MEINUNG

Neuro-Talk: Wie eine optimale Diabetes-Therapie die Gefäße schützt und das Risiko eines Schlaganfalls senken kann

Prof. Dr. Hans-Christoph Diener

Interessenkonflikte

16. November 2020

2 neue Wirkstoffklassen aus der Diabetes-Therapie unterstützen die Primär- und Sekundärprävention von Schlaganfällen. Prof. Dr. Hans-Christoph Diener erklärt, wie man sie nutzen kann. 

Transkript des Videos von Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Duisburg-Essen

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich bin Christoph Diener von der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen.

Leider war der Monat Oktober bezüglich spektakulärer neuer Studien nicht besonders ergiebig. Deswegen konzentriere ich mich heute auf das Thema Diabetes mellitus und Schlaganfall.

Wir wissen, dass weltweit die Prävalenz des Diabetes mellitus bei 9,3% liegt. Sie wird in Zukunft eindeutig ansteigen. Hauptfaktoren sind Übergewicht, Adipositas und Bewegungsmangel.

Der Diabetes mellitus hat 2 Konsequenzen:

  • Mikrovaskuläre Komplikationen, wie z.B. Retinopathie, Nierenschäden, Polyneuropathie, aber auch die Erkrankung der kleinen Blutgefäße im Gehirn.

  • Das andere sind makrovaskuläre Komplikationen mit einem erhöhten Risiko für Myokardinfarkte, Schlaganfälle und die periphere arterielle Verschlusskrankheit.

Erhöhte Glukosespiegel senken zur Prognoseverbesserung

Wir wissen, dass erhöhte Glukosewerte auch beim akuten Schlaganfall die Prognose verschlechtern. Das gilt übrigens auch für die Prognose nach erfolgreicher Thrombolyse oder Thrombektomie.

Nun hat man versucht, in randomisierten Studien erhöhte Glukosewerte beim akuten Schlaganfall aggressiv zu senken, und zwar auf unterschiedliche Schwellenwerte bei Patienten mit und ohne vorbestehenden Diabetes mellitus.

Die SHINE-Studie (Stroke Hyperglycemia Network Effort Studie) mit 1.151 Patienten zeigte aber, dass eine aggressive Senkung erhöhter Glukosewerte mit intravenösem Insulin die Prognose nicht verbessert und vermehrt zu gefährlichen Hypoglykämien führt.

Der pragmatische Ansatz ist also, erhöhte Glukosespiegel bei Patienten mit akutem Schlaganfall langsam zu senken.

Prävention durch Diabetes-Therapie

Welche Rolle spielt die Behandlung des Diabetes mellitus in der Sekundärprävention und in der Primärprävention des Schlaganfalls? Hier waren die Studien in der Vergangenheit absolut frustrierend. Alle großen Studien zum Einsatz von traditionellen Antidiabetika, wie z. B. Metformin oder beispielsweise Insulin zeigten keinen therapeutischen Effekt bezüglich Schlaganfällen. Man fand positive Effekte auf die Mikroangiopathie, aber keinen positiven Effekt auf die Makroangiopathie.

Neue Ansätze mit SGLT-Inhibitoren und GLP-Rezeptoragonisten

Nun gibt es 2 neue Substanzgruppen, die die Situation meines Erachtens ändern werden.

Das eine sind die SGLT-2-Hemmer (Hemmer des Sodium Dependent Glucose Transporters 2). Sie sind gut wirksam und haben ein geringes Risiko für Hypoglykämien. Das Wichtigste ist aber, dass sie in 6 randomisierten placebo-kontrollierten Studien gezeigt haben, dass sie die Prognose von Patienten mit Herzinsuffizienz verbessern und die Sterblichkeit reduzieren können. Darüber hinaus haben sie positive Effekte auf die Nierenfunktion. Diese Substanzen werden auch relativ gut vertragen.

Die 2. neue Substanzgruppe sind die Glucagon-like-Peptide-1(GLP1-Rezeptoragonisten. Sie haben offenbar andere wichtige Auswirkungen auf Endpunkte.

Sie reduzieren in den 6 bisher durchgeführten randomisierten Studien schwerwiegende vaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt und vaskulären Tod. In 2 Studien wurde auch das Risiko für einen Schlaganfall signifikant reduziert. Als Nebenwirkung führen diese Substanzen zudem zu einer Gewichtsabnahme.

Wir haben damit eine Möglichkeit zur differenzierten Therapie des Diabetes mellitus. Bei Patienten mit Herzinsuffizienz kommen die SGLT2-Hemmer zum Einsatz, bei Patienten mit hohem Risiko für einen Schlaganfall die GLP1-Rezeptoragonisten.

Blutdruck und Lipide senken zur Sekundärprävention des Schlaganfalls

Besonders wichtig ist noch zu erwähnen, dass in der Sekundärprävention des Schlaganfalls bei Patienten mit Diabetes mellitus die Begleiterkrankungen arterielle Hypertonie und Fettstoffwechselstörungen aggressiv behandelt werden sollten.

So zeigen randomisierte Studien, dass das Rezidivrisiko eines Schlaganfalls bei Diabetikern um 41% reduziert werden kann, wenn die arterielle Hypertonie konsequent behandelt wird. Statine führen zu einer 21%igen Risikoreduktion für rezidivierende ischämische Infarkte bei Patienten mit Diabetes mellitus.

Kurz zusammengefasst

Es gibt jetzt endlich neue Substanzen und neue Studien, die zeigen, dass auch wichtige Endpunkte wie beispielsweise Herzinsuffizienz, Tod durch Herzinsuffizienz und makrovaskuläre Ereignisse wie Schlaganfall durch die neuen Therapieansätze beim Diabetes mellitus eindeutig positiv beeinflusst werden können.

Ungelöst ist natürlich nach wie vor, wie man auf einer Populationsbasis erreichen kann, dass nicht so viele Menschen übergewichtig werden und sie sich mehr bewegen.

Meine Damen und Herren, ich bin Christoph Diener von der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
 

Kommentar

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