt. Da das Sicherheitsprofil von Sacituzumab-Govitecan mit früheren Daten übereinstimme und die Abbruchrate gering sei, unterstütze der gezeigte klinische Nutzen die Anwendung von Sacituzumab-Govitecan beim metastasierten triple-negativem Mammakarzinom, so Bardia. Dabei bezog er sich auf die Tatsache, dass das Medikament auf Grundlage früherer Daten in den USA bereits eine beschleunigte Zulassung erhalten hat.

Bardia fügte hinzu, dass laufende Studien den Einsatz von Sacituzumab-Govitecan zu frühen Zeitpunkten, einschließlich neoadjuvanter Therapien in Kombination mit anderen zielgerichteten Wirkstoffen, beziehungsweise bei Hormonrezeptor-positivem metastasierendem Brustkrebs untersuchten. Eine solche Studie ist die Phase-3-Studie TROPiCS-02, welche derzeit Patientinnen rekrutiert.

Die Diskussionsteilnehmerin Prof. Dr. Fatima Cardoso, Direktorin der Breast Unit am Champalimaud Clinical Center, Lissabon, sagte, der Algorithmus zur Behandlung von triple-negativem Brustkrebs müsse angesichts dieser Ergebnisse aktualisiert werden.

 
Meiner Meinung nach sollten wir jetzt Sacituzumab-Govitecan als neue Behandlungsoption für Patienten hinzufügen, die bereits mit 2 oder 3 Therapien behandelt worden sind. Prof. Dr. Fatima Cardoso
 

„Meiner Meinung nach sollten wir jetzt Sacituzumab-Govitecan als neue Behandlungsoption für Patienten hinzufügen, die bereits mit 2 oder 3 Therapien behandelt worden sind“, sagte Cardoso.

Sie merkte an, dass das Studiendesign einige Fragen aufwerfe über die Art und Weise, wie solche Untersuchungen durchgeführt werden sollten, und über die künftige Abfolge der Behandlungen.

Kritikpunkte an der Studie

Cardoso kommentierte, das PFS sei als primärer Endpunkt für die Studie nicht ideal: „Bei metastasierendem Brustkrebs und insbesondere bei triple-negativem Brustkrebs, bei dem die mediane Überlebenszeit recht niedrig ist und bei dem jede Behandlungsstrategie, insbesondere nach der 2. Linie, nur von kurzer Dauer ist, hätte der primäre Endpunkt die Gesamtüberlebenszeit sein sollen.“

„Glücklicherweise haben wir [hinsichtlich des PFS] einige Resultate gesehen, aber wir hätten diese auch verfehlen können“, sagte Cardoso. Sie plädierte dafür, in Zukunft „sicherzustellen, dass das Gesamtüberleben zumindest der koprimäre Endpunkt ist“.

 
Für künftige Patientinnen ist es besser, wenn die Endergebnisse ausreichend aussagekräftig sind. Prof. Dr. Fatima Cardoso
 

Cardoso sagte auch, es sei ihr nicht klar, warum die Studie gestoppt worden sei. „Wenn es für die derzeitigen Patienten keinen Cross-over gibt, bringt ein Abbruch der Studie keinen Nutzen“, sagte sie. Und weiter: „Für künftige Patientinnen ist es besser, wenn die Endergebnisse ausreichend aussagekräftig sind.“ Der bei ASCENT festgestellte Nutzen sei „mäßig“ und „daher kein wesentlicher Durchbruch“. Wichtig sei, die Studie nicht zu früh abzubrechen.

Positiv bemerkte Cardoso, dass die mediane Anzahl früherer Therapien „für diesen Subtyp recht bemerkenswert war“. Es sei wichtig, über deren zeitliche Abfolge zu sprechen, insbesondere angesichts der Tatsache, dass so viele Patienten vor Beginn der Studie Checkpoint-Inhibitoren erhalten hätten.

Design der Studie

Bardia erklärte, dass Sacituzumab-Govitecan ein Antikörper-Wirkstoff-Konjugat sei. Es richtet sich gegen das Trophoblasten-Zelloberflächenantigen 2 (Trop-2), das bei Brustkrebs stark exprimiert werde. Der Antikörper ist über einen hydrolysierbaren Linker an SN-38, den aktiven Metaboliten von Irinotecan, gebunden. Die Hydrolyse des Linkers setzt SN-38 sowohl innerhalb der Tumorzelle als auch extrazellulär frei, um einen so genannten Bystander-Effekt zu induzieren, bei dem benachbarte Tumorzellen getötet werden, auch wenn sie kein Trop-2 exprimieren.

Auf Grundlage positiver Ergebnisse aus Phase-1/2-Studiendaten erhielt Sacituzumab-Govitecan von der US Food and Drug Administration (FDA) eine beschleunigte Zulassung für Patientinnen mit metastasiertem triple-negativem Brustkrebs, bei denen es nach mindestens 2 vorangegangenen Therapien zur Progression gekommen ist. ASCENT war insofern eine konfirmatorische Phase-3-Studie.

