Soll der Hausarzt nach Vorhofflimmern mit dem Smartphone screenen? PD Dr. Nikolaus Sarafoff erklärt, warum ihn auf dem AHA die VITAL-AF Studie enttäuscht hat.
Transkript des Videos:
Mein Name ist Nikolaus Sarafoff und ich bin Kardiologe in München.
Ich möchte heute eine Studie zur Detektion von Vorhofflimmern mittels eines an das Smartphone gekoppelte 1-Kanal-EKG vorstellen. Die Arbeit wurde gerade auf dem virtuellen AHA-Kongress vorgestellt.
Vorhofflimmern ist häufig asymptomatisch und kann sich erst mit dem Auftreten von embolischen Ereignissen wie Schlaganfällen klinisch bemerkbar machen. Deswegen ist es von Interesse sogenanntes stilles Vorhofflimmern bei Patienten mit erhöhtem CHA2DS2-VASc-Score zu detektieren.
Die Leitlinien unterstützen regelmäßiges Pulsmessen oder das Schreiben eines EKGs bei Patienten über 65 Jahren beim Hausarztbesuch. Ein 12-Kanal-EKG ist allerdings mit einem erhöhten Aufwand verbunden und Pulsmessen ist nicht immer akkurat.
Zusatznutzen bei Kontrolluntersuchungen?
Es gibt mittlerweile viele technologische Hilfsmittel, mit denen ein 1-Kanal-EKG abgeleitet werden kann.
Eines davon ist das von der FDA zugelassene KardiaMobile-EKG, ein mobiler EKG-Sensor. Die Entwickler verwenden darin denselben Algorithmus wie in der Apple-Watch.
Der Vorteil bei diesem Gerät ist, dass kein besonderes medizinisches Fachwissen erforderlich ist, um das EKG aufzuzeichnen und eine Analyse der Messung zu bekommen.
Insgesamt wurden über 35.000 Patienten im Alter über 65 Jahre in die VITAL-AF-Studie eingeschlossen, die sich ambulant beim Hausarzt zu einer Routineuntersuchung vorgestellt hatten.
Bei der Hälfte der Patienten wurde mit dem KardiaMobil-Gerät ein 1-Kanal-EKG aufgezeichnet. Bei der anderen Hälfte wurde die übliche Praxisroutine absolviert.
Wenn der Algorithmus Vorhofflimmern detektiert hat, dann wurde umgehend der behandelnde Arzt informiert. Alle EKGs wurden zusätzlich von Kardiologen in einem zentralen EKG-Labor ausgewertet.
Ernüchternde Ergebnisse
Insgesamt wurde bei 13% der Patienten Vorhofflimmern gemessen – ohne einen signifikanten Unterschied zwischen beiden Gruppen.
Nach einem Jahr zeigte sich in der KardiaMobile-Gruppe bei 1,5% der Teilnehmer Vorhofflimmern – vs. 1,4 % in der Kontrollgruppe. Dieses Ergebnis war statistisch nicht signifikant unterschiedlich. Ebenso zeigte sich kein Unterschied bei neu verschriebener oraler Antikoagulation zwischen beiden Gruppen.
Allerdings wurde bei Patienten über 85 Jahren eine signifikant höhere Detektionsrate (1,88%) mit dem KardiaMobile-Gerät gemessen vs. der Kontrollgruppe.
Die Studie ist noch nicht publiziert, so dass weitere Erkenntisse nach der Publikation zu erwarten sind.
Zusammenfassend zeigt die Studie, dass ein routinemäßiges Vorhofflimmer-Screening bei über 65-jährigen Patienten beim Hausarzt nicht die Detektionsrate erhöht. Möglicherweise ist solch ein Screening aber bei über 85-jährigen Patienten durchaus sinnvoll.
Mein Name ist Nikolaus Sarafoff aus München und ich freu mich, sie bald wieder hier auf Medscape begrüßen zu dürfen.
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Diesen Artikel so zitieren: Enttäuschend: Smartphone-EKG-Screening beim Hausarzt bringt keinen Extranutzen – mit einer Ausnahme vielleicht - Medscape - 30. Nov 2020.
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