Patientinnen mit metastasierendem triple-negativem Brustkrebs, die mindestens 2 Chemotherapie-Schemata erhalten hatten, wurden nach dem Zufallsprinzip im Verhältnis 1:1 beiden Studienarmen zugeteilt. Sie erhielten entweder an den Tagen 1 und 8 eines 21-tägigen Zyklus intravenös Sacituzumab-Govitecan oder wurden nach Wahl des Arztes mit Eribin, Vinorelbin, Gemcitabin beziehungsweise Capecitabin behandelt.

Patientinnen setzten ihre Behandlung fort, bis es zur Progression der Krankheit oder zu inakzeptablen Toxizitäten kam. Auf einstimmige Empfehlung des Ausschusses zur Überwachung der Datensicherheit wurde die Studie vorzeitig beendet, da „zwingende Beweise für die Wirksamkeit“ vorlägen.

Insgesamt wurden 267 Patientinnen nach dem Zufallsprinzip für die Behandlung mit Sacituzumab-Govitecan (SG) ausgewählt. Von ihnen bleiben 15 in Therapie. Bei 199 Frauen, bei denen ein Fortschreiten der Krankheit beobachtet worden war, wurde die Behandlung abgebrochen.

In die Kontrollgruppe wurden 262 Frauen aufgenommen, von denen keine noch in Behandlung war; 166 brachen die Studienteilnahme aufgrund der Krankheitsprogression ab.

Die aktuelle Analyse beschränkt sich auf 235 Patientinnen in der SG-Gruppe und 233 Patientinnen in der Kontrollgruppe – alle ohne Hirnmetastasen. Teilnehmerinnen mit Hirnmetastasen werden Gegenstand einer späteren Analyse sein.

Alle Studienteilnehmer in beiden Behandlungsgruppen waren bis auf eine Ausnahme Frauen. Das mittlere Alter lag bei etwa 54 Jahren. Die mediane Anzahl der vorherigen Behandlungsschemata betrug 4. Die Patientinnen hatten zuvor eine Chemotherapie erhalten, und zwischen 26% und 29% haben Checkpoint-Inhibitoren eingenommen.

Bis zum Daten-Cut-off am 11. März 2020 hatten die Patientinnen im Median 7 Behandlungszyklen mit SG erhalten. Das PFS wurde durch eine verblindete, unabhängige zentrale Überprüfung beurteilt. Die mediane Dauer des Ansprechens war mit 6,3 Monaten gegenüber 3,6 Monaten eher grenzwertig (p=0,057).

Bardia zeigte, dass Ergebnisse in allen Subgruppen konsistent waren, einschließlich Subgruppe auf Grundlage des Alters, der Anzahl früherer Therapien, der Frage, ob Patientinnen zuvor Immuncheckpoint-Inhibitoren erhalten hatten, und des Vorhandenseins von Lebermetastasen.

Sicherheit mit Fokus auf Durchfall und Übelkeit

In Bezug auf die Sicherheit waren die wichtigsten behandlungsbedingten unerwünschten Ereignisse des Grades ≥3 Neutropenien, die bei 51% der SG-Patientinnen gegenüber 33% der Patientinnen im Kontrollarm auftraten, gefolgt von Diarrhöe mit 10% gegenüber <1%, Leukopenie mit 10% gegenüber 5%, Anämie mit 8% gegenüber 5% und fieberhafte Neutropenie mit 6% gegenüber 2%.

Trotz der Tatsache, dass die Rate an unerwünschten Ereignissen unter Sacituzumab-Govitecan höher war als bei der Wahl der Chemotherapie durch den Arzt, war der Prozentsatz solcher Ereignisse, die zum Abbruch der Behandlung führten, mit 4,7% gegenüber 5,4% numerisch niedriger.

Cardoso hob den „erheblichen Prozentsatz“ der Patientinnen mit Durchfall und Übelkeit in der Studie hervor und stellte fest, dass „alle Grade“ dieser unerwünschten Ereignisse „die Lebensqualität beeinträchtigen“. Deshalb sollten Schwerpunkte künftig bei der Aufklärung von Patientinnen, der Prophylaxe beziehungsweise der frühzeitigen Behandlung von Nebenwirkungen liegen, sagte sie.

Dieser Punkt wurde in der Debatte nach der Präsentation aufgegriffen. Bardia sagte, dass hohe Raten an Diarrhoe „wahrscheinlich mit der toxischen Nutzlast, nämlich SN-38, zusammenhängt, von der bekannt ist, dass sie Durchfall verursacht“.

„Loperamid zur Prophylaxe kann bei Patienten, die dieses Medikament erhalten, eingesetzt werden, und im Allgemeinen ist unsere Erfahrung mit der Anwendung von Sacituzumab-Govitecan, dass man so die Diarrhö kontrollieren kann“, relativierte Bardia. Außerdem könnten Bauchkrämpfe mit Durchfall als cholinerge Reaktion auftreten – hier rät Bardia zu Atropin.

Dieser Artikel wurde von Michael van den Heuvel aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

 

Kommentar

